Lebensmittelkarten: Relikte des Kalten Krieges

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So sehen die Lebensmittelkarten aus, von denen große Mengen im Keller des Landratsamts lagern - und die glücklicherweise nie gebraucht wurden. Fotos: Andreas Grosch
So sehen die Lebensmittelkarten aus, von denen große Mengen im Keller des Landratsamts lagern - und die glücklicherweise nie gebraucht wurden. Fotos: Andreas Grosch
Landrat Christian Meißner (links) und Klaus Langer im Keller des Landratsamts vor den Päckchen originalverpackter Lebensmittelkarten, die in Regalen gestapelt sind.
Landrat Christian Meißner (links) und Klaus Langer im Keller des Landratsamts vor den Päckchen originalverpackter Lebensmittelkarten, die in Regalen gestapelt sind.
 
Eine spezielle Lesebrille macht über Wasserzeichen die Echtheit der Lebensmittelkarten deutlich.
Eine spezielle Lesebrille macht über Wasserzeichen die Echtheit der Lebensmittelkarten deutlich.
 

Zigtausend Lebensmittelkarten aus den 1960er Jahren liegen unberührt im Keller des Landratsamts. Die vergilbten Papiere sind inzwischen relativ nutzlos und nehmen vor allem Platz weg. Ein neues System gibt es jedoch nicht.

In den Regalen eines Kellerraums im Landratsamt türmen sich Papierpakete. Banderolen verkünden, was die Päckchen enthalten: "1000 Lebensmittelkarten". Relikte aus dem Kalten Krieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten die Katastrophenschützer von Bund, Ländern und Gemeinden vor für den V-Fall, den Verteidigungsfall. Die Erfahrungen zweier Weltkriege waren noch frisch, so dass die Behörden sich wappnen wollten für einen neuen Ausnahmefall.

Heute ist das System solcher Lebensmittelkarten technisch überholt, sagt Klaus Langer, der im Landratsamt für den Katastrophenschutz zuständige Beamte. Doch die übergeordneten Bundes- und Landesbehörden hätten beschlossen, die Lebensmittelkarten aufzubewahren, die wohl seit den 1960er Jahren im Keller des Landratsamt Lichtenfels lagern.
Milch, Mehl und Butter sollten damit im Katastrophen- oder Kriegsfall rationiert werden, doch auch die Kraftstoffzuteilung wäre über dieses System geregelt worden.


Wasserzeichen als Legitimation

Diese vergilbten Dokumente wirken im Digitalzeitalter nur noch skurril. Die Echtheit der staatlichen Lebensmittelkarten wurde durch Wasserzeichen im Papier gewährleistet, die nur mit einer blau verglasten Spezialbrille von Lebensmittelhändlern oder Amtspersonen überprüft werden konnten.

Auch die Brillen sind noch vorhanden: Klobige Glotzophone, die am ehesten an frühere Schweißerbrillen erinnern und dem Träger ein froschartiges Aussehen verleihen. Ist der Staub der Jahrzehnte vom blauen Glas gewienert und das Granulat der zerbröselnden Gummi manschetten entfernt, lässt sich tatsächlich hindurchsehen. Nur mit Phantasie und bei gutem Licht sind dann die kreuzförmigen Ornamente der Wasserzeichen erkennbar, die den Dokumenten Legitimation verleihen.

Kurzum: Im Landratsamt türmt sich Altpapier. Landrat Christian Meißner (CSU) möchte die Makulatur loshaben - schon um die Kellerräume im Landratsamt anderweitig zu nutzen. Etwa als Schutzräume, in denen Lebensmittelnotrationen gelagert werden könnten.

Christian Meißner sagt, er wisse schon seit seiner Kindheit davon, dass im Landrats amtskeller Lebensmittelmarken gelagert seien. Das habe ihm sein Vater Georg einst erzählt, der früher im Landratsamt arbeitete. Die Papierberge im Keller seien nun jedoch relativ nutzlos. Sie nähmen nur Platz weg. Er überlege, scherzt der Landrat, ob er dem Innenminister einige der Päckchen davon zusenden soll - und obendrein eine der Prüfbrillen. Vielleicht könne ja der Minister trotz des Gebrösels in der Brille noch ein Wasserzeichen auf dem Papier wahrnehmen? Für ein Zeitungsfotos will der Landrat die lächerliche Brille aber nicht aufsetzen. Da hört der Spaß wirklich auf.


Gut, dass sie ungebraucht sind

Dass die Papiere im Keller des Landratsamts ruhen, hat vielleicht auch einen erfreulichen Aspekt: Sie wurden nicht angetastet, weil sie nicht gebraucht wurden, weil keine Katastrophe, kein Krieg das erforderlich machte.
Gleichwohl wäre es ratsam, das System zu aktualisieren, etwa indem die Karten digitalisiert werden. Schließlich sind Katastrophen nicht für alle Zeiten auszuschließen.