Landkreis Lichtenfels: Listenplatz- Vergabe mit Kalkül und Mut

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Wer nimmt welchen Listenplatz ein? Parteien und Gruppierungen wägen sorgsam ab. Foto: Landratsamt Lichtenfels / Grafik: Dagmar Klumb
Wer nimmt welchen Listenplatz ein? Parteien und Gruppierungen wägen sorgsam ab. Foto: Landratsamt Lichtenfels / Grafik: Dagmar Klumb

In welcher Reihenfolge präsentieren Parteien ihre Bewerber? Wer führt die Liste an? Das alles ist Ergebnis interner Abstimmungen.

Es war ein Paukenschlag, als im November der langjährige Lichtenfelser SPD-Stadtrat Rudi Breuning seinen Wechsel zur Wählergemeinschaft Leuchstental-Jura verkündete. Warum? Weil ihm seine Fraktion auf der Bewerberliste für die Kommunalwahl keinen Platz unter den ersten zehn eingeräumt hatte. Alle Beteuerungen - man wolle jüngeren Kandidaten den Start erleichtern und er könne doch vorgewählt werden - halfen nichts: Die empfundene mangelnde Wertschätzung führte dazu, dass ein überzeugter Sozialdemokrat Fraktion und Partei verließ.

Was in diesem Fall noch vor der offiziellen Listenaufstellung öffentlich wurde, mag in der Ausprägung besonders sein. Dass es bei den internen Abstimmungen der Parteien und Gruppierungen Kränkungen und Diskussionen gibt, ist allerdings nicht selten. Auch bei der CSU auf Kreisebene soll es vorgekommen sein, dass einer in Anbetracht eines weit hinten angedachten Startplatzes es vorzog, das Rennen gar nicht erst aufzunehmen.

In der Regel gelingt es intern, auf Ansprüche und Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Trotzdem sieht auch ein auf dem politischen Parkett erfahrener Mann wie Landrat Christian Meißner die Listenbildung als "das Heikelste" an. Als Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes mit rund 1.500 Mitgliedern in 29 Ortsvereinen kennt er die Schritte vom ersten Anschreiben bzw. Mailen über das Sortieren und Priorisieren bis hin zum finalen Beschluss der Aufstellungsversammlung mit 100 Teilnehmern. Ein paar Einzelgespräche habe es gegeben, weil der ein oder andere sich zu schlecht platziert gefühlt habe, sagt er. Aber es sei friedlich vonstatten gegangen: "Das hatte ich schon wilder", merkt er an. Irgendwo schaue halt jeder "auf seine Nummer", und wenn man noch so oft predige, dass es keine Nummer sei. Wahlhelfer bestätigen den Eindruck, dass Listenkreuze weniger werden.

Eine Untersuchung gibt es nicht

Eine Untersuchung mit verlässlichen Daten dazu gibt es nicht, aber jede Menge Beispiele dafür, wie die Wähler eine ganz andere Reihenfolge herbeigeführt haben. Beispiel Nummer eins: Georg Meißner war 2008 vom 30. und letzten Platz der CSU-Liste in den Lichtenfelser Stadtrat gewählt worden. Bei den Freien Wählern hingegen klappte es bei der Kreistagswahl 2014 trotz der erzielten sieben Sitze nicht, ihren Kreisvorsitzenden und Erstplatzierten Klaus Kasper ins Gremium zu bringen.

Der Wähler ist frei und unberechenbar. Er darf Einzelpersonen, auch quer durch verschiedene Listen ankreuzen, nur verrechnen darf er sich dabei nicht. Zu viel des Guten macht den ganzen Stimmzettel ungültig. Wer nur einige Favoriten hat, darf seinen "Rest" wiederum einer Liste zuordnen und bestätigt damit die dort vorgegebene Reihenfolge.

Ein Kuriosum ist auch erlaubt: Dass einer die Liste anführt, der gar nicht zur Wahl steht. So verhält es sich mit dem Landrat. Am 15. März geht es ja gar nicht um ihn, sondern um die Zusammensetzung des Kreistages. Trotzdem führt Christian Meißner als Zugpferd die Liste an und unterstützt mit seinem Namen quasi die Folgenden. Diese Vorgehensweise ist legitim. Ob es richtig ist, dass sie legitim ist, darüber wird es, wie so oft in der Demokratie, unterschiedliche Meinungen geben.

Listen als Ergebnis sorgsamer Überlegungen

Listen sind, wie der Einblick in ihre Entstehung zeigt, das Ergebnis sorgsamer Überlegungen und Abwägungsprozesse. Die einen vergleichen sie mit einem Schaufenster, in dem die Top-Marken ansprechend präsentiert gehören. Also: Mandatsträger nach vorne; Bekannte Gesichter der politischen Arbeit werden an prominenter Stelle platziert. Natürlich gilt es zudem, Männer und Frauen, Alt und Jung sowie Orte entsprechend zu berücksichtigen.

Die Grünen hatten ja einst schon mit ihrem Rotationsprinzip auf Bundesebene demonstriert, dass sie nicht immer dieselben Gesichter in der Verantwortung sehen möchten. Frischen Wind wünscht man sich offenbar auch auf lokaler Ebene. Jedenfalls darf man so die Entscheidung interpretieren, mit Rechtsanwältin Susann Freiburg eine politische Newcomerin auf Platz eins zu setzen. Kreisvorstandssprecher Valentin Motschmann, seit 2008 Kreisrat, beweist mit seiner Zufriedenheit mit Platz 28, dass er nicht an seinem Mandat klebt.

Verdoppelte Mitgliederzahlen

Für Mathias Söllner, erfahrener Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, ist es okay, von Platz sechs zu starten. In Anbetracht des bundesweiten Trends hoffe man natürlich, künftig mehr als drei Kreisräte stellen zu können. Bei den Mitgliederzahlen zumindest hat sich in den zurückliegenden eineinhalb Jahren sehr deutlich etwas bewegt: Sie haben sich von 28 auf jetzt 56 verdoppelt. Noch nie hätten sich so viele wirklich engagierte Neue zu einer Kandidatur bereiterklärt. Mit der Umsetzung der Frauenquote hatten die Grünen kein Problem.

Verjüngung hat sich auch die SPD auf die Fahne geschrieben. Gleichzeitig sei dem Kreisvorstand daran gelegen, auch die Kompetenz der Älteren miteinzubeziehen, sagt Sebastian Müller. Mit der vorgeschlagenen "guten Mischung" Sitze hinzuzugewinnen, ist das erklärte Ziel. Bislang hat die Fraktion 13. Die Reihung darf dennoch als mutig bezeichnet werden: Platz eins für den Kreisvorsitzenden selbst, der bislang noch kein Mandat inne hat. Das politische Aushängeschild der SPD im Landkreis schlechthin, der Lichtenfelser Bürgermeister Andreas Hügerich, kommt erst auf Platz 15. Müller sagt, er glaube, dass es den Listenwähler nicht mehr so gibt. Und der Bürgermeister, der sehe das sportlich.