Klinikum Lichtenfels: Vom Kampf gegen die Keime

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Josef Woidich ist Krankenhaushygieniker am Klinikum Lichtenfels. Vor einem Patientenzimmer mit Aufkleber an der Tür, der auf ein Risiko hinweist, betätigt der Oberarzt den Spender mit dem Desinfektionsmittel. Fotos: Ramona Popp
Josef Woidich ist Krankenhaushygieniker am Klinikum Lichtenfels. Vor einem Patientenzimmer mit Aufkleber an der Tür, der auf ein Risiko hinweist, betätigt der Oberarzt den Spender mit dem Desinfektionsmittel. Fotos: Ramona Popp
Gründlich einreiben, 30 Sekunden lang: So verwendet man Desinfektionsmittel richtig.
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Gründlich einreiben, 30 Sekunden lang: So verwendet man Desinfektionsmittel richtig.
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Gründlich einreiben, 30 Sekunden lang, auch zwischen den Fingern: So verwendet man Desinfektionsmittel richtig.
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Josef Woidich ist Unfallchirurg, aber er operiert nicht mehr. Sein täglicher Einsatz im Klinikum Lichtenfels gilt jetzt der Vermeidung von Infektionen.

Krankenhausinfektion - ein Wort, das Angst machen kann. Wem eine stationäre Behandlung bevorsteht, der erhofft sich doch Besserung seiner Beschwerden. Dass man in Kontakt mit Keimen kommen könnte, die einen womöglich noch kränker machen, ist eine gruselige Vorstellung, aber leider keine Utopie. Eine halbe Million Krankenhausinfektionen werden im Jahr in Deutschland registriert. Wissenschaftler der Berliner Charité vertreten die Meinung, ein Drittel davon wäre durch konsequente Händedesinfektion zu vermeiden. Das heißt aber auch: Zwei Drittel wären es nicht.

Nachrichten über multiresistente Erreger, gegen die gängige Antibiotika nicht mehr wirken, vermitteln ein mulmiges Gefühl. Die Gefahr ist latent vorhanden. Dr. Josef Woidich beschäftigt sich intensiv, aber unaufgeregt mit ihr. Seit vier Jahren fungiert er am Helmut-G.-Walther-Klinikum als Krankenhaushygieniker, vor kurzem hat er bei der Landesärztekammer als einer der ersten in Bayern eine entsprechende Fortbildung abgeschlossen. Sein Wissen bringt er kontinuierlich in den Klinikalltag ein, speziell unterstützt wird er dabei von zwei Fachkräften, die beispielsweise jedes Jahr die Abläufe in zwei Stationen ganz genau mitverfolgen, um eventuelle Schwachstellen beim Pflegepersonal aufzuspüren.

Isolieren, wenn nötig

Für seine Aufgabe, die er in Verbindung mit seiner schon bisher bestehenden Verantwortung im Qualitätsmanagement wahrnimmt, hat Woidich seine Tätigkeit als Unfallchirurg aufgegeben. Etwa 15 Jahre stand er im OP. Heute hat er weniger direkten Kontakt zu den Patienten. Doch Entscheidungen, in denen es um deren Wohl geht, trifft er laufend - im Austausch mit den behandelnden Ärzten. Zwei, drei konkrete Anfragen gebe es jeden Tag, schätzt er.

Dabei macht er sich nicht immer beliebt bei den Kollegen. Etwa wenn eine Station voll belegt ist, und er dennoch auf die Isolierung eines Patienten besteht. Das müsse man dann halt begründen können, betont der Arzt. Sein Vorteil ist seine Praxiserfahrung. Welche Schritte nach Feststellen einer Infektion einzuleiten sind, ist für ihn immer das Ergebnis einer Gesamtschau: Welchen Keim hat der Patient, wo hat er ihn? Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf das Gefährdungspotenzial: Ist es nötig, ihn in ein separates Zimmer zu legen, oder reicht es, Abstand zu halten? Dürfen Besucher und Personal nur mit Einweg-Schutzanzug hinein?

Bei der Aufnahme werden Menschen aus bekannten Risikogruppen einem Test unterzogen. Dazu zählen etwa Pflegebedürftige, die in den letzten sechs Monaten mit einem Antibiotikum behandelt wurden oder in einem Krankenhaus waren. Dieses Screening wurde im vergangenen Jahr in Lichtenfels verschärft: "Inzwischen wird etwa jeder Sechste bei uns gescreent", sagt Josef Woidich. Der Test gibt schnell Klarheit. Aber es ist nicht möglich, alle potenziell gefährlichen Keime draußen vor der Tür zu lassen.

Krankenhäuser unter 400 Betten, und zu dieser Größenordnung gehört Lichtenfels, müssen laut Gesetz keine Hygienikerstelle schaffen. Noch nicht. Denn mit der Novellierung des Bundesinfektionsschutzgesetzes ist die Hygiene quasi Chefsache geworden. Die Klinikleitung steht stärker in der Verantwortung und ist im Falle einer Klage in der Beweispflicht, dass alle vom Robert-Koch-Institut festgelegten Hygienevorgaben eingehalten wurden. Josef Woidich ist überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass der Hygienespezialist an jedem Krankenhaus verpflichtend sein wird. In den Niederlanden ist das seit Jahren so. Das Nachbarland mit seinen niedrigen Infektionsraten gilt als Vorbild.

Antibiotika-Einsatz hinterfragen

Die Etablierung entsprechenden Beauftragter allein reiche jedoch nicht aus, um im Kampf gegen die Keime voranzukommen, meint der Lichtenfelser Oberarzt. Es gehe darum, Mitarbeiter zu haben, die die Regeln konsequent mittragen, und das Bewusstsein zu schärfen. Daran arbeitet man am Klinikum. Beispielsweise mit der Beteiligung an der von der Weltgesundheitsorganisation initiierten "Aktion Saubere Hände". Sie richtet sich an Personal, Patienten, Angehörige, Besucher, Rettungsdienste sowie niedergelassene Ärzte.

Es genügt aber nicht, dass im Krankenhaus alles getan wird, um die Weitergabe von Keimen zu vermeiden, dass pro Jahr etwa 4000 Liter Desinfektionsmittel durch die Handspender fließen, um eine der Hauptinfektionsquellen zumindest eine Zeit lang auszuschalten. Es muss ein Umdenken stattfinden über den Umgang mit Antibiotika in der Gesellschaft. Jeder einzelne Einsatz sollte gewissenhaft abgewogen werden, weil umso mehr resistente Erreger entstehen können, je mehr Antibiotika verbraucht wird und in die Umwelt gelangt. Von einer restriktiven Verordnungspraxis ist man aber noch weit entfernt. Immer wieder hört man von Erkältungsgeplagten, die sich vom Hausarzt ein Antibiotikum verschreiben lassen wollen, auf dass es ihnen bald besser gehe. Dabei werden 90 Prozent der Erkältungen von Viren verursacht. "Da hilft kein Antibiotikum", unterstreicht Josef Woidich. Auch, wenn es schon zu einer zusätzlichen bakteriellen Infektion gekommen ist, kann sich die körpereigene Abwehr in der Regel noch gut selbst helfen. Und man wäre im Anschluss weniger anfällig.


Problematik Massentierhaltung


Starke Verwendung finden Antibiotika in der Tierhaltung. Besonders wo sich sehr viele Tiere auf engstem Raum befinden, greift man zu diesem Mittel - und zwar nicht nur im Krankheitsfall, sondern sogar vorsorglich. Dass es jetzt erste Ansätze gibt, daran etwas zu ändern, kann auch der Krankenhaushygieniker nur begrüßen. Im klinischen Bereich werde mit zirka 20 Prozent nur ein kleiner Teil der Antibiotika eingesetzt. Aber hier werden die Folgen eines Übereinsatzes am dramatischsten deutlich. Wenn man es mit multiresistenten Erregern zu tun hat, werden die stärksten Geschütze aufgefahren, die geblieben sind. Es handelt sich um Antibiotika mit gravierenden Nebenwirkungen, die nur auf Anweisung eines Oberarztes verabreicht werden dürfen. Sie können vorübergehende, aber auch bleibende Nierenschäden verursachen. Oder jemanden taub machen. Daran sollte man denken, wenn man das nächste Mal versucht ist, an einem Desinfektionsspender einfach vorbeizulaufen. "Von 100 Leuten auf dem Marktplatz haben fünf einen multuresistenten Keim auf der Hand", sagt Josef Woidich. Wer weiß schon, ob er einer von diesen fünf ist? Man muss davon nämlich nicht krank werden. Ein geschwächtes Immunsystem oder ein operativer Eingriff können dem Erreger dann sozusagen Tür und Tor öffnen.

Bleibt die Frage an den Experten, ob er sich vor diesem Hintergrund nicht manchmal wie in einem Kampf gegen Windmühlenflügel fühlt. "Nein", antwortet Woidich, "denn es tut sich etwas." Was vor einigen Jahren noch kein Thema war, sei heute Gegenstand ernsthafter Bemühungen, etwas zu verbessern. "Da bewegt sich viel."