Der Staffelsteiner Architekt Joachim Schlund sammelt historische Ansichtskarten. Hin und wieder blättert er im Album und vergleicht die einstigen Momentaufnahmen aus dem Staffelsteiner Land mit der heutigen Situation.
Als Joachim Schlund kürzlich vom Hangrutsch am Banzberg hörte, griff er gleich zu seinem Sammelalbum. Schnell fand er die Ansichtskarte vom verheerenden Bergrutsch im Jahr 1911. Vier Schwarzweißaufnahmen sind darauf zu sehen, und auf der Rückseite prängt eine Briefmarke mit dem Konterfei des Prinzregenten Luitpold, die zu dessen 90. Geburtstag herausgegeben worden ist.
Joachim Schlund sammelt seit Jahren sporadisch Ansichtskarten aus dem Staffelsteiner Land. Immer wenn er über Flohmärkte schlendert, erwirbt er mal dieses, mal jenes Stück. Etliche Dutzend Karten hat er so über die Jahre hinweg zusammengetragen. Sie zeigen das Staffelsteiner Rathaus, den Eremiten auf dem Staffelberg, kolorierte Ansichten des Maintals, die Basilika Vierzehnheiligen und Kloster Banz.
Wenn er die Karten von Zeit zu Zeit betrachtet, taucht er ein in frühere Epochen. Das ist wie eine kleine Zeitreise.
"Mich interessieren die Entwicklungen, die man daraus ersehen kann", sagt der Architekt. Die Veränderungen in der Natur und an den Gebäuden mustert er besonders aufmerksam und zieht so seine Schlüsse daraus.
Idyllische Ackerbürgerstadt Das Ensemble am Staffelsteiner Stadtturm hat sich in den vergangenen Jahren besonders stark verändert. Das Zuliani-Haus, das auf der Karte aus dem beginnenden 20. Jahrhundert im Vordergrund steht, wurde im Zuge der Hochwasserfreilegung abgerissen. Aif der Lauterinsel sind Gänse zu sehen, und das Ufer ist nahezu ebenerdig - die Bewohner dürften häufig nasse Füße bekommen haben.
Auf der gegenüberliegenden Seite fällt Joachim Schlund die geringe Absicherung der Landstraße und späteren Bundesstraße 173 auf, denn nur einige Steinpoller verhindern hier, dass Fahrzeuge in den Bach stürzen.
An den Vierzehnheiligen-Karten faszinieren ihn am meisten die verschiedenen Helme der beiden Türme. Nach einem Blitzschlag brannten sie 1835 aus; erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte die ursprüngliche barocke Helmzier rekonstruiert werden.
Auch kuriose Dinge stellt Joachim Schlund beim Studium der Karten fest: Auf einer stilisierten Ansichtkarte mit vier kolorierten Bildern schlängelt sich der Main munter durchs Tal - aber er fließt bergauf, vom Staffelberg an Vierzehnheiligen und Banz vorbei Richtung Lichtenfels. Angesichts solcher Entdeckungen beim Betrachten seiner Ansichtskarten ist für Joachim Schlund klar: "Das ist schöner als Briefmarken sammeln."