Viva Vice begeisterten ein weiteres Mal das Publikum in der Martin Luther-Kirche von Lichtenfels.
Fünf Stimmen und wie viele Instrumente? Wenn Viva Voce in der Martin Luther-Kirche von Lichtenfels spielen - nein, falsch: singen - liegt eine besondere Atmosphäre in der Luft. Die Kirche ist brechend voll, gespannte Leute, angeregte Unterhaltungen und dann ein raumfüllendenes fränkisches Bschhhhddd!
Als die "Band ohne Instrumente" mit Kerzen ganz in Schwarz, das "Os justi" von Bruckner singend, von der Kirchentür zum Altar schreitet, ist alles mucksmäuschenstill. Kein Rascheln, kein Flüstern - nur ehrfurchtsvolles Lauschen und der pure, reine Gesang der fünf Vollblut-Musiker. Die Menschen spüren, dass gleich etwas Einzigartiges, Eindringliches, passieren wird und tauchen ein in den eindrucksvollen Raumklang ganz ohne Hilfsmittel. Einzig allein ihre Stimme ist ihr wundervolles Handwerkszeug, um ein ganzes Orchester zu ersetzen.
Spirituelles Liedgut vereint sich mit Irdischem fulminant virtuos zu einem außergewöhnlichen Ohrenschmaus und Klangerlebnis. Die Musiker sind als Moderatoren von Liedern auf Banz bereits bekannt und im fränkischen Raum als A-Capella-Band eine Größe, die meisten Zöglinge aus dem Windsbacher Knabenchor.
Dieses Mal beschreiten David Lugert, Jörg Schwartzmanns, Matthias Hofmann, Bastian Hupfer und Heiko Benjes neue musikalische Wege in ihrem Programm "Ein Stück des Weges" und wollen damit gleichzeitig zurück zu ihren Wurzeln ganz ohne Lightshow, Kladderadatsch und Gedöns. Die Philosophie dahinter ist: Der Konzertsaal bzw. die Kirche wird zum "Klang-Raum" und musikalisch zum Leben erweckt, die individuelle Akustik soll ihre eigene Wirkung entfalten. Das empfiehlt David gleich zu Beginn, als er das Publikum entsprechend der Kirchenschiffe aufteilt und erst einmal im dreistimmigen Chor singen lässt.
Die dankbaren Lichtenfelser genießen und sind ergriffen von den Musikern. Verschmelzen mit deren Gesang. Eigentlich reicht es schon, mit geschlossenen Augen die Ohren zu spitzen und die Klänge auf sich wirken zu lassen, aber man kommt nicht umhin, mit aufgerissenen Augen staunend zu beobachen, mit welcher Hingabe die Künstler agieren. Auch deren Aura, die durch die besondere Kleidung verstärkt wird - jeder schwarzgewandet-geschneidert, aber mit eigener Ausstrahlung zu seinem jeweiligen Typ passend (enger Anzug in Cowboystiefeln oder Zimmerergewand, Frack oder Wickelhose) man ist schlichtweg hingerissen!
Und dann die Stimmen vom glockenhellsten Sopran bis zum tiefsten Bass variierend. Und immer die unterschiedlichsten Instrumente imitierend. Halt - hört man da nicht einen kraftvollen Kontrabass, eine laute Pauke oder Trompete mit verzerrendem Dämpfer und zartes, sanftes, liebevolles und filigranes Streichen von Violinen samt Celli? Und das alles erzeugt durch Stimmbänder und klingende Kehlen.
Durch sämtliche Epochen und Genres mit Leichtigkeit spazierend: leicht und profund - immer im Wechsel, mit höchst amüsanter Moderation. Da kommen trotz aller Spiritualität zwischendurch oder von Lied zu Lied immer mehr, die Komiker immer wieder durch - sehr zum Vergnügen der Zuhörer. Sie sind, was sie sind...und können alles: twisten, swingen, grooven, soulen, rocken.
Das "I Still Haven't Found, What I'm Looking For" von U2 oder "Nothing Else Matters" von Metallica - wie genial - mit Jörg und extremer Bassstimme als Solist: Bono und James Hettfield könnten neidisch werden. Um dann als Gegensatz in einem Gospel wie " Gentle Shepherd " in sich aufzugehen und das Kirchenlied "Die Pfade des Herren" neu zu intonieren.
Sie swingen zu "For Once in my live" von Stevie Wonder und grooven soulig bei "Aint No Mountain High Enough." von Marvin Gaye. Das Publikum johlt selbstvergessen. Auch eigene Kompositionen wie den Chanson "Marseille" schmettern sie und Mathias Hofmann singt hingebungsvoll sein Mutmachlied "Aufbruch".
Mit Grabesstimme singt Heiko,"der tiefste Bass von Franken" den brandneuen Song von Viva Voce "Schon alles" und Jörg, der Mann mit dem elegant-erotisierendem Timbre, hat sich die innige Ballade "Gib auf mich acht" selbst auf den Leib und die Persönlichkeit aus der Seele geschrieben. Und immer vermutet man automatisch Instrumente und bemerkt nicht ein einziges Mal, dass sie von Stimmen gemacht sind.
Als die immer noch sehr juvenilen Boys am Ende das Highlight "You Raise Me Up" bringen, geht das durch und durch. Absolute Hingerissenheit, Begeisterung und Gänsehautfeeling beim Publikum.