Die Absolventen der Lichtenfelser Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung präsentierten ihre Abschlussarbeiten. Es waren nur vier, dennoch zeigte sich die große Bandbreite an Möglichkeiten im Flechthandwerk.
Nach der Pflicht folgte die Kür: Den Arbeitsauftrag samt theoretischem Teil der Prüfung haben die Abschlussschüler der Staatlichen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung am Dienstag erfolgreich hinter sich gebracht, gestern präsentierten sie dann die nach eigenen Entwürfen gefertigten Gesellenstücke. Obwohl heuer nur vier Flechtwerkgestalter die Ausbildung in Lichtenfels abschließen (eine weitere Absolventin wird wegen Krankheit einen Nachhol-Prüfungstermin im Januar erhalten) spiegelten ihre Arbeiten die große Bandbreite des Handwerks wider. Die Fachlehrer lobten sowohl die Ausführung als auch die Ideen dahinter. "Es sind sehr reife, marktfähige Produkte", betonte Elisabeth Dicker. In den Arbeiten sei das traditionelle Handwerk in die Moderne transportiert, auch verfremdet worden. Upcycling, das Wiederverwenden von anderweitig nicht mehr genutzten Gegenständen, um aus ihnen etwas Neues zu Schaffen, wurde als aktuelles Thema des Flechthandwerks ebenfalls aufgegriffen.
Die Sitzfläche eines Sessels mit geschwungener, ausgeflochtener Rückenlehne aus Weide stellte Max Siebert beispielsweise aus einem Regal her, das er in zerlegtem Zustand auf dem Dachboden der Schule entdeckt hatte. Inspiration für sein Abschlussstück waren Selbstbaumöbel, wie sie der Designer Enzo Mari entwickelt hatte. Ein paar Monate probierte er verschiedene gestalterische Varianten aus, bis er mit dem schlichten Prototypen zufrieden war, den er passend "Pur" nannte. Künftig möchte sich der 23-Jährige aus Erlangen mit Geflecht für den Außenbereich befassen. Er plant einen Umzug nach Hamburg, wo er eine Stelle bei einem Handwerksunternehmen in Aussicht hat, das sich auf Flechtzäune spezialisiert hat.
Den Traumberuf gefunden Mitschülerin Marion Stanko-Thonfeld wählte als Abschlussarbeit ebenfalls eine Sitzgelegenheit, doch unterschiedlicher könnten die Entwürfe kaum sein. Die 44-Jährige, die aus dem Raum Gera an die Lichtenfelser Berufsfachschule kam, verband vier alte Flechtstühle mit einem roten, filzbezogenen Element und setzte bei den ausgeflochtenen Sitzflächen beziehungsweise Rückenlehnen verschiedene Techniken und Materialien ein. So entstand ein stilvolles Ensemble, bei dem die einzelnen Stühle aber auch voneinander getrennt benutzt werden können. Ihr im Garten der Schule aufgestelltes Werk krönte die Absolventin mit einigen Gläsern sommerlicher Drinks und Früchten in einer Feinflechtschale - letztere allerdings nicht selbst gefertigt.
An eine ungewöhnliche und sehr kraftaufwendige Technik wagte sich Nina Patlan-Arellano aus Niederbayern, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Dabei wird mit mehreren, verdrehten Weidensträngen geflochten. Für die runden, henkellosen Körbe, die sie in gleichmäßiger Struktur mit einem farblich abgesetzten Abschluss geschaffen hat, zollte Fachlehrer Günter Mix der 22-Jährigen Respekt.
Elke Hegmann aus Nürnberg war von der Ausstellung "Geflecht als Kunst" zum Korbmarkt 2013 so begeistert, dass auch sie große Skulpturen in organischen Formen wie dort zu sehen flechten wollte. Für die Mittelfränkin begann mit ihrer Handwerksausbildung ein neuer Lebensabschnitt. 20 Jahre lang hatte sie als Fremdsprachenkorrespondentin gearbeitet, war aber nicht mehr glücklich im Büro, wünschte sich eine Veränderung. Vom Flechthandwerk wusste sie bis dato wenig. Ein Gespräch mit Bekannten gab den Anstoß, sich zu informieren. Inzwischen plant die 48-Jährige, sich mit einer eigenen Werkstatt selbstständig zu machen und ist dankbar für die Unterstützung, die sie von ihrer Familie während der Ausbildungszeit erfahren hat. Dass sie das Richtige für sich gefunden hat, merkt man ihr an. Bei der Präsentation ihrer drei Stelen aus ungeschälter Weide strahlte sie und sagte: "Ich betrachte das nicht nur als Arbeit. Ich habe meine Bestimmung gefunden. Ich stehe früh auf und will flechten."