Durch Witterungseinflüsse brach eine der vier steinernen Zierspitzen des Erkers am Regensburger Rathaus ab. Restaurator Clemens Muth aus Unterneuses rekonstruiert die gotische Fiale aus dem 14. Jahrhundert.
Der Immerwährende Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation kam über Jahrhunderte hinweg in Regensburg zusammen. Im Rathaus beriet der Kaiser mit den Kurfürsten, Fürsten und Gesandten. Der Sitzungssaal bildete das Machtzentrum des Reiches. Von außen ist der Reichssaal durch einen prächtigen gotischen Erker zu erkennen, dessen filigrane Steinmetzarbeit weltberühmt ist.
Im November 2018 brach eine der vier Schmucksäulen (Fialen) durch Witterungseinflüsse ab und fiel herab aufs Pflaster. Dabei zerbrach die Fiale in viele Dutzend Einzelteile. Die Zwillingsfialen, die den Erker links und rechts zieren, sind etwa zwei Meter hoch. Statt vier hat der Erker des Reichssaals derzeit nur noch drei dieser Ziertürmchen aus Kehlheimer Kalkstein.
Erste Sicherungsarbeiten
Die Stadt Regensburg erstellte daraufhin gemeinsam mit einem Statikbüro und dem Steinrestaurator Clemens Muth aus Unterneuses ein Restaurierungskonzept. Auf Basis dieses Konzepts wurden die Arbeiten an Clemens Muth vergeben. Vor Weihnachten sicherten er und sein Sohn Lucius die drei anderen verbliebenen, ebenfalls absturzgefährdeten Fialen. "Wenn Risse im Stein sind, reicht ein Windstoß oder der Flügelschlag einer Taube aus, um eine Fiale umzuwerfen", sagt Clemens Muth. Doch auch ein rostender Dübel oder gefrierendes Regenwasser könnten Teile absprengen.
"Eine Kiste voller Trümmer"
Im April begannen Clemens und Lucian Muth mit der eigentlichen Sanierung der abgestürzten und stark abgewitterten Fiale , Sie brachten "eine Kiste voller Trümmer" nach Unterneuses und machten erst einmal eine Bestandsaufnahme der zerbrochenen Ziersäule. Zunächst legten sie die größten Kalksteintrümmer auf die Werkbank und ergänzten dann die kleineren wie bei einem dreidimensionalen Puzzle. "Die Eisenteile müssen entfernt werden", erklärt der Restaurator, erst dann könne er die Teile mit einem Steinergänzungsmörtel zusammenfügen. "Danach wird man nicht mehr viel von den Schäden sehen - jetzt sieht's natürlich schlimm aus", fährt er fort.
Sicherung aller vier Fialen
Die drei anderen Fialen des Rathauserkers werden ebenfalls von Muth restauriert. Sie sollen mit Klammern so gesichert werden, dass Passanten nicht gefährdet sind. "Das Problematische", sagt Muth, "sind die Enden der Dübel, denn die sind Vibrationen ausgesetzt - bei Wind oder wenn sich ein Vogel draufsetzt."
In wenigen Monaten sollen die Fialen den Erker wieder sichtbar zieren. Auf die lange Bank schieben will Clemens Muth die Restaurierung nicht, wie er in Anspielung auf eine stehende Redensart sagt. Deren Ursprung liegt wahrscheinlich beim Immerwährenden Reichstag: "Lange Bank" wurden jene Sitztruhen genannt, auf denen die Gesandten etwas abseits des Entscheidungsprozesses warten mussten. Die mitgebrachten Akten wurden in diesen Truhen verstaut, um sie später herauszuholen und zur Entscheidung zu bringen. Manchmal dauerte der Prozess jedoch so lange, dass die Akten vergessen wurden.
Der Immerwährende Reichstag in Regensburg
Name Der Immerwährende Reichstag war von 1663 bis 1806 die Bezeichnung für die Ständevertretung im Heiligen Römischen Reich. Er tagte in Regensburg.