Die heimischen Unternehmen sind vom wirtschaftlichen Niedergang der Wiege der Demokratie kaum tangiert. Tavernenbesitzer und Reisebüromitarbeiter müssen sich komische Fragen anhören. Und einem Olivenöl-Händler ist es mulmig
Alexandros Kostanidis (27) verweist auf Sokrates und Platon und Aristoteles - alles keine Dummen. Er erinnert an Archimedes und Demokratie und die Wiege der europäischen Kultur. Aber denkt man dieser Tage an Griechenland, so drängt sich nur Begriff auf: Finanzkrise. Der Fränkische Tag ging breit angelegt der Frage nach, was der Landkreis diesbezüglich mit Griechenland zu schaffen hat.
Zwei Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung mache Griechenland aus. Statements, Auskünfte und Hinweise auf mehr Bedeutung als diese wenigen Prozent erhält man am Obermain kaum. Gibt es Unternehmen im Landkreis, die von der griechischen Schieflage beeinträchtigt werden? JCL, Veenendaal, Hofmann Innovation Group, Systeam, IBC Solar - überall ähnliche Auskünfte: Kaum oder keinerlei wirtschaftliches Engagement in Griechenland, kaum oder keinerlei Nachteile.
Helmut Kurz von der Wirtschaftsförderung des Landratsamts kann sich das gut erklären: "Wir (am Obermain) sind wenig exportlastig, die Beziehungen nach Griechenland sind nicht im Vordergrund."
Eine gemeinsame Währung, ein Kulturraum, eine schnelle Zeit mit Datenautobahnen und Nachrichten, die in Sekundenbruchteilen um die Welt gehen. Sollte am Obermain gar so wenig Diskussionsbedarf zu Griechenland vor lokalwirtschaftlichem Hintergrund bestehen? Die IHK-Datenbank liefert dafür einen statistischen Ansatzpunkt. "Es gibt kein oberfränkisches Unternehmen mit Niederlassungen in Griechenland", so Peter Belina von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Oberfranken. Auch die Wirtschaftsjunioren (WJ) in Lichtenfels sehen keinen Bedarf, für ihre Mitglieder zur Griechenlandkrise Gespräche anzuberaumen.
"Von unseren Mitgliedern ist mir nicht bekannt, dass sich in Griechenland jemand in größerem Maße wirtschaftlich engagiert", erklärt Christian Laube, Vorsitzender der Lichtenfelser WJ. Dafür bietet die Hanns-Seidel-Stiftung just an diesem Wochenende für Interessenten ein Seminar zu Wirtschaftskrisen. Griechenland dürfte absolut Thema sein, auch im Rahmen eines Bürgerdialogs.
Urlaub machen die Menschen immer, wenn nicht in Griechenland, dann eben anderswo. Das ist Fazit einer Umfrage bei heimischen Reiseanbietern. Ansonsten dürfen sich Angaben schon mal widersprechen. Während Jennifer Wifling von der Reiseinsel in Lichtenfels für Januar und Februar von einem Buchungsaufkommen nach Griechenland "wie immer" spricht, gebe es jetzt durchaus vereinzelt Anfragen wie: "Was, wenn sich mein Hotel keine Lebensmittel leisten kann?" Oder vereinzelt rigoros getätigte Aussagen wie: "Alles außer Griechenland." Gerlinde
Görlich vom ABC-Reisebüro hingegen findet schon, "dass merklich mit Griechenland gefremdelt wird".
Zurück also zu Alexandros Kostanidis. Er bedient in einem griechischen Lokal in Lichtenfels und wird von Gästen "oft in Gespräche verwickelt". Viele fragen ihn nach dem Essen: "Haben die Nachrichten Recht?" Erst neulich habe ihn eine vierköpfige Familie gefragt, ob eine Kretareise ein Risiko darstelle. Auch wenn seine Heimat die Wiege der Demokratie ist, glaubt er, sie stehe derzeit dem Kommunismus näher. Boykott griechischer Restaurants? Hm, mancherorts läge der bei 10-15 Prozent. Sein Bruder betreibt in der Heimat ein Gasthaus, er könne derzeit nur 60 Euro am Tag abheben. Eine "Katastrophe", bedenkt man, dass Rechnungen binnen Fristen bezahlt werden müssen.
Per Skype, per Telefon hält er Kontakt - "mein Herz weint". Aber eigentlich sei er es leid, darüber zu sprechen, sich stellvertretend zu verteidigen oder sein Land auf die Krise reduziert zu sehen. Mulmig wird es auch dem gebürtigen Lichtenfelser Georgeos Gizas. Er handelt mit Olivenöl. "Alle wollen das Geld (in Griechenland) bar haben", das würde für ihn im Falle eines Auftrages bedeuten, er müsste "bar nach Griechenland zahlen". Unwirtschaftliche Umstände, Geschäfte lähmend. Gizas erklärt: "Ein Produzent für Olivenöl braucht für den Export Flaschen. Die könnte er nur im Wert von 60 Euro pro Tag kaufen. Bar."
"Krisenfrei" sagt Andreas Eideloth. Der Vorsitzende der Freiwilligen Feuerwehr Klosterlangheim spricht von der Griechischen Nacht, jener Ortsfete, welche die FFW ausrichtet und alljährlich Hunderte anzieht. Man beziehe original griechische Produkte über hiesige Großhändler und sei "somit aus dem Schneider".