Der Rechtsstaat erklärt sich selbst

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Gut 40 Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Iran ließen sich über die Grundzüge des deutschen Rechtssystems unterrichten. Foto: Andreas Schmitt
Gut 40 Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Iran ließen sich über die Grundzüge des deutschen Rechtssystems unterrichten.  Foto: Andreas Schmitt

Das Amtsgericht Coburg hat den ersten Rechtsbildungsunterricht in seinem Einzugsgebiet abgehalten. 40 Asylsuchende nahmen das Angebot an.

Was ist hierzulande erlaubt, wann verstößt man gegen ein Gesetz und wie ist das deutsche Staatswesen eigentlich aufgebaut? Um Fragen wie diese ging es am Montagvormittag beim "Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge und Asylsuchende" in der Weismainer Gemeinschaftsunterkunft. Es war die erste Veranstaltung des vom bayerischen Justizministerium initiierten Informationsprogramms im Einzugsgebiet des Amtsgerichtsbezirkes Coburg.

Per Aushang wurden die rund 100 Syrer, Iraker und Iraner unter den derzeit 230 Bewohnern der beiden Gebäude an der Geutenreuther Straße eingeladen. 25 von ihnen erschienen pünktlich im Schulungsraum- und Gemeinschaftsraum, einige weitere wurden von den Hausverwaltungsmitarbeitern der Regierung von Oberfranken, die die Unterkunft leitet, kurzfristig von einer Teilnahme überzeugt.

Letztendlich verfolgten 25 Männer, zehn Frauen und einige kleinere Kinder die Filme und Erläuterungen, welche gleich doppelt übersetzt wurden: Zunächst von einem Dolmetscher ins Arabische, anschließend von einem kurzfristig eingesprungenen jungen Flüchtling aus dem Iran in die persische Sprache Farsi.

Richterin Bianca Franke vom Amtsgericht Lichtenfels und ihr Kollege, Rechtspflegeinspektor Daniel Müller-Punzelt, konzentrierten sich während ihres Vortrags nicht nur auf das Vermitteln von theoretischem Wissen, sondern versuchten immer wieder, den Bezug der Gesetze zur Praxis herzustellen.


Mann und Frau sind gleich

Referiert wurde unter anderem über das politische System der Bundesrepublik, das Verbot der Selbstjustiz, die Rolle der Polizei im Allgemeinen, die Trennung von Staat und Kirche sowie die Religions- und Glaubensfreiheit und den Abschluss von Verträgen.

Daniel Müller-Punzelt: "Unterschreiben Sie nichts, wenn Sie sich nicht sicher sind oder den Text aufgrund der Sprache nicht verstehen. Denn wer nicht das Geld hat, um seine Schulden zu begleichen, macht sich strafbar."

Desweiteren wurden auch vieldiskutierte Themen wie die Gleichheit von Mann und Frau und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung deutlich angesprochen. So erklärte Bianca Franke ausführlich, wie das familiäre Zusammenleben in Deutschland funktioniert: "Eine Mutter kann sich in Deutschland entscheiden, ob sie arbeiten oder lieber zuhause bei den Kindern bleiben möchte. Bleibt sie zuhause und der Mann arbeitet, ist er zu Unterhalt verpflichtet." Und Daniel Müller-Punzelt ergänzte: "Wenn ein Mann seiner Frau häusliche Gewalt zufügt, kann er genauso im Gefängnis landen wie für Diebstahlsdelikte."

Auf die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht ging Bianca Franke indirekt ein, als sie klarstellte, dass aufreizende Klamotten keineswegs als Einladung zu verstehen seien. "Trägt eine Frau einen engen Rock oder ein knappes Oberteil, heißt das nicht, dass sie angefasst werden möchte."


Grundsätzliches Interesse

Klare Worte, denen die Flüchtlinge zum Großteil aufmerksam folgten. Einige waren freilich auch dabei, denen das Tuscheln mit dem Banknachbarn, das Handy oder das Bemuttern der Kinder wichtiger war. Allgemein herrschte im Raum während der zwei Stunden aber trotz der geballten Informationsflut ein grundsätzliches Interesse, das an einigen Stellen auch in Nachfragen und Diskussionen mündete.

Eine Frau konnte beispielsweise nicht verstehen, dass man in Deutschland unter Umständen schon ab 14 Jahren laut Gesetz Sex haben darf. Ein anderer wollte wissen, wie viele Abgeordnete im Bundestag sitzen. Ein Dritter interessierte sich für die verfassungsrechtliche Stellung des religiösen Gesetzes des Islam, der Scharia. Die Antwort: Dieses über staatliche Gesetze zu stellen, ist in der Bundesrepublik strafbar.

Aber auch praktische Hinweise waren für die Zuhörerschaft von großer Bedeutung. Wo finde ich die Behörden oder welche Nummer hat die Polizei - um nur einige der Nachfragen zu nennen, die Richterin und Rechtspfleger beantworteten.