Der Heiner, die Häuser und die Hirsche

5 Min
Heinrich Schramm in Jägerkluft: 33 Jahre hatte er das Jagdrevier Ober-/Unterküps, und auch das Revier in Schönbrunn betreute er lange Zeit.Rosi Jörig/promedia
Heinrich Schramm in Jägerkluft: 33 Jahre hatte er das Jagdrevier Ober-/Unterküps, und auch das Revier in Schönbrunn betreute er lange Zeit.Rosi Jörig/promedia

Kaum ein anderer Bauunternehmer hat die Region im 20. Jahrhundert so geprägt wie Heinrich Schramm. 1958 gründete er seinen Betrieb und baute ihn zum Firmenimperium aus. Der 85-Jährige ist heute noch Geschäftsführer des Kieswerks in Trieb. Seine Hobbys: die Jagd und die Musik

Das Leben von Heinrich Schramm gleicht ein wenig dem "Monopoly"-Spiel. Zahllose Ein- und Mehrfamilienhäuser errichteten seine Mitarbeiter zunächst in Franken, später auch in Thüringen. Im Lauf der Jahre erweiterte er seine 1958 gegründete Baufirma. Zum Ausgefallensten, was Heinrich Schramm baute, gehören die Kirche in Reundorf und das Staffelsteiner Kurhotel. Augenzwinkernd erinnert sich der 85-Jährige, dass der Bau des "Kur-Appart-Hotels" ums Jahr 1990 mit seinen 110 Appartements schon ein gewisses unternehmerisches Risiko barg: "Da ha'm alle gedacht: jetzt geht er bankrott." Wenngleich er dieses Millionenprojekt heute als "überschaubares Risiko" bezeichnet, gibt er doch zu: "A weng Bauchschmerzen hab' ich scho' g'habt."

Das wahre Leben ist nur bedingt mit "Monopoly" zu vergleichen. Die 110 Appartements waren schnell verkauft. Heinrich Schramms Firma ging nicht bankrott - das Unternehmen florierte nach dem Wegfall der innerdeutschen Grenze erst so richtig. Rund 450 Mitarbeiter zählte die Firmengruppe um diese Zeit.

Während seines ganzen Lebens zeigte der Unternehmer Weitblick. Er war seinen Mitbewerbern am Markt oft um Jahrzehnte voraus. Rückblickend beurteilt Heinrich Schramm das so: "Mit den Fertighäusern bin ich groß geworden, das ist gelaufen wie ein Uhrwerk. Ich hatte da keine Konkurrenz."

Siebtes von elf Kindern

Doch Heinrich Schramm ist nichts in den Schoß gefallen. 1933 kam er als siebtes von elf Kindern ("vor mir waren sechs Madla") in Neubanz zur Welt. Er lernte im kleinen Baugeschäft seines Vaters Johann als Maurer, bestand die Gesellen-, dann die Meisterprüfung. 1958 machte er sich gemeinsam mit seiner Frau Betty in Neubanz selbstständig. Die Eröffnungsbilanz der Firma vom 3. März 1958 schließt mit 5374,80 Mark. Als Aktiva sind darin unter anderem ein Motorrad mit 600 Mark und ein VW-Lieferwagen mit 2000 Mark ausgewiesen. Das Motorrad - eine Horex - mit Anhänger war zu jener Zeit nicht nur ein unverzichtbares Transportmittel für Baustoffe und Werkzeug, sondern ein Verkehrsmittel, das die Mitarbeiter zu den entlegensten Baustellen brachte. Die Zahl der Angestellten stieg noch in Neubanz von zwei auf zwölf. Obwohl Heinrich Schramm zunächst in Neubanz bleiben wollte, entschied er sich dann doch, den Betrieb nach Staffelstein zu verlegen. 1963 zog die Firma um auf das eigene Areal an der Oberauer Straße, das im Lauf der folgenden Jahrzehnte kontinuierlich erweitert wurde.

Zu dieser Zeit baute Heinrich Schramm das erste Sechsfamilienhaus in Staffelstein und vermietete die Wohnungen. In den 1960ern war das Unternehmen überschaubar. Betty Schramm befüllte freitags die Lohntüten mit Bargeld und dem damals üblichen "Lohnstreifla". Heiner Schramm besuchte die Baustellen, auf denen seine ockergelben Maschinen und die mit "HSch" gekennzeichneten Gerüste standen. Er stellte die Lohntüten selbst zu und brachte seinen Leuten häufig Getränke mit - üblich war damals noch der Kasten Bier. "Ein gutes Einvernehmen ist ganz wichtig", kommentiert er seine Art der Mitarbeiterführung auf Augenhöhe.

Befragt man heute ältere Staffelsteiner, so ist stets zu hören "Der Heiner ist sehr beliebt" oder "Die Firma war sehr durch seine Person getragen".

Das Unternehmen an der Oberauer Straße florierte. Ein Werk für Betonfertigteile kam hinzu und der Baumarkt. Der Satz "Des hol' mer beim Heiner" war bald zur stehenden Redensart unter Häuslebauern und Heimwerkern geworden. Wird der 85-Jährige heute darauf angesprochen, dann lächelt er versonnen in sich hinein und sagt bescheiden: "Zufriedene Leute brachten immer wieder neue."

In der Unterzettlitzer Straße errichtete das Bauunternehmen eine Reihe von Sechsfamilienhäusern, die noch immer im Volksmund als "Schramm-Häuser" bezeichnet werden. Insgesamt 21 Reihenhäuser zog die Firma allein in Staffelstein hoch. "Wir bauten damals in der Regel solche Häuser", sagt er, "denn es war nicht anders gewünscht, weil nicht so viel gebaut wurde wie heute." Die Statik berechnete sein Sohn Peter, und auch Sohn Martin wirkte im Unternehmen mit - er ist heute Geschäftsführer eigener Baufirmen. Tochter Waltraud hingegen interessierte sich für ein ganz anderes Metier - sie betreibt einen Gnadenhof für Tiere in Pferdsfeld.

Heinrich Schramm war weit und breit der Einzige, der in den 1970ern Fertighausteile herstellte und diese vertrieb. Zudem war er ein Vorreiter beim Bau von Eigentumswohnungen. Er kaufte Bauplätze, bebaute sie mit Häusern - oft Reihenhauszeilen - und verkaufte diese schlüsselfertig an die Kunden. "Das war damals noch ein lukratives Geschäft", erinnert er sich und fügt hinzu: "Auf jeden Fall mussta schön bauen - du musst Geschmack haben und an schöna Bauplatz."

Es ist fast selbstverständlich, dass sich die Firma Schramm auch an der Kiesgewinnung im Maintal beteiligt hat. Die Baggerseen bei Schönbrunn und Reundorf zeugen davon.

Die Leidenschaft des Jagens

Und welchen Ausgleich zum zeit- und nervenraubenden Beruf gönnt sich ein Baulöwe? Bei Heinrich Schramm ist's die Jagd. Nachdem ihn einmal ein Tierarzt, dem er das Haus gebaut hatte, zum Jagen einlud, wurde er zum begeisterten Waidmann. "Wir hatten Landwirtschaft in Neubanz, ich bin mit der Tierhaltung und dem Schlachten aufgewachsen." 33 Jahre hatte er das Jagdrevier in Ober-/Unterküps, und auch in Schönbrunn besaß er ein Revier.

Sein Haus in Bad Staffelstein ist voll mit Hirschgeweihen und Trophäen - auch solchen von Jagdreisen nach Ungarn oder Brasilien. Heute bedauert er das. Mit leisen Worten sagt er selbstkritisch, dass er, hätte er noch einmal die Wahl, nicht mehr so viele Tiere töten würde.

Oft verreisten Betty und Heinrich Schramm nicht. "Wir sind nicht in' Urlaub, ich hab' nur das Geschäft aufgebaut", resümiert der Unternehmer.

Den nötigen Kontrast zur Arbeit brachte ihm sein zweites Hobby, das Musizieren. Vor einigen Jahrzehnten, als er noch mehr Zeit hatte, tourte Heiner Schramm mit der Tanzmusik-Combo "Big 7" durch Franken. Er spielte Trompete und Saxophon. Die Gage: "15 Mark gab's damals pro Person."

Aus der Chronik der Staffelsteiner Firmengruppe Heinrich Schramm

1958 Die Firma Schramm wird am 3. März 1958 in Neubanz gegründet. Zu diesem Zeitpunkt sind zwei Arbeiter angestellt; die Mitarbeiterzahl wächst schnell auf zwölf an.

1962 Das erste größere Projekt, ein Sechsfamilienhaus Am Hochgericht in Staffelstein, wird 1962 fertiggestellt.

1963 Die Firma Schramm erwirbt 1963 ein Grundstück an der Oberauer Straße und nimmt die Fertigung von Betonbauteilen in ihre Leistungspalette auf.

1965 Das Büro des Unternehmens wird von Neubanz nach Staffelstein verlegt, wo die Baufirma weitere Grundstücke an der Oberauer Straße erworben hat und ein Betonwerk betreibt.

1968 Der Ausbau des Kieswerks in Trieb beginnt 1968, jener des Betonwerks in Roth am Forst 1969. Die Fertigung von Transportbeton wird ins Programm aufgenommen.

1970 Das neue Bürogebäude in der Oberauer Straße 13 (heute Stadtbauamt der Stadt Bad Staffelstein) ist bezugsfertig.

1971 Heinrich Schramm begründet das Kalksteinwerk in Breitengüßbach mit. Die Fertigung von Betonsteinen wird weiter ausgebaut.

1972 Die Firma Schramm beschließt, Massiv-Fertighäuser herzustellen und zu vertreiben. Dafür wird in Seubelsdorf eine große Produktionshalle für die Fertigung der Massivhausteile errichtet.

1973 Das Geschäft mit den Fertighausteilen läuft so gut, dass die Firma Schramm im gesamten nordbayerischen Raum ihre Fertighäuser vertreibt und diese von eigenen Montagegruppen erstellen lässt.

1976 Die Firma Schramm verkauft Sand aus der Grube Lettenreuth bei Marktzeuln.

1980 Der Baustoffhandel wird erweitert, indem in der Coburger Straße in Lichtenfels ein Baumarkt eröffnet wird, der später ins firmeneigene Gebäude in der Oberauer Straße in Staffelstein umzieht.

1991 Mit Werken in Thüringen werden Handelsverbindungen aufgebaut. Das Bauunternehmen und Betonwerk der Maxhütte in Unterwellenborn wird von der Firma Schramm übernommen.

1992 Ein Verwaltungsgebäude mit Lagerplatz im thüringischen Kaulsdorf-Eichicht wird übernommen; das Werk Unterwellenborn wird dorthin verlegt. Zu diesem Zeitpunkt hat die Firma Schramm eine Gesamtbelegschaft von 450 Mitarbeitern. - Auf einer Teilfläche des Areals der vorherigen Spedition Weich in Seubelsdorf wird 1992 eine Kfz-Werkstatt mit Lkw-Waschanlage errichtet. Dabei handelt es sich nicht um eine Betriebswerkstatt. Von dieser freien Fachwerkstatt werden Reparaturen an Fahrzeugen und Baumaschinen von externen Kunden ausgeführt.

1995 Die Firma Schramm übernimmt das benachbarte Unternehmen Wakro in der Oberauer Straße in Staffelstein. Das Werk wird modernisiert und produziert Pflastersteine und Mauerblöcke aus Beton. Zusätzlich vertreibt die Wakro als Handelsware Mauerblöcke und Mauerstürze aus Ziegel, Kalkstein, Liapor und Gasbeton, ferner Kamine und Filigrandecken sowie verschiedene Betonartikel für den Garten-, Landschafts- und Straßenbau. - Im selben Jahr wird in Marktzeuln die Firma Schramm Bauschutt-Recycling gegründet. Neben dem Verkauf von Sand befasst sich das Unternehmen mit dem Deponieren von Erdaushub sowie mit dem Aufarbeiten von Bauschutt zu neuen Baustoffen.

1997 Die Betonmischanlage in Staffelstein wird mit einer Restbeton-Recyclinganlage mit Wasserwiederverwendung ausgestattet.

Die Zahlen sind der 1998 erschienenen Firmenbroschüre entnommen. - Das Insolvenzverfahren der Firma Heinrich Schramm wurde am 1. Juli 2005 eröffnet. Davon betroffen waren die Staffelsteiner Bauunternehmung, nicht aber das Kieswerk Trieb, die Lkw-Werkstatt und das Fertigteilwerk.