Das Leben im Fluss verändert sich

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Einen 1,73 Meter großen Wels zog Max Müller dem Obermain. Diese Fische nehmen zahlenmäßig stark zu - und die Zahl der gefangenen Welse im Main steigt weiter an. Timo Weidhaus
Einen  1,73 Meter großen Wels zog Max Müller  dem Obermain. Diese Fische nehmen  zahlenmäßig stark zu - und die Zahl der gefangenen Welse im Main steigt weiter an.  Timo Weidhaus

Vom Menschen geformte, unnatürliche Gewässer, der Klimawandel und eingeschleppte Tierarten verdrängen heimische Fische und Krebse. Weißfische verschwinden zusehends, während Räuber wie Wels und Kormoran prächtig gedeihen.

Die Tierwelt im Main ist im Wandel. Neue Arten wandern zu und verdrängen jene Tiere, die schon lange hier leben. Auf welche Ursachen das zurückzuführen ist, darüber sprachen wir mit Martin Goller von der Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels und Fischereifachberater Viktor Schwinger.

Die umwälzenden Veränderungen des Lebens im Main seien den meisten Leuten überhaupt nicht bewusst, sagt der 48-Jährige, der bereits im Alter von sechs Jahren mit seinem Vater zum Angeln ging. "Es gibt keine bösen Fische, Vögel und Muscheln. Letztendlich hat's der Mensch versaut."

Eine Art, die gerade verschwindet, sei das Rotauge, auch bekannt unter dem volkstümlichen Namen "Maafischla". Früher sei dies der Allerweltsfisch im Main gewesen. Bei Zählungen - etwa an der Kraftwerksbaustelle bei Hausen - sei inzwischen kein Rotauge mehr unter den registrierten Tieren.

Bei Weißfischen, die einst im Main sehr häufig waren, schwinden die Bestände ebenfalls. Im vergangenen Jahr habe die Fischereigemeinschaft damit begonnen, in ihren Gewässern Weißfische zu setzen. Brachse, Rotauge, Rotfeder, Döbel, Laube und Nase heißen die Arten, die bedroht sind. Fehlten sie, dann fehle auch die Nahrungsgrundlage für Raubfische wie Hecht und Zander.

Zur Hegepflicht der Fischereigemeinschaft gehöre es, eine gesunde Mischung in den Gewässern zu gewährleisten, unterstreicht Martin Goller. Seiner Prognose zufolge seien drei Faktoren für das Verschwinden alter Arten zu nennen: Der Klimawandel habe mit Sicherheit damit zu tun. Zum Zweiten seien Hormonspuren der Antibabypille im Auslauf von Kläranlagen als Grund für die Veränderungen des Lebens vieler Wasserbewohner zu nennen. Und zum Dritten habe sich die Dreikantmuschel massiv ausgebreitet, die "unheimlich viel Plankton wegfiltert, das die Kleinfische brauchen".

Eine explosionsartige Entwicklung im Main nehmen nach Gollers Worten die Wels-Populationen. Dieser Raubfisch, auch Waller genannt, benötigt große Futtermengen. Um ein Kilogramm Körpergewicht zuzunehmen, muss ein Wels zehn Kilogramm fressen. Die von Martin Goller geführte Fangstatistik verdeutlicht diese Zunahme: 2012 fingen drei Prozent der Angler Welse im Main, 2017 zogen 65 Prozent der Petrijünger diesen Fisch aus dem Wasser. "Dagegen kann man gar nicht anangeln", sagt Goller, denn das Angelgerät sei meist nicht ausgelegt für diese 1,5 Meter langen Fische.

Schlaraffenland für Kormorane

Und dann sind da noch die Kormorane, deren Leibgericht Fische zwischen zehn und 35 Zentimetern sind. Diese Nomaden der Lüfte ziehen von See zu See, von Fluss zu Fluss. Rund zwei Millionen davon gibt es in Europa, schätzt Goller. Jeder von diesen Vögeln frisst täglich rund 500 Gramm Fisch - nicht eingerechnet jene Fische, die der Kormoran verletzt und die dann verenden. Auch die Staustufen (vier sind es im Kreis Lichtenfels) und Wasserkraftwerke tragen zum Aussterben der Arten bei. Die flachen Baggerseen seien geradezu ein Schlaraffenland für Kormorane.

"Wir versenken jedes Jahr Christbäume", sagt Goller. Warum das? Die mit Steinen beschwerten Tannen werden am Grund des Gewässers verankert und bilden für alle Fische eine Laichhilfe - und sie bieten ihnen Schutz vor dem Kormoran. Goller charakterisiert den gefiederten Räuber so: "Ein faszinierender Vogel - schlau, vorsichtig, schnell lernend und im Team jagend."

Einwanderer aus Amerika seien der Kamper- und der Signalkrebs. Diese Arten hätten den einheimischen Edelkrebs nahezu verdrängt, sagt Goller. Das bestätigt Viktor Schwinger von der Fischerei-Fachberatung des Bezirks Oberfranken in Bayreuth. Es gebe jedoch keine Untersuchungen, wie stark die Dreikantmuschel im Main zunimmt. Extrem gefährdet sei auf jeden Fall der Edelkrebs - 85 Prozent der Bestände in Oberfranken seien in den vergangenen Jahren zusammengebrochen, weil sie durch amerikanische Arten verdrängt wurden. Beim Steinkrebs sehe es nicht besser aus. Die Äsche, die sich vom Kormoran sehr leicht fangen lässt, sei ebenfalls stark gefährdet, so Viktor Schwinger.

Durch die Schwarzmeergrundel, einen Laichräuber, der nach Gollers Angaben inzwischen bis in den Lichtenfelser Raum vorgedrungen ist, sei eine weitere Bedrohung entstanden. "Dagegen setzen wir Quappen ein - die sind der natürliche Feind der Grundel", sagt Goller. Durch die Grundeln, gibt Viktor Schwinger zu bedenken, entstehe wiederum eine Nahrungsquelle für Raubfische wie den Wels. Folge: Die Raubfische werden größer und nehmen zahlenmäßig zu.

"Wenn die Klimaentwicklung so weitergeht wie jetzt, ist zu erwarten, dass es zu Artenverschiebungen in den Flüssen kommt", resümiert der Fischereifachberater. Die genauen Auswirkungen müssten noch beobachtet und in Langzeitstudien untersucht werden.

Die Mainfischereigesellschaft Lichtenfels

Aufgabe Die Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels ist Eigentümer des Fischereirechts im Main zwischen Hochstadt und Ebensfeld, also auf über 30 Flusskilometern. Sie ist kein Verein, sondern eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, bestehend aus rund 20 Gesellschaftern, die die früheren, vereinzelten Fischrechte am Main zusammengefasst und auf sich vereinigt haben. Sie erhält und verwaltet dieses Fischereirecht mit einem breit aufgestellten Team, den Leistungsträgern, mit modernen, betriebswirtschaftlichen Managementmethoden.

Fischhege Die Gemeinschaft versucht nicht nur, das Aussterben bestimmter Fischarten zu verhindern (z. B. Aal, Äsche, Edelkrebs), sondern möchte zudem die früher schon als ausgestorben geltenden Flussfischarten, Krebse und Muscheln wieder in den Main zurückzubringen. Das ist bei der Rutte (Quappe) schon gelungen, die noch 1994 hier als ausgestorben galt. Weitere ausgestorbene Fischarten sind im Fokus (Lachs, Stör). Dafür gibt die Gemeinschaft viel von dem Geld aus, das sie mit dem Verkauf von Angel-Erlaubnisscheinen einnimmt. Die Gemeinschaft schickt ihre Leistungsträger zu fachbezogenen Lehrgängen beim Landesamt für Umwelt und lässt sie dort zu Aufsehern oder Gewässerwarten ausbilden.red