Angefressen von der vielen Bürokratie

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Kinder und Jugendliche dürfen aus Datenschutzgründen ohne Einwilligung der Eltern schon lange nicht mehr von jedermann einfach so fotografiert werden . Das betrifft vor allem Pfarr- und Kirchengemeinden sowie Kindergärten und Schulen. Eine Mitarbeiterin einer Pfarrgemeinde am Obermain: "Unsere Arbeit wird dadurch wesentlich zeitaufwendiger."Brigitte Krause
Kinder und Jugendliche dürfen aus Datenschutzgründen ohne Einwilligung der Eltern schon lange nicht mehr von jedermann einfach so fotografiert werden . Das betrifft vor allem Pfarr- und Kirchengemeinden sowie Kindergärten und Schulen.  Eine Mitarbeiterin einer Pfarrgemeinde am Obermain: "Unsere Arbeit wird dadurch  wesentlich zeitaufwendiger."Brigitte Krause

Die Datenschutzgrundverordnung betrifft nahezu jeden Lebensbereich. Von Schulen über Handwerksbetriebe und die Gastronomie bis hin zu Gemeindeverwaltungen. Wir haben uns umgehört, worüber sich die Menschen ärgern.

Wäre St. Bürokratius einer der 14 Nothelfer, so würden ihn sicher viele Menschen in Vierzehnheiligen aufsuchen, um ihn um Linderung ihrer irdischen Qualen anzurufen. Grund dafür: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die in fast jeden Lebensbereich eingreift und die Gesellschaft verändert.

Auf unsere Frage, wie sich die DSGVO auf das Best Western Plus Kurhotel auswirkt, antwortet Geschäftsführer Andreas Poth: "Wir haben wesentlich mehr Aufwand." Er verliest eine wahre Litanei all der Vorschriften, die seine Mitarbeiter und er zu beachten haben. Auch nur einige aufzuzählen würde den Rahmen des Artikels sprengen.

Ein Anwaltsbüro eingeschaltet

"Wir haben gar keine Chance, das alleine zu machen, denn es geht schon um Haftungsfragen", sagt Poth und fügt hinzu: "Wir haben ein Anwaltsbüro damit beauftragt." Das Kurhotel habe allein 75 externe Dienstleister, mit denen Verträge gemacht werden müssten. Intern müssten viele Verfahren erst entwickelt werden: "Es kostet viel Geld, so etwas professionell zu machen." Die einfachsten Dinge seien von der Verordnung betroffen - von Gewinnspielen und Marketingaktionen bis zum Anwenden von Überwachungskameras und Umgang mit Bewerbungsunterlagen. Der Einsatz von Aktenvernichtern müsse sogar dokumentiert werden. Zudem müsse ein Löschkonzept für Bewerbungsunterlagen erstellt werden. "Das bindet Personal", resümiert Andreas Poth, denn "seit April des letzten Jahres sind wir mit einem Anwaltsbüro dran, alles aufzulisten".

Purer Sarkasmus spricht aus der Antwort von Marco Rödiger vom gleichnamigen Hotel-Restaurant: "Das macht uns sooo viel Spaß! Am liebsten würden wir gar nichts anderes mehr machen!" Dass Datenschutz sein muss, bestreitet er nicht, doch die bürokratische Dokumentiererei und Regulierungswut sei uferlos: "Das hält uns von der eigentlichen Arbeit ab."

Der Nedensdorfer Braumeister Reinhold Reblitz, der einen Gasthof führt und Zimmer vermietet, hat das Thema zwar auf dem Schirm, gibt jedoch zu, noch große Wissensdefizite zu haben. Der "Wust an Bestimmungen" führt seiner Meinung nach zu einer Verteuerung: "Das kostet alles viel Geld und steigert die Kosten für den Endverbraucher."

"Wir haben uns einen externen Datenschutzbeauftragten gesucht", sagt Hans Josef Stich, der Werkleiter der Obermain-Therme, "denn wir waren mit unserer Manpower nicht in der Lage, all das Geforderte umzusetzen." Auch er hält den Datenschutz als solchen für ein hohes Gut, wendet aber bezüglich der DSGVO ein: "Die Frage ist, ob sich wirklich was verbessert."

Martin Lüders, Geschäftsführer der Staffelsteiner Freizeit-GmbH, zu der das Hallenbad "AquaRiese", der Badesee und der Banzer Klettergarten gehören, schimpft über die unnötige Bürokratie der DSGVO: "Das macht wesentlich mehr Arbeit und Verwaltungsaufwand." Im täglichen Leben sei das für ihn und seine Mitarbeiter ein zeitraubendes Ärgernis. Dabei sei es durchaus erforderlich, mit personenbezogenen Daten behutsam umzugehen, so dass kein Schindluder damit getrieben werden kann.

Eine Verordnung als Spaßbremse

Das Veröffentlichen von Fotos in Facebook oder Instagram sei es, was bisher zu den Veranstaltungen im "AquaRiese" oder Klettergarten dazu gehörte. Lüders: "Davon leben wir." Inzwischen sei es nicht mehr möglich zu sagen: "Wir machen mal ein Foto." Doch gerade das sei wichtig, um Emotion rüberzubringen - etwa bei einer Schaumparty. Nun sei das sehr schwierig. Die DSGVO wirkt in seinen Augen wie eine Spaßbremse.

Ob die Verordnung die Arbeit einer Gemeindeverwaltung erschwert, wollen wir vom Ebensfelder Bürgermeister Bernhard Storath (CSU) wissen. "Natürlich!", antwortet er und ergänzt: "Wir sind aber schon sehr weit, wir haben einen Datenschutzbeauftragten und einen Stellvertreter berufen." Außerdem habe die Gemeindeverwaltung bereits Mitglieder von Vereinen eingeladen, an einer Informationsveranstaltung mit einem externen Fachmann teilzunehmen, "um ihnen die Angst zu nehmen". Ohne Frage sei all dies mit zeitlichem Mehraufwand verbunden, den die Mitarbeiter im Rathaus erbringen müssten. Bürgermeister Storath: "Wir versuchen das intern aufzufangen."

Kunstmaler Michael Popp aus Grundfeld urteilt: "Das ist irre aufwendig! Meine Frau war ewig dran zu recherchieren, damit wir alles richtig machen." Rund 200 Anschreiben an die wichtigsten Kunden hätten sie inzwischen verschickt. Die Vorgaben des DSGVO hält er für "vollkommen überzogen."

Verweise verschwinden aus Akten

"Bei einem Schulwechsel dürfen wir nur noch absolut notwendige Daten weitergeben", sagt Realschuldirektor Peter Gerhardt. Das führe dazu, dass zum Beispiel die Notiz über einen Verweis unter den Tisch falle.

Problematisch sei ferner die Vorgabe, dass eine Lehrkraft nur jene Noten kennen darf, die sie selber gibt und nicht erfahre, wie ein Schüler in einem anderen Fach steht. So sei es unmöglich, gemeinsam eine pädagogische Strategie für diesen Schüler zu entwickeln.