Kulmbach
Prozess

"Keine harmlose Nummer": Franke aus Neonazi-Szene vor Gericht

Ein Kulmbacher Onlinehändler, der mit dem Verkauf von Rechtsrock-CDs sein Geld verdient, blitzte beim Landgericht ab.
Bei Rechtsrockveranstaltungen gerne gespielt: der Song "Unser Land" der Band "Macht & Ehre". Wegen Verbreitung des volksverhetzenden Liedtextes stand jetzt ein Mann aus dem Landkreis Kulmbach zum zweiten Mal vor Gericht.  Symbolfoto: dpa
Bei Rechtsrockveranstaltungen gerne gespielt: der Song "Unser Land" der Band "Macht & Ehre". Wegen Verbreitung des volksverhetzenden Liedtextes stand jetzt ein Mann aus dem Landkreis Kulmbach zum zweiten Mal vor Gericht. Symbolfoto: dpa

Der Rechtsstaat nahm sich viel Zeit für einen Rechtsextremisten. Geschlagene sechs Stunden wurde verhandelt - eine Marathonsitzung. Das Landgericht Bayreuth musste den Fall eines Onlinehändlers aus dem Landkreis Kulmbach neu aufrollen. Der Vorwurf: Volksverhetzung. Dafür hatte es beim Amtsgericht Kulmbach eine Geldstrafe von 3600 Euro (120 Tagessätze) gegeben. Zu wenig, meinte die Staatsanwaltschaft - ein Fehlurteil, meinte die Verteidigung. Beide gingen in die Berufung.

Der Angeklagte, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als große Nummer in der Neonazi-Szene gilt, vertreibt übers Internet Textilien und Tonträger für die rechtsextreme Kundschaft. Er verkaufte auch eine CD der Rechtsrocker "Macht & Ehre" mit dem Song "Unser Land". Seinen Onlineshop "Das Zeughaus" nahm das LKA Brandenburg unter die Lupe und gab den Fall nach Bayern ab. Beanstandet wurde die Textpassage, in der vom "Henker" und von "Todesengeln" die Rede ist, die "das Grauen" bringen für "den Krummnasenmann". Nach allgemeinem Verständnis ein von alten und neuen Nazis verwendetes antisemitisches Klischee: Es steht für Juden mit der krummen Nase. Hier werde gegen Juden gehetzt und zum Hass aufgestachelt, so das Kulmbacher Gericht.

"Wolf im Schafspelz": Angeklagter wie ein Unschuldslamm

Im gut gelüfteten großen Sitzungssaal inszenierte sich der Angeklagte, der seit zweieinhalb Jahren einen abseits gelegenen früheren Gasthof im Frankenwald bewohnt, als Unschuldslamm. Er gab sich freundlich und kooperativ. Im Ton gemäßigt, erweckte der 45-Jährige den Eindruck, er sei Kaufmann und nur an seinen Geschäften interessiert. "Hätte ich gewusst, dass es strafbar ist, dann hätte ich es nicht gemacht. Ich will Geld verdienen, so habe ich bloß Kosten", sagte er.

Staatsanwalt Stefan Käsbohrer ging ihm nicht auf den Leim. Er bezeichnete den Mann mit der Glatze und dem geflochtenen Kinnbart als "Wolf im Schafspelz". Der Angeklagte sei ein Überzeugungstäter und "keine harmlose Nummer". Dieser hatte wieder seinen Verteidiger Olaf Klemke aus Cottbus mitgebracht. Er gilt als Szene-Anwalt und hat Erfahrung damit, Rechtsextremisten zu verteidigen. So vertrat er im Münchner Prozess gegen die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.

Klemke war aber nicht wie in Kulmbach auf Krawall gebürstet. Er hatte seine Prozesstaktik geändert. Er argumentierte, dass sein Mandant stets Gutachten von einer Rechtsanwältin eingeholt habe, um vor Veröffentlichung einer CD die Unbedenklichkeit der Texte feststellen zu lassen. Auf deren Expertise habe er sich verlassen. Es liege also ein Verbotsirrtum vor. Dazu stellte Klemke Beweisanträge, so dass stundenlang frühere Urteile und Gutachten der Anwältin, die vom Verfassungsschutz ebenfalls der rechten Szene zugerechnet wird, verlesen wurden.

Höhere Strafe gefordert: 150 Tagessätze

Wenn es Prozesstaktik war, um Staatsanwalt und Gericht weichzukochen, dann ging die Rechnung nicht auf. Mehrfach regten Angeklagter und Verteidiger die Einstellung des Verfahrens an.

Davon hielt der Anklagevertreter aber überhaupt nichts. Er forderte vielmehr eine höhere Strafe: 150 Tagessätze zu 40 Euro. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei klar erfüllt. Im Gesamtzusammenhang gesehen, sei der Text antisemitisch und rufe zu Gewalttaten gegen Juden auf. Den Hinweis auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum bezeichnete Käsbohrer als "Nebelkerze".

"Krummnasenmann", sagte Rechtsanwalt Klemke, sei eine reine Fantasiebezeichnung und habe keinen Bezug zu Juden. Die Beschreibung eines Körperteils treffe auch auf "Deutsche" zu - gebogene Nasen seien zum Beispiel bei Goethe oder dem Preußenkönig Friedrich II. zu erkennen. Der Verteidiger sprach von einer Meinungsäußerung im Grenzbereich, geschützt durch das Grundgesetz.

Er wisse "beim besten Willen" nicht, wie sein Mandant die Strafbarkeit seines Tuns hätte sehen sollen. Gerade um keine Straftaten zu begehen, habe er die Texte juristisch begutachten lassen. "Mehr an Prüfpflicht kann man nicht verlangen", sagte Klemke. "Nach all dem denke ich: Das Gericht muss den Angeklagten freisprechen."

Neonazi: Offensichtlich antisemitisch 

Die Berufungskammer kam zu einem anderen Ergebnis. Sie bestätigte das Kulmbacher Urteil. Vorsitzender Richter Torsten Meyer erklärte, dass mit "Krummnasenmann" zweifelsfrei die Juden gemeint seien: "Das ist die einzig sinnvolle Auslegung des Textes. Es ist offensichtlich, was hier besungen wird."

Auch der Angeklagte habe erkannt, dass es sich um eine strafrechtlich relevante Aussage handelt. "Ein Text, der für jeden erkennbar einen antisemitischen Inhalt hat, ist Volksverhetzung", sagte der Richter. Außerdem hätte sich der Angeklagte nicht auf ein über 20 Jahre altes Gutachten verlassen dürfen, denn in der langen Zeit habe sich viel verändert.

Im Prozess wurde zwar nichts dazu gesagt, aber es ist davon auszugehen, dass die Verteidigung Revision einlegt. Dann landet der Fall beim Bundesgerichtshof.