Wo der Athleten-Klub trank und schwitzte

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Die Bierwirtschaft im bürgerlichen Backsteinbau um 1930. Auf die übliche, typische Brauerei-Außenwerbung für ein Wirthaus wurde verzichtet.Repro: Helmut Geiger
Die Bierwirtschaft im bürgerlichen Backsteinbau um 1930. Auf die übliche, typische Brauerei-Außenwerbung für ein Wirthaus wurde verzichtet.Repro: Helmut Geiger
Nur ein bescheidenes Emailleschild macht auf die Ausschankstätte aufmerksam. Repro: Helmut Geiger
Nur ein bescheidenes Emailleschild macht auf die Ausschankstätte aufmerksam. Repro: Helmut Geiger
 
Eröffnungsanzeige für das neue Wirthaus in der Unterpurbach. Der Kulmbacher Brauereibesitzer Adam Ludwig hatte eine neue Absatzstätte gefunden. Dessen "Bürgerbräu" brachte Simon Kirschner zum Ausschank. Repro: Helmut Geiger
Eröffnungsanzeige für das neue Wirthaus in der Unterpurbach. Der Kulmbacher Brauereibesitzer Adam Ludwig hatte eine neue Absatzstätte gefunden. Dessen "Bürgerbräu" brachte Simon Kirschner zum Ausschank. Repro: Helmut Geiger
 
Stolzer Tag für Adam Hollweg Am 6. Juli 1956 konnte er das Gedenkblatt für fünfzigjährigen Bierbezug durch die EKU entgegennehmen. Repro: Helmut Geiger
Stolzer Tag für Adam Hollweg Am 6. Juli 1956 konnte er das Gedenkblatt für fünfzigjährigen Bierbezug durch die EKU entgegennehmen. Repro: Helmut Geiger
 

Das Gasthaussterben macht auch vor Kulmbach nicht Halt. Dabei war etwa die Blaich einst ein Sammelbecken von Kneipen - etwa der "Hullwegs Ordl".

Nun ist sie zu, die "Schmiede" und die Ära Sepp, Elfriede und Doris Frank zu Ende. Ein Weiterbetrieb ist momentan nicht in Sicht. Wehmut beschleicht viele Stammgäste - Stammtischnotstand in der Blaich. Dabei existierten in diesem Stadtteil einst acht Wirtshäuser. Das waren neben der Schmiede, dem Klosterkeller und der "Hageleite" die Sauermanns Gaststätten, das "Maintal", beide in der Hofer Straße, das Wirtshaus zum "Schlachthof" am Ängerlein, und gleich zwei Kneipen in der Unterpurbach.

Als der Gastwirt Nikolaus Wehner, Unterpurbach Nr. 3, im Jahre 1897 nur dreihundert Meter von ihm entfernt eine Reihe von Grundstückparzellen verkaufte, konnte er noch nicht ahnen, dass er damit einem neuen Konkurrenten den Weg geebnet hatte. Bereits ein Jahr später erfolgte die Verlängerung der Unterpurbach durch den Bau einer Reihe von schmucken Backsteinhäusern links und rechts der unbefestigten Straße. Darunter auch das Haus Nr. 43, Bauherr war Johann Bauer. Und nur vier Jahre später wurde der schöne Backsteinbau in eine Bierwirtschaft umfunktioniert.


"Hasenschrecken" waren erster Stammtsich

Der Initiator war kein geringerer als Andreas Ludwig, seines Zeichens Brauereibesitzer in Kulmbach und Gemeindebevollmächtigter. Der rege Bierbrauer, Inhaber der"Bürgerschenke" als Hauptausschank in der Langgasse, hatte sich eine weitere Absatzstätte für sein "Bürgerbräu"-Bier gesucht und den Umbau vorangetrieben. Am 6. September 1902 war es soweit. Die Unterpurbach hatte ihren zweiten Bierausschank. Als Wirt konnte der "Bauunternehmer" Simon Kirschner gewonnen werden.

Und schon bald hatte er seinen ersten Stammtisch. Der Treiber-Club "Hasenschrecken" war vom Kauernburger Schlösslein in die Unterpurbach übergesiedelt. Das war man Simon Kirschner, dem Schriftführer des Clubs, auch schuldig. Die neue Bierwirtschaft weckte aber schon bald Begehrlichkeiten. Der im Vergleich zu Ludwig viel mächtigere Brauereibesitzer Georg Pöhlmann, der schon in der Umgebung einige Wirtschaften zur Belieferung an Land gezogen hatte, erwarb das Anwesen im Jahre 1906 und konnte nun sein "Schloßbräu" zum Ausschank bringen.


Letzte Rast vor dem Aufstieg

Damit begann auch die Ära der Familie Hollweg, den neuen Mietern. Im Jahre 1906 taucht Adam Hollweg, Büttner und Wirtschaftspächter, im Gewerbeverzeichnis auf. Und die Wirtschaft zum "Hullwegs Ordl" wurde für Jahrzehnte ein Begriff. Älteren Blaichern dürfte sie noch in Erinnerung sein.

Die neue Ausschankstätte bewirtete nicht nur die wenigen Nachbarn. Sie war vor allem letzte Anlaufstelle, für die Bewohner des Oberlandes von Oberpurbach bis Baumgarten, bevor diese, aus der Stadt kommend, den engen, steilen und unausgebauten Aufstieg in ihre Heimatorte antreten mussten.

Und die Bauern gönnten ihren Zugtieren, meist Kühen oder Ochsen, dort noch eine Rast. Sich selbst natürlich auch, bei einem oder mehreren Seidla. Zur Heuernte in der Kauernburger Au, wo viele Oberländer Bauern Grundstücke bewirtschafteten, wurde beim Hollweg vor dem Aufstieg der zweite Heuwagen abgekoppelt, stehen gelassen und in einer weiteren Fahrt abgeholt.


Ein eigener Bürgermeister

So abgelegen das Wirtshaus auch war, es wurde Stammlokal des "Athleten-Klubs ‚Kraft Heil' Kulmbach-Blaich". Die schweißtreibenden Körperertüchtigungen fanden im kleinen und von außen zugänglichen Nebenzimmer statt. Weitab vom Stadtzentrum wurde schließlich die "Porbicher Gema" mit Satzung und Bürgermeister ins Leben gerufen. Dieser Stammtisch unterstützte den Wirt bei allen Festlichkeiten des Jahres vom Faschingsball über den Weinabend bis zur Weihnachtsfeier.

Und natürlich wurde auch Kerwa gefeiert. Wie es sich gehörte, fand diese jeweils am letzten Wochenende des Juni statt, wie es eben in der Blaich, zu der die "Porbich" gehörte, seit eh und je festgeschrieben war. Im Gegensatz zur Blaich gab es in den engen Räumlichkeiten des Hollweg'schen Backsteinhauses sogar einen Kirchweihball mit "gut besetzter Tanzmusik".

Nach dem Tod von Adam Hollweg übernahm zunächst dessen Tochter Anna Stübinger die Bierwirtschaft. Dann bezog Hans Pohl die Wohnräume des Gaststättengebäudes und bediente dort zwei Jahre den Zapfhahn. Letzter Pächter war Adam Bergmann. Die Bierwirtschaft wurde im Jahre 1965 geschlossen.

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Stolzer Tag für Adam Hollweg Am 6. Juli 1956 konnte er das Gedenkblatt für fünfzigjährigen Bierbezug durch die EKU entgegennehmen.



Die Bierwirtschaft im bürgerlichen Backsteinbau um 1930. Auf die übliche, typische Brauerei-Außenwerbung für ein Wirthaus wurde verzichtet.



Nur ein bescheidenes Emailleschild macht auf die Ausschankstätte aufmerksam.



Eröffnungsanzeige für das neue Wirthaus in der Unterpurbach. Der Kulmbacher Brauereibesitzer Adam Ludwig hatte eine neue Absatzstätte gefunden. Dessen "Bürgerbräu" brachte Simon Kirschner zum Ausschank.



Fotos Helmut Geiger