Wirte warten auf Lockerungen und Gäste

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Werner und Edeltraud Glaser warten auf Lockerungen und auf Gäste. Der Tisch war beim bayernweiten Protesttag gestern schon mal gedeckt.
Werner und Edeltraud Glaser warten auf Lockerungen und auf Gäste. Der Tisch war beim bayernweiten Protesttag gestern schon mal gedeckt.
Foto: Alexander Hartmann
Zweiter Bürgermeister Frank Wilzok, Stephan Ertl vom Hotel- und Gaststättenverband und Landrat Klaus Peter Söllner (von links) sind sich der Sorgen von Gastronomen wie Edeltraud und Werner Glaser bewusst.
Zweiter Bürgermeister Frank Wilzok, Stephan Ertl vom Hotel- und Gaststättenverband  und Landrat Klaus Peter Söllner  (von links) sind sich der Sorgen   von Gastronomen wie Edeltraud und  Werner Glaser bewusst.
Alexander Hartmann

Während Baumärkte und Blumenläden offen sind, bleiben Wirtshäuser zu. Wirte wie Werner Glaser sind sauer auf die Politik.

Der Tisch ist gedeckt - Gäste bewirten darf "Seelöwen"-Wirt Werner Glaser aber auch nach vier Monaten Lockdown noch nicht. "Das zermürbt. Wir sind langsam am Verzweifeln", sagt der 68-Jährige, der mit seiner Frau Edeltraud gestern ein Zeichen gesetzt hat. Das Ehepaar hat sich am "stillen Protest" des Hotel- und Gaststättenverbandes beteiligt, der für die Branche eine Lockerung fordert. "Vergiss mein nicht!", lautete das Motto, nachdem die Gastronomie bei der letzten Ministerpräsidenten-Konferenz überhaupt kein Thema war.

Während Blumenläden und Baumärkte gestern auch in Kulmbach wieder öffnen durften, stehen Wirte und Hotelbetreiber weiter in der Warteschlange. "Die Politik muss auch uns endlich eine Perspektive bieten", fordert Glaser, der kein Verständnis dafür hat, dass die Fesseln, die der Branche Anfang November angelegt worden sind, nicht gelockert werden. "Wir wollen ja nicht gleich riesige Feiern veranstalten. Wir wären schon zufrieden, wenn wir Familien oder befreundete Paare bei uns begrüßen dürften."

Nur 20 Prozent des Umsatzes

Die finanzielle Lage ist auch beim "Seelöwen"-Wirt angespannt. "Wir haben nur noch 20 Prozent unseres sonst üblichen Umsatzes", so Glaser. Der To-go-Verkauf laufe nicht mehr so gut wie beim ersten Lockdown. "Viele Leute haben das Angebot offenbar satt."

Dass vielen von Glasers Kollegen das Wasser bis zum Hals steht, weiß der Vorsitzende der Kreisgruppe Kulmbach des Hotel- und Gaststättenverbandes, Stephan Ertl. Ertl spricht von einer verzweifelten Lage vieler Betriebe, die seit März 2020 nun schon in Summe über sechs Monate ein Berufsverbot gehabt hätten. Die staatlichen Programme seien zwar eine Hilfe, doch fordere der Verband nun zwingend Perspektiven. "Die Maßstäbe und Inzidenzwerte, die für den Einzelhandel oder die Baumärkte gelten, müssen auch für das Gastgewerbe angelegt werden", betont der Verbandssprecher.

"Keine Hotspots"

Hotel- und Gaststättenbetriebe seien bei der Öffnung im Sommer 2020 auch keine Hotspots gewesen. "Das hat auch das Robert-Koch-Institut bestätigt. Die Ansteckungsgefahr in der Branche, die schon 2020 hohe Hygienestandards aufgebaut hat, ist niedrig." Es gebe verantwortbare Pläne für Öffnungsszenarien und effiziente Schutzkonzepte, "die über denen des Handels liegen". Ertl verweist dabei auch auf größere Abstandsregeln. "Weil wir eine durchgängige Gästeregistrierung durchführen, wissen wir zudem zu jeder Zeit, wer da ist. Und die Masken dürfen nur am Tisch abgelegt werden."

Das Hygienekonzept habe sich schon nach dem ersten Lockdown bewährt, pflichtet ihm Werner Glaser bei, der bei der Wiedereröffnung damals einige Änderungen vornehmen musste. Um die Abstandsregelungen gewährleisten zu können, sind Tische aus der Wirtsstube verschwunden. "30 statt der sonst 75 Gäste haben noch Platz gefunden", sagt der Gastwirt, der nun schon froh wäre, wenn wenigstens das auch im März 2021 möglich wäre.

Damit das Bier nicht abläuft

Ob der "stille Protest" des Hotel- und Gaststättenverbandes Wirkung zeigt? Werner und Edeltraud Glaser hoffen, dass sich die Politik bewegt und der Gastronomie eine Öffnung ermöglicht. Beide stehen bereit, würden lieber heute als morgen wieder Gäste bedienen. Das Bier ist beim "Seelöwen"-Wirt eingelagert - und das schon lange Zeit. "Ich hoffe, dass es bis zur Neueröffnung nicht abläuft und wir es wegschütten müssen", sagt der 68-Jährige, dem die vergangenen Monate des Nichtstuns schwer gefallen sind.

Er will zurück in die Küche

Vier volle Ruhetage - Freitag bis Sonntag findet der Außer-Haus-Verkauf statt - hat er bis dato nie gehabt, die ungewohnte Freizeit nicht genießen können. "Es fällt mir schwer, die Füße hochzulegen", sagt Werner Glaser, der hofft, dass der Tisch für die Gäste im "Seelöwen" bald nicht mehr nur symbolisch gedeckt ist.

Dazu auch ein Kommentar von Alexander Hartmann

Die Ungewissheit zermürbt

Die einen sprechen von der dritten Welle, von der Mutante, die keine Lockerungen zulasse - die anderen pochen auf Öffnungen, die nun zwingend notwendig seien, um der deutschen Wirtschaft nicht ganz den Garaus zu machen. ist ein Spagat, den die politischen Entscheidungsträger meistern müssen, die die Pandemie zu Entscheidungen zwingt, die heikel und - wenn dann mal umgesetzt - leider oft nicht nachvollziehbar sind.

Dass in Bayern jetzt Blumenläden und Gartenmärkte öffnen dürfen, weil sie verderbliche Waren haben, kleine Ladengeschäfte aber nicht, das muss man dem Einzelhändler in der Kulmbacher Innenstadt erst mal erklären. Dem Besitzer des Sportgeschäfts etwa, der auf Hunderten Skiern sitzen geblieben ist, die er im kommenden Winter nicht mehr als Neuheit verkaufen kann, oder dem Besitzer einer Boutique, bei dem die Wintermode 2020/21 das Lager füllt und der längst die Entscheidung treffen musste, welche Ware er für den Sommer ordern soll. Und das mit einem dicken Fragezeichen: Denn wann und wie er öffnen darf, das weiß der Einzelhändler auch Anfang März noch nicht.

Es ist nicht allein das Berufsverbot, es ist vor allem auch die Ungewissheit, die viele Geschäftsleute zermürbt: Händler wie auch Gastwirte, die nicht mehr stillhalten wollen. Und die verständlicherweise kein Verständnis mehr dafür haben, wenn sie nun auch noch anders behandelt werden als beispielsweise große Baumärkte. Zumal der Handel wie auch die Gastronomie nach dem ersten Lockdown im Sommer vergangenen Jahres ja unter Beweis gestellt haben, dass sie hohe Hygienestandards umsetzen können und sie alles andere als Pandemietreiber sind.