Wir zeichnen nach, was sich seit der Unterbringung von Flüchtlingen in Untersteinach abgespielt hat.
Was ist zwischen dem Rathaus und dem Vermieter der Wohnungen in der Eichbergstraße vorgefallen, so dass der Gemeinderat letztlich das Landratsamt gebeten hat, die Wohnungen nicht erneut zu belegen? Wir geben einen Überblick der wichtigsten Stationen:
September 2014: Im Anwesen Eichbergstraße werden von der Regierung von Oberfranken 22 syrische Kriegsflüchtlinge untergebracht. Die Gemeinde wird nach Angaben von Bürgermeister Volker Schmiechen (SPD) darüber "kurzfristig vorinformiert".
September 2014: Im sozialen Netzwerk Facebook wird auf Grund der Ankunft der fünf Familien, die aus einem Lager im Libanon nach Deutschland gekommen waren, eine Diskussion öffentlich, die der Bürgermeister als "unsäglich" bezeichnet.
Er, die Gemeindeverwaltung und die beiden Kirchen bitten um Verständnis für die Syrer, die unsäglichem Leid in ihrem Heimatland entkommen seien.
Oktober 2014: Die syrischen Kontingentflüchtlinge, die ein zweijähriges Aufenthaltsrecht in Deutschland ebenso wie eine Arbeitsberechtigung haben, ziehen nach Kulmbach um. Die Regierung teilt mit, dass sie in der Eichbergstraße keine weiteren Flüchtlinge unterbringen will.
Dezember 2014: Das Landratsamt mietet das Anwesen in der Eichbergstraße an, um dort zwölf syrische Kriegsflüchtlinge unterzubringen. Die Gemeinde und die Kirchen sagen öffentlich ihre Unterstützung zu.
Dezember 2014: Die Gemeinde lädt zur Sitzung des Gemeinderats am 16. Dezember ein.
13.
Dezember: Die Firma "paluma second home" teilt dem Bürgermeister mit, dass sie in ihrem Haus die Flüchtlinge aufnehmen wird. Um die reibungslose Zusammenarbeit mit der Gemeinde sicherzustellen, sei ein arabisch sprechender Objektbetreuer fest eingestellt. (Das Schreiben liegt uns vor).
16. Dezember: Verwaltungsleiter Martin Betz wendet sich per Mail an die Firma und bittet um konkrete Benennung des Objektbetreuers (Das Mail liegt uns vor). - In der Gemeinderatssitzung am Abend gibt der Bürgermeister die Bitte der Firma an die Bevölkerung weiter, sich den Menschen gegenüber aufgeschlossen zu zeigen. - Die Firma fragt in einer Mail nach, wer Martin Betz sei - obwohl das Mail mit "Martin Betz, Leiter der Geschäftsstelle, Verwaltungsgemeinschaft Untersteinach" und den Kontaktdaten endet (Das Mail liegt uns vor).
19.
Dezember: Die Firma teilt mit, dass sie "zwischenzeitlich erfahren" habe, dass Betz Verwaltungsleiter sei. Im zweiten Satz heißt es: "Aufgrund der für uns nicht klaren Einstellung der Gemeinde Untersteinach zu den syrischen Flüchtlingen und des in unseren Augen unzulässigen Aufrufs zur Gemeinderatssitzung mit deutlicher Stigmatisierung der Bewohner des Hauses Eichbergstraße 13, können wir es nicht zulassen, dass Sie unmittelbar Kontakt mit unserem Mitarbeiter pflegen." Später heißt es in dem Mail noch: "Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns die Einstellung des Gemeinderates zu der kurzzeitigen Unterbringung in unserem Haus mitteilen, damit wir - sollte dieser weiter kritisch sein - Schutzmaßnahmen einleiten können." (Das Mail liegt uns vor).
21.
Januar 2015: Auf Einladung von Bürgermeister Schmiechen findet ein Treffen mit den Asylbewerbern im Rathaus statt, bei dem der in Kulmbach lebende Syrer Josef Mawad übersetzt.
22. Januar: Im Gemeinderat informiert der 2. Bürgermeister über den Schriftwechsel mit der Firma. Der Gemeinderat fordert daraufhin, dass das Landratsamt gebeten werden möge, das Mietverhältnis zu lösen, zumindest aber die Gebäude nicht mehr für die Unterbringung weiterer Asylbewerber vorzusehen. Dies sagt das Landratsamt zu.
27. Januar: In einem Mail an die Bayerische Rundschau schreibt ein Vertreter der Firma: "Ist es glaubwürdig, dass dieses Wohlbefinden sich durch den Termin auf dem Rathaus eingestellt hat, oder ist es nicht vielmehr so, dass die Flüchtlinge damit zum Ausdruck gebracht haben, dass sie in ihrer Unterkunft rundherum umsorgt wurden und sich sogar in
ihrer Landessprache artikulieren können, dass ihnen ausreichend Raum zur Verfügung steht, sie über technische Einrichtungen wie Kabelfernsehen mit Al Jazeera, einem PC in arabischer Sprache eingestellt und freies Internet verfügen können (...)." - Laut Isabella Burger von der Ausländerbehörde im Landratsamt ist in dem Vertrag zwischen Landratsamt und Wohnungsgeber festgehalten, dass sich der Wohnungsgeber um die soziale Betreuung der Flüchtlinge kümmern muss. "Ortskenntnis vermitteln, Arztbesuche organisieren, zeigen, wo man einkaufen kann, Bus- und Bahnabfahrten erklären und den Weg zum Landratsamt zeigen".
Kommentar
Professionalität sieht ganz anders ausIn diesen Tagen gibt es kaum ein Thema, das so intensiv diskutiert wird, wie die Frage, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, die in ungewohnt hoher Zahl in unserem Land Schutz suchen.
Dass es besser ist, sie dezentral unterzubringen, dass so leichter Kontakte zu ihren deutschen Nachbarn entstehen, ist eine nicht neue Erkenntnis.
Dass Beziehungen dennoch schwer zu knüpfen sind, wenn Übersetzer fehlen, die mit Sprache und Kultur der Neuankömmlinge vertraut sind, ebenso. Es ist mühevoll, aber notwendig, die Schutz suchenden Menschen auf-, vor allem aber anzunehmen.
Vor diesem Hintergrund sind die Schriftwechsel, die nun aus Untersteinach bekannt werden, zumindest merkwürdig. Die Firma, die in St. Aldegund, einem Weinort an der Mosel, ihren Sitz hat, und die die Wohnungen an den Landkreis vermietet, agiert so, als sei sie in der Kommunikation nicht sonderlich erfahren.
Zunächst erkennt sie ein Mail der Gemeinde nicht, dann betont sie, ihre Mitarbeiter vor Ort dürften nicht mit Behörden in Verbindung treten - und beklagt später, dass die Gemeinde nicht das Gespräch gesucht habe.
Sie erhebt unbelegte Vorwürfe, die sich gegen die Gemeinde und den Bürgermeister persönlich richten - und klagt anschließend, nicht zuletzt in Mails gegenüber der Bayerischen Rundschau, sie werde ungerecht behandelt und solle "platt gemacht werden".
Ohne Zweifel ist es immer wieder nötig, Verständnis für die Belange der Flüchtlinge zu wecken, die von kriegerischen Auseinandersetzungen, Gewalt und Verfolgung betroffen waren. Im höchsten Maße ärgerlich ist es allerdings vor diesem Hintergrund, wenn Akteure auf dieser Bühne mitmischen, die die Aufmerksamkeit davon ablenken - aus welchen Gründen auch immer. Professionalität jedenfalls sieht anders aus!
darf ich, sehr geehrter Herr Paluma, nur eines: "Beschimpft" wurde Ihre Firma in unserer Berichterstattung überhaupt nicht - weder durch uns, noch mit unserer Hilfe.
Beste Grüße
Alexander Müller
BR-Redaktionsleiter
Ja, wir müssen tatsächlich zugeben, dass uns die Professionalität im Umgang mit der Politik und der Presse leider - nicht zuletzt auch aufgrund der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit und der Tatsache, dass die Gemeinde keinen der an sie gerichteten Briefe beantwortet hat, fehlte. Aber erfreulich ist, dass uns auch dieser Artikel keine Unprofessionalität im Umgang mit den in unser Gästehaus eingemieteten und in unsere Obhut gegebenen Flüchtlingen vorzuwerfen ist bzw. vorgeworfen wird. Allein unglücklicher Umgang einer unerwartet über uns hereingebrochenen Beschimpfung durch die Presse, auf die wir uns leider nicht mehr sachgerecht einstellen konnten, wird uns heute vorgeworfen. Die Tatsache, dass wir die Anforderungen der Vereinbarung mit dem Landrat mehr als erfüllt haben, vermeidet der Artikel zu bestätigen.
Auch der Hinweis wird unterschlagen, dass die Einladung zur Gemeinderatssitzung ein Verstoß gegen den Datenschutz und das Meldegeheimnis darstellte und die daran geübte Kritik angesichts der gerade zuvor brennenden Flüchtlingsheimen durchaus als nachvollziehbar zu werten sein dürfte. Schließlich hatte der Bürgermeister Schmiechen in einem Gespräch mit unserer Mitarbeiterin von zahlreichen verbalen Drohungen und Schmähungen gegen ihn aus dem Kreis der Bevölkerung berichtet. Wenn er selbst damit kundtat, dass es Ressentiments gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in unserem Gästehaus äußert, sind alle nachfolgenden Vorhaltungen uns gegenüber eben das, was uns zuerst vorgeworfen wurde: Heuchlerisch und Scheinheilig - aber eben auch Zielgerichtet.
Mit dem Vorwurf, dass wir gegenüber der Presse nicht die politische Erfahrung haben, können wir leben. Schlimmer wäre es, wenn wir uns Vorwürfe machen müssten, unsere Aufgabe der Hilfestellung gegenüber den Flüchtlingen nicht ausreichend nachgekommen zu sein.
Paluma second home
by Artefilum GmbH