Wahlkampf in Kulmbach geht anders

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Große Koalition am Holzmarkt - von links: Gerhard Müller (WGK), Ingo Lehmann (SPD) und Hans-Dieter Herold (Die Grünen). Wahlkampf in Kulmbach kann locker und entspannt sein. Foto: Katrin Geyer
Große Koalition am Holzmarkt - von links: Gerhard Müller (WGK), Ingo Lehmann (SPD) und Hans-Dieter Herold (Die Grünen). Wahlkampf in Kulmbach kann locker und entspannt sein. Foto: Katrin Geyer
Wahlkampf im Wirtshaus: Henry Schramm im "Meisterstübla in Niederndobrach. Foto: Katrin Geyer
Wahlkampf im Wirtshaus: Henry Schramm im "Meisterstübla in Niederndobrach. Foto: Katrin Geyer
 
Hans-Dieter Herold und "seine" tapferen Frauen Doris Stein (rechts) undDagmar Keis-Lechner am Regenplatz, pardon Röhrenplatz. Foto: Stephan Tiroch
Hans-Dieter Herold und "seine" tapferen Frauen   Doris Stein (rechts) undDagmar Keis-Lechner am Regenplatz, pardon Röhrenplatz. Foto: Stephan Tiroch
 

Die Kandidaten werben in Wirtshäusern und bei Hausbesuchen um ihre Wähler. Sie stehen an Infoständen - oder gehen spazieren.

Man sagt das so leicht: "Wahlkampf". Aber wie kämpft denn einer, der gewählt werden will? Polternd wie einst Franz Josef Strauß? Mit verbalen Attacken wie der legendäre Herbert Wehner? Die Zeiten sind vorbei. Wahlkampf 2012 geht anders.

Wahlkampf 2012: Den amtierenden OB Henry Schramm von der CSU führt er beispielsweise ins "Meisterstübla" nach Niederndobrach. Rund 50 Menschen warten dort auf den Kandidaten. Die meisten von ihnen - vor allem Männer, vor allem gesetztes Mittelalter - sind ihm freundlich gesonnen. Einige wenige junge Menschen sind in dem Raum, in dem es rund um den Schwedenofen bald eng und sehr, sehr warm wird. Die jungen Menschen tragen Polo-Shirts, auf denen "Team Henry Schramm" steht, und verteilen hölzerne Pfannenwender.

Deren Symbolgehalt erschließt sich dem Besucher auch am Ende der Veranstaltung noch nicht. Alles andere erklärt der Kandidat. Wie viele Millionen er in seiner ersten Amtszeit in die energetische Sanierung von Schulen in investiert hat und wie viel in die Oberflächensanierung von Straßen. Schramm spricht frei, präsentiert sich leger im hell blauen Hemd. Das Jackett hat er abgelegt - auch ihm ist längst zu warm.

Die politischen Gegner? Kommen kaum vor. Vom "Mitbewerber" spricht er. Nur einmal nennt er einen Namen: Den seiner Vorgängerin Inge Aures von der SPD. "Aber die gibt es nimmer. Jedenfalls politisch."

Raser und hässliche Neubauten

Ziemlich genau eine Stunde lang zieht Schramm Bilanz. Hin und wieder gibt es zustimmendes Raunen. Im Schnelldurchlauf erklärt er noch, was er in der zweiten Amtszeit vorhat: noch mehr Straßen sanieren, Parkplätze fürs Klinikum schaffen, die Straße in der Wolfskehle endlich in Ordnung bringen. Keine fünf Minuten dauert das. "Ich habe noch viel vor", sagt er abschließend. "Ich brauche ihre Stimme." Die Diskussionsrunde bleibt unspektakulär. Die Themen sind überall die gleichen: Im Ort wird zu schnell gefahren. Irgendein Nachbar baut wieder etwas, was keinem gefällt. Und dann wird's endlich gemütlich.

Wahlkampf 2012: Das bedeutet auch für Ingo Lehmann, Kandidat der SPD, vor allem persönliche Ansprache. Tausende von Hausbesuchen hat er mittlerweile absolviert, Tausende von Händen geschüttelt, immer wieder Prospekte und Kugelschreiber verteilt.

Jeden Samstag steht Lehmann auf dem Holzmarkt am Infostand. Seine Helfer blasen Luftballons auf, drapieren Bier deckel und Flyer zwischen winzige Gummibärchentüten. Der Platz ist hervorragend. Halb Kulmbach, so scheint es, kommt im Laufe eines Vormittags vorbei. Gekämpft wird auch da nicht. Dafür locker geplaudert. Durchaus auch einmal über politische Inhalte. Manche Passanten steuern den Stand ganz gezielt an. Bei dem einen oder anderen ist das Interesse an den Give-Aways, wie die kleinen Geschenke heißen, sichtlich größer als das an der Politik. Andere scheinen angesichts der roten Luftballons beinahe einen Haken zu schlagen: Sie möchten nicht angesprochen werden. "Ich bin nicht von da" ist ein Argument, das öfter zu hören ist.

Ein Plausch geht immer

Die Mehrzahl der Kulmbacher aber hat nichts gegen einen Plausch. Etliche sympathisieren ganz offensichtlich mit der SPD. Bei anderen weiß man, dass sie's definitiv nicht tun. Dass Ingo Lehmann für eine Partei ins Rennen geht, die sie selbst nie wählen würden - egal. Gerhard Müller ist so einer. Er ist vermutlich auf dem Weg zum Infostand von Henry Schramm. Die Wählergemeinschaft, der Müller seit langem angehört, unterstützt dessen Kandidatur. Bei Lehmanns SPD bleibt er trotzdem einige Minuten stehen, unterhält sich offenbar prächtig.

Wahlkampf 2012 in Kulmbach kann auch heißen: Das Wetter ist mein Gegner. Beispiel Freitagabend: Hans-Dieter Herold hat zum Spaziergang im Spiegel, in der Wolfskehle und in den anderen Gässchen eingeladen - Treffpunkt am Regenplatz, pardon am Röhrenplatz. Es gießt wie aus Eimern. Aber der Kandidat der Grünen, sonst oft Einzelkämpfer, ist nicht allein. Doris Stein ("Wir sind doch nicht aus Zucker") und Dagmar Keis-Lechner, die beide im Viertel wohnen, lassen sich nicht abschrecken. Hans-Dieter und "seine" tapferen Frauen lassen sich nicht davon abbringen, den vorgesehenen Weg zu laufen. Auch wenn die Teilnehmerzahl meist überschaubar war, so erklärt der Kandidat hinterher: "Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ein Spaziergang oder eine Radtour umsonst war. Ich spreche die Leute an oder sie mich, und ich habe immer Anregungen mitgenommen, was die Menschen bewegt oder was man besser machen könnte."

Auch im Bereich Spiegel/Wolfskehle gibt es Defizite. Der Stadtbus müsste öfter fahren, meint Dagmar Keis-Lechner, "denn hier bei uns wohnen viele alte Leute, die kein Auto haben und hier auch nicht mehr einkaufen können". Hans-Dieter Herold pflichtet ihr bei - ÖPNV ist halt ein urgrünes Thema.

Ein Stück Kindheit

Schließlich geht auch der schönste Spaziergang zu Ende, und der Kandidat hat für die Abschlusseinkehr ein Lokal in der Oberen Stadt ausgewählt: Es gibt sich griechisch und heißt "Delphi", doch es ist viele Jahrzehnte das "Frankenheim" gewesen, Herolds Elternhaus. Hier hat er seine Kindheit verbracht, und hier schwelgt er in Erinnerungen: Wie viel Leben in dem Haus war, die Bäcker, die Bedienungen, oben die Familie Schütz mit den vielen Kindern. "Mein Wahlkampf ist halt ein bisschen anders als bei den anderen", sagt er aus Überzeugung.