Vorrangflächen im Landkreis Kulmbach in der Schwebe

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Horst Seehofers 10H-Vorstoß könnte bedeuten: Über den geplanten Vorrangflächen für potenzielle Windkraftanlagen im Landkreis Kulmbach könnte sich bald die Sonne senken. Foto: Barbara Herbst
Horst Seehofers 10H-Vorstoß könnte bedeuten: Über den geplanten Vorrangflächen für potenzielle Windkraftanlagen im Landkreis Kulmbach könnte sich bald die Sonne senken. Foto: Barbara Herbst

Sollte Ministerpräsident Horst Seehofer mit seinem Vorstoß für größere Abstände von Windkraftanlagen zu Wohngebieten durchkommen, bedeutet das: Alle Bemühungen des Regionalen Planungsverbands Oberfranken-Ost um Vorrangflächen wären plötzlich Makulatur.

Es ist gerade fünf Monate her, da verblüfften Kulmbachs Kommunalvertreter selbst hart gesottene Gegner von Windkraftanlagen: Damals, Ende Juli, waren bei der Sitzung des Regionalen Planungsverbands Oberfranken-Ost in der Hofer Freiheitshalle mehrere Areale aus der Liste für Vorrangflächen rausgefallen. Die größte Überraschung: Schirradorf-Nordwest (Markt Kasendorf und Wonsees) und Schirradorf-Nord (Wonsees/Hollfeld) wurden ausgeklammert, nachdem sowohl Landrat Klaus Peter Söllner (Freie Wähler) als auch Wonsees' Bürgermeister Günther Pfändner (CSU) für eine Streichung plädiert hatten.

10H: zehnfache Höhe als Distanz

Womöglich aber ist bald die gesamte Windkraft-Regionalplanung Makulatur: Dann nämlich, wenn sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer doch noch durchsetzt mit seinem Ansinnen der "10H-Regelung". Bedeutet: Der Abstand
einer Windkraftanlage zur nächst gelegenen Wohnbebauung muss dann mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen. Da moderne Rotormasten etwa 200 Meter hoch sind, resultiert daraus eine Distanz von zwei Kilometern.

"Wir haben das Szenario für den Landkreis Kulmbach mal über unser Geoinformationssystem durchgerechnet: Es bliebe unter diesen Umständen fast keine Fläche übrig." Philipp Hetzel betont in seiner Äußerung das Wort "keine". Der Abteilungsleiter Natur- und Umweltschutz im Landratsamt sagt, die Region sei relativ dicht besiedelt. "Und wenn es irgendwo größere Freiflächen gibt, liegen dazwischen einzelne Weiler und Gehöfte, die bewohnt sind."

Für Hetzel, bei dem in Kulmbach die Genehmigungsanträge auflaufen, kam Horst Seehofers Vorstoß unverhofft. "Es war ja ursprünglich einmal die Rede davon gewesen, dass in Bayern etwa 1500 Windanlagen nötig sind, will man die Vorgaben im Rahmen der Energiewende umsetzen. Diese Zahl auf den verbliebenen Arealen zu realisieren, dürfte nur ganz schwer durchführbar sein."

Markt Thurnau wäre betroffen

Wann mit einer politischen Entscheidung zu rechnen ist? Da mahlen die Mühlen in München offenbar langsam. "Das weiß niemand genau", sagt Hetzel. Ihm und dem Landratsamt als Genehmigungsbehörde aber beschert die ungeklärte Situation manche Hängepartie. Aktuell laufen Genehmigungsverfahren für zwei Vorranggebiete im Markt Thurnau (Alladorf und Kleetzhöfe). "Wir als zuständige Behörde müssen nach derzeit geltendem Recht die Anträge bearbeiten."

Also gelten bis auf weiteres die bestehenden Abstandsflächen: 1000 Meter zu reinen Wohn-, 800 zu Mischgebieten. "Der Antragsteller hat ja einen Rechts anspruch darauf, sonst droht uns wiederum eine Klage vor dem Verwaltungsgericht wegen Unterlassung." Andererseits, so Hetzel, gebe es Schreiben aus dem Umwelt- und dem Innenministerium, wonach die Ämter vermeiden sollten, vollendete Tatsachen zu schaffen. "Wir müssen aber im Zweifelsfall genehmigen, wenn der Antragsteller alle Vorgaben einhält."

"Wenn das kommt, sind drei Jahre der Planung, der Diskussion und Konsensfindung ad absurdum geführt", bewertet Thurnaus Bürgermeister Dietmar Hofmann (SPD/Offene Liste) die Entwicklung. Er selber vertraue darauf, dass die beiden Flächen im Markt Thurnau, die sich gerade im emissionsrechtlichen Genehmigungsverfahren befinden, noch nach den derzeit geltenden Abstandsvorgaben beschieden werden. "Ansonsten bliebe noch eine winzige Fläche im Limmersdorfer Forst übrig. Wie dort die Topografie ist oder wie stark der Wind weht? Keine Ahnung. Aber da eine Anlage zu installieren, wäre im Vergleich zu anderen Vorranggebieten ein brutaler Eingriff in die Natur und unverantwortlich."

Hofmann zitierte aus einem Treffen mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, wonach die Staatsregierung bis Ende Januar über die 10H-Regelung entscheiden wolle. Der Bürgermeister sei gespannt, wie sich die CSU zu möglichen Schadensersatzforderungen stellt. "Da sind Investoren und mancherorts auch Kommunen mit Millionensummen in Vorleistung getreten. Da könnte es Klagen hageln."

Gegner schöpfen neue Hoffnung

"Wir sind erfreut", sagt hingegen Hans-Peter Zahner, Vorsitzender der Anti-Windkraft-Bürgerinitiative "Pro Heimat Fränkischer Jura". "Erfreut auch deshalb, weil sich damit vielleicht die Anlagen in Thurnau und Kasendorf doch noch verhindern lassen. Für diese Standorte hatten wir schon fast jede Hoffnung aufgegeben." Allerdings sei die Messe noch nicht gelesen. "Es ist ein Schwebezustand." Bis zur endgültigen Klärung bleiben die Windkraftgegner wachsam - und die Transparente griffbereit.