"Tatort Internet" in Kulmbach - Experten klären auf

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Sorglos und sicher surfen im World Wide Web: Darum dreht sich alles bei der Veranstaltung "Tatort Internet" am Mittwoch, 11. Dezember, 19.30 Uhr in der Kulmbacher Stadthalle. Der Eintritt ist frei. Foto: J. Nützel
Sorglos und sicher surfen im World Wide Web: Darum dreht sich alles bei der Veranstaltung "Tatort Internet" am Mittwoch, 11. Dezember, 19.30 Uhr in der Kulmbacher Stadthalle. Der Eintritt ist frei. Foto: J. Nützel

Welche Gefahren lauern im World Wide Web? Und wie entgeht man ihnen? Tipps für Netz-Nutzer in Sachen Kommunikation 2.0 geben die Experten Michael Ehlers und Götz Schartner bei "Tatort Internet" am 11. Dezember um 19.30 Uhr in der Stadthalle und vorab hier im Gespräch auf Infranken.de.

Facebook und Twitter sind allgegenwärtig; der Griff zu Handy und Smartphone ist so selbstverständlich wie der zum Haustürschlüssel. Die sozialen Netzwerke und das permanente Online-Sein haben gewohnte Kommunikationsmuster auf den Kopf gestellt. Diese Revolution eröffnet zweifellos Chancen, legt aber auch Fallstricke aus. Die beiden Referenten der Infoveranstaltung "Tatort Internet", Profi-Hacker Götz Schartner und Social-Media-Experte Michael Ehlers, sprachen im Interview über Medienerziehung, virtuelle Realitätsverluste und Mittelstandsunternehmen, die die Entwicklung offenbar verschlafen haben.

Herr Schartner, Herr Ehlers: Geben Sie uns bitte eine kurze persönliche Einschätzung: Haben sich die Menschen wirklich mehr zu sagen als früher? Und wie hat sich bei Ihnen persönlich Ihre Art, sich zu verständigen, durch Facebook, Twitter & Co.
gewandelt?

Götz Schartner: Durch die Neuen Medien haben es die Menschen heute wesentlich leichter, ihre Meinung kundzutun. Massen können innerhalb von Sekunden erreicht werden. Dies zeigt sich in vielen Facetten: angefangen bei der Stärkung der Verbraucher bis hin zum Arabischen Frühling. Bei mir persönlich hat sich mit dem Web 2.0 nicht nur berufsbedingt, sondern auch im privaten Bereich viel geändert. E-Mails, SMS und WhatsApp-Nachrichten sind zeit- und ortsunabhängig zu empfangen und deswegen sehr praktisch. Da können Briefe nicht mithalten.
Michael Ehlers: Die Menschen haben sich vielleicht nicht mehr zu sagen als früher, aber sie haben durch die sozialen Netzwerke die Möglichkeit, jederzeit, überall und unmittelbar miteinander zu kommunizieren. Damit wird das "managen" der eigenen Netzwerke einfacher. Wir stellen Nähe her, wo wir sonst durch unterschiedliche Wohnorte Distanz hätten. Da der Mensch seit jeher der Sippe zugewandt ist, dienen die sozialen Netzwerke quasi einem archaischen Prinzip des Menschen: "Pflege Deine Sippe." Die Kommunikation gestaltet sich einfach als schneller und direkter und das nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch zwischen Unternehmen und Menschen.

Schon Achtjährige bewegen sich wie selbstverständlich auf diesen Online-Plattformen - offenbar nicht immer im Bewusstsein dessen, wie weit ihre Einträge gestreut werden. Macht das eine schulischen Aufarbeitung nötig, etwa in Form eines - häufig geforderten - Faches Medienerziehung?
Schartner: Ja, eine schulische Ausbildung ist hier unumgänglich. Aber die Schulen in die Pflicht nehmen ist nur ein Anfang. Diese müssen auch die notwendigen Lehrkräfte und Ausstattungen zur Verfügung gestellt werden. Dazu kommt, dass die meiste "Online-Zeit" die Kinder und Jugendlichen Zuhause verbringen. Dort sind dann wiederum die Eltern in der Pflicht zu erklären, aufzuklären und aufzupassen. Denn eigentlich ist es mit dem Internet wie mit dem Straßenverkehr: Es gibt viele Regeln zu lernen, damit niemand zu Schaden kommt.
Ehlers: Unbedingt! Unbedachte Handlungen in den sozialen Netzwerken können fatale Folgen nach sich ziehen. Eltern dürfen ihre Kinder keinesfalls unbeobachtet einfach machen lassen. Es sind Kinder! Daher ist es auch wichtig, dass sich Eltern vermehrt mit dem Web 2.0 auseinander setzen. Hier die Verantwortung für die Erziehung an die Schulen einfach abzugeben, ist falsch und fahrlässig. Die Lehrer gehören zu den Berufsgruppen, die am wenigsten in den sozialen Netzwerken aktiv sind. Die sozialen Netzwerke können aber deshalb für Kinder und Jugendliche so gefährlich werden, weil die Kommunikation dort sehr schnell, sehr nah und vertraut wirkt, weswegen oftmals unbedacht gehandelt wird. Die jüngeren Nutzer müssen verstehen, dass sie sich in diesen Medien so verhalten müssen, wie sie es in der Realität machen würden und nur Dinge von sich preisgeben, die sie ohne Weiteres auch in die Tageszeitung setzen würden, in der es jeder mitbekommt. Aus meiner Erfahrung sind die Kinder sehr lernfähig und fangen an sehr reflektiert mit den Medien zu arbeiten, wenn man ihnen Beispiele gelungener und schlechter Kommunikation im Web zeigt. Zudem ist es wichtig zu wissen, wie sie ihre Accounts schützen, indem sie die für sie richtigen Privatsphäre-Einstellungen wählen. Denn eine unbedacht veröffentlichte Äußerung oder ein unvorteilhaftes Foto, selbst, oder durch andere hochgeladen, kann beispielsweise in Cyber-Mobbing oder einer schlechten persönlichen Reputation resultieren, die zukünftige Arbeitgeber an einer Einstellung der jeweiligen Person hindern können.

Herr Schartner, für unsere jungen Smartphone-User im Land: Gibt es das sichere Handy überhaupt? Oder den sicheren Internetzugang? Und wie lässt sich den bösen Buben im World Wide Web trotzdem ein Schnippchen schlagen?
Schartner: "Das sichere Handy" ist das Handy, in dem kein Akku ist. Mobiltelefone und Computer lassen sich oft viel einfacher hacken, als man denkt. Die gewohnten Schutzmaßnahmen wie Firewall und Antiviren-Programm sind zwar ein guter Anfang, aber es gibt noch wesentlich mehr zu beachten. Cyberkriminellen kann man das Leben schwerer machen, indem man etwa regelmäßig Updates installiert und zum Surfen einen Windows-Benutzer ohne Adminrechte erstellt. Wobei selbst diese Schutzmaßnahmen noch ausbaufähig sind. Da dieses Thema so umfangreich ist, habe ich dazu ein Buch "Tatort www" geschrieben - dort gibt es fünf Truecrime-Stories, hilfreiche Checklisten und viele Tipps.

Wie sichert sich eigentlich ein Profi-Hacker im Dienst der guten Sache wie Sie ab, damit Ihnen nicht "echte" Delikte in die Schuhe geschoben werden können?
Schartner: (lacht) Ganz einfach: Ich halte mich an die Gesetze. Aber wer würde sich denn auch trauen, einen Hacker zu ärgern?

Wenn sich Unternehmen über die sozialen Netzwerke einen größeren Kundenkreis erschließen, ist das sicherlich ein Vorteil. Aber andersrum gefragt, Herr Ehlers: Verprellt man mit der Online-Welle nicht manchen alteingesessenen Geschäftspartner, der das persönliche Wort und den Handschlag einer Mail und elektronisch geleisteter Unterschrift vorzieht?
Ehlers: Bei der Nutzung sozialer Netzwerke geht es ja nicht um ein Entweder-Oder. Soziale Netzwerke stellen eher eine sinnvolle Ergänzung zu dem persönlichen Kontakt dar. Zum einen erreicht man via Social Media die Zielgruppe der Online-affinen Geschäftspartner einfach und bietet zum anderen auch den Geschäftspartnern, die das persönliche Wort und den Handschlag vorziehen, eine Möglichkeit, auch dann schnell, einfach und dennoch auch persönlich zu kommunizieren, wenn ein persönliches Treffen gerade nicht möglich ist.

Wo sehen Sie beide die größten Internet-Risiken für die Wirtschaft? Ist die Sicherung von Firmen-internen Datennetzen nicht irgendwann ein Fass ohne Boden, das an die finanzielle Substanz geht?
Schartner: Die größten Risiken für die Wirtschaft? Unentdeckte Online-Spionage! Cyberkriminalität kann selbst großen Unternehmen schnell in finanzielle Schwierigkeiten bringen, wenn sie nicht rechtzeitig aufgedeckt wird. Dazu kommen neuerdings gezielte Manipulationen in Entwicklungs- und Produktionsabteilungen, so dass ein direkter, im Zweifelsfall unternehmensbedrohender Schaden eintritt.
Informationssicherheit selber muss nicht unendlich teuer sein. Zum einem muss ein Unternehmen die eigenen Schwachstellen - also Angreifbarkeiten - kennen. Wichtig ist aber, nicht nur die technische sondern auch die menschliche Seite zu beachten und Mitarbeiter fachgerecht zu sensibilisieren.
Ehlers: Aus meiner Sicht ist die größte Gefahr, den Trend komplett zu verschlafen. In meinem Bamberger Institut haben wir gerade eine Studie zum Thema "Mitarbeitersuche und -gewinnung im Mittelstand" erstellt. Das Ergebnis ist für den Mittelstand eine Katastrophe. Die Art und Weise, wie sich junge Leute heute über ihren späteren Beruf informieren und was der Mittelstand dagegen für Instrumente zur Mitarbeitergewinnung einsetzt, finden nahezu ohne Schnittpunkte statt. Große Konzerne haben sich längst auf die neue Art der Rekrutierung eingestellt. Der Mittelstand verschläft das und wundert sich, dass sie viel Potenzial an Konzerne und Kleinbetriebe verlieren. Dabei ist Mitarbeitergewinnung einer der Lebenswichtigen Aufgaben für die Unternehmen aufgrund des demografischen Wandels.

Was, glauben Sie, kommt nach Facebook? Wird es eine andere Revolution geben, die das Internet eines Tages verblassen lassen könnte?
Ehlers: Wir sind mitten drin in der neuen Revolution. Das "Big Data"-Zeitalter ist bereits eingeläutet. Social Media war nur der Vorreiter. Dank sozialer Netzwerke und mobiler Endgeräte sind massenhaft Daten um die Menschen herum entstanden, die unsere Lebensumstände und Neigungen komplett abbilden. Es entstehen gerade Produkte/Dienstleistungen rund um diese Daten. Alles wird sich verändern. Die Art, wie wir einkaufen, unsere Freizeit planen und selbst das Gesundheitswesen werden einen unglaublichen Schub bekommen, weg vom Reparatursystem und hin zum Präventivsystem. In meinem Vortrag in Kulmbach bringe ich dazu Beispiele mit.