Mehr Platz im Eingangsbereich des Bahnhofs; eine geschwungene Fußgängerquerung; eine zweite Baumreihe an der Zufahrt mit einem herausragenden Einzelgehölz: Das alles hat ein Stadtplaner (der Name sei gnädig verschwiegen) in seinem Entwurf zur Neugestaltung des Bahnhofsviertels in einer oberfränkischen Stadt berücksichtigt.
Aber irgendwie klang es dem Experten wohl nicht expertisch genug. Weshalb sonst hätte er in seiner Präsentation von alledem, was oben geschrieben steht, nix gesagt, sondern folgendes: "Das Bahnhofsumfeld bekommt den Charakter eines urbanen Raumes mit hoher Aufenthaltsqualität. Die Fußgänger werden über eine spindelförmige Fahrbahninsel geführt. Das Motiv der Allee wird wieder aufgegriffen, und am Point de vue steht ein vegetatives Solitär." Achguckmaleineran! Der
Point de vue ist ja, weniger aufregend gesprochen, der Blickpunkt-/fang. Kommt als vegetatives Solitär (der Deutsche nennt es
Baum) ja nur die Augenweide in Frage.
Das ist dem Vokabelkönig zu präzise. Er legt schwammigen Wert darauf, dass der Vorplatz "einer Präzisierung der Bodengestaltung hinsichtlich Zonierung" bedürfe. Am besten den Ostteil zonieren, das kennt der Oberfranke ja schon aus der Geschichte.
Und wer mal in der neuen Kurzparkerzone anhalten will, kann das tun; er kann sogar jemand aussteigen lassen und weiterfahren. Das sagt man aber nicht in der Stadtplaner-Gilde, sondern:
kiss-and-ride-Area. Was unweigerlich die Frage aufwirft: Wie lange darf der Kuss (vor dem Ride) ausfallen, damit er gerade noch
kein kriminelles Dauerparken ist?
... aber die mitgelieferte Planskizze korrespondiert leider nicht mit Ihrer – übrigens allseits sehr zutreffenden – Textkritik über die angebliche „Neugestaltung des Bahnhofsviertels in einer oberfränkischen Stadt“: Es sei denn, dass in Bamberg der mittlerweile 112 Jahre alte, vom kgl.-bayer. Oberbaurat Hugo (von) Höfl errichtete ’Justizpalast’ mit Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht in einen Bahnhof auf der innerstädtischen Inselstadt zwischen den beiden Regnitz-Armen umgewandelt werden soll ???
Vollinhaltlich zustimmen möchte ich indes Ihrem Rüffel an der inzwischen zur Un-Gewohnheit gegarten Methode, mittels „Sprachperlen“ jeden noch so architektonischen offensichtlichen Bockmist hermeneutisch zu verbrämen:
Typisches Beispiel hierfür sind Planungen jedweder monströser Bauwerke – vorzugsweise als „Lebensadern“ bezeichnete Schnellstraßen – die sich immer und an jedem Ort „harmonisch in die natürliche Landschaft integrieren“ – (wie es uns zumindest die einweihenden Honoratioren regelmäßig weismachen wollen.)
So entlarven sich letztendlich solche falsche sprachliche ’Perlen’ in Wirklichkeit als patzende Seifenblasen, die mit nix außer heißer Luft gefüllt sind.
zunächst vielen Dank für die nette Zuschrift. Die Karte versteht sich als Symbolfoto einer Planskizze - das hätte ich wohl deutlicher als solches kenneichen sollen.
Beste Grüße
Jochen Nützel