Die Kulmbacher Spinnerei in Mainleus muss aus wirtschaftlichen Gründen dicht machen. Betroffen ist auch die Verwaltung. Nur in der Färberei wird weitergearbeitet.
Uwe Bauer ist bei der IG Metall zuständig für die Betriebsbetreuung und war bei der Betriebsversammlung der Kulmbacher Spinnerei am Montag mit dabei, als die Belegschaft erfuhr, dass die Spinnerei schließen wird. "Die Stimmung war niedergeschlagen es herrschte Betroffenheit", schildert Bauer seine Eindrücke von der Zusammenkunft.
"Die wirtschaftliche Lage hat sich wohl so verschlechtert, dass man die Spinnerei geregelt auslaufen lassen wird", ist seine Einschätzung der Situation. Völlig überraschend sei die Mitteilung für viele vielleicht nicht gekommen, "nachdem das Unternehmen vor kurzem in der Insolvenz war und die Leute gesehen haben, wie es bis jetzt lief. Da hat sicher der eine oder andere mit etwas gerechnet." Besonders tragisch sei, dass es sich um ein Traditionsunternehmen handelt, dem viele Mitarbeiter schon lange die Treue halten.
Verhandlungen mit dem Arbeitgeber
Betriebsrat und Gewerkschaft würden nun mit dem Arbeitgeber wegen eines Sozialplans verhandeln. Über deren Verlauf wage er keine Prognose, das sei auch abhängig davon, wieviel Geld Inhaber Marco Marchetti zur Verfügung stellt.
Der Unternehmer aus dem Tessin (Schweiz) erklärte, dass der Ausfall eines großen Kunden für die Schieflage verantwortlich ist. "Der hat 30 Prozent der Kapazität der Spinnerei ausgemacht." Ohne ihn sei das Risiko zu groß, den Betrieb weiterzuführen. "Wir sehen auch in den nächsten Monaten keine großen Chancen", schätzt er die Zukunftsaussichten für den Textilmarkt alles andere als rosig ein. Die Färberei mache aber weiter.
"Der Markt ist einfach nicht mehr da", bestätigt Geschäftsführer Jürgen Knecht, der am Montag die Mitarbeiter in einer Betriebsversammlung informiert hat. Im zweiten Quartal habe es einen Umsatzeinbruch von 30 Prozent gegeben, von dem vor allem das Kerngeschäft mit dem weichen Coregarn betroffen gewesen sei. "Es gibt keine Aussage, dass es besser werden könnte." Es liefen monatliche Verluste auf, die nicht mehr tragbar seien.
"Es gab zehn Wochen, in denen bei uns keine Abnahme erfolgte", erklärte Knecht, der von einem "ähnliche Krisenszenario wie 2008/09" sprach. Italien und Spanien seien als Abnehmerland nicht mehr existent. "Die haben kein Geld mehr in diesen Ländern. Die Sparprogramme wegen der Eurokrise wirken sich dort aus." Leider bekomme die Textilbranche die Auswirkungen immer mit als erstes zu spüren.
Von 108 Beschäftigten bleiben 30 übrig
Von den derzeit 108 Beschäftigten in den Traditionsunternehmen werden nur noch etwa 30 in der Färberei übrig bleiben. In der Färberei laufe alles nach Plan. Auch die Verwaltungsmitarbeiter sind von der Schließung betroffen. Künftig werden deren Aufgaben von den Leinefelder Textilwerken, die zur Spinnerei gehören, mit übernommen. Jetzt würden die Kunden über das Aus der Spinnerei informiert, in der nächsten Woche gehe es in die Verhandlungen mit Betriebsrat und Arbeitnehmervertretung.
Überrascht von der Entwicklung zeigte sich Bürgermeister Dieter Adam (FW). "Auch wenn ich ein Auf und Ab mit der Spinnerei erlebt habe." Aber wenn ein Großabnehmer wegfalle, dann sei das ein Riesenproblem. Für die Gemeinde sei es ebenso eine "kleine Katastrophe", dass erdrutschartig rund 80 Jobs wegbrechen. Was mit Blick auf die Einkommensteuer auch der Markt zu spüren bekommen werde.
Vergangenes Jahr sah es gut aus
Noch im November vergangenen Jahres waren die Aussichten für die Spinnerei gut, schien die Zukunft gesichert. Nach dem Insolvenzantrag im November 2010 wurde ein Jahr lang nach einem Investor gesucht, der das Unternehmen weiterführen wollte. Fündig wurde man in Marco Marchetti. Der Wirtschaftsprüfer machte sich 2007 selbstständig und übernahm 2009 zusammen mit zwei anderen Investoren die Nexis Fibers Group, die ihrerseits die Spinnerei übernahm. Unter dem Namen Kuspi sollte es weitergehen. "Wir haben uns das alles anders vorgestellt", bedauert Knecht jetzt das Aus für die Spinnerei.