Im Schneewittchen-Prozess glaubt das Landgericht Bayreuth dem Opfer und verhängt eine Freiheitsstrafe. Akzeptiert der Angeklagte, der in erster Instanz freigesprochen wurde, den Schuldspruch?
Im großen Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth redete am Donnerstag nur einer: der Richter. Werner Kahler verkündete nach drei Verhandlungstagen das Urteil im Schneewittchen-Prozess. Die Berufungskammer glaubte dem Opfer (25) und kam zu einem Schuldspruch wegen eines sexuellen Übergriffs. "Wir haben keinen Anhaltspunkt gefunden, dass die Schilderung der Frau nicht stimmen würde", betonte der Richter.
Mit der Hand unterm Kleid
Nach Überzeugung des Landgerichts hat der 35-jährige Angeklagte nach einer rauschenden Faschingsparty im Kreis Kulmbach die junge Frau, die als Schneewittchen verkleidet war, begrapscht. "Er fasste mir mit einer Hand unters Kleid, zwischen die Beine", so die 25-Jährige vor Gericht. Zunächst von hinten, und als sie ihn weggestoßen habe, noch mal von vorne.
Die Kammer führte umfangreiche Nachermittlungen durch, hörte eine Reihe neuer Zeugen und besichtigte sogar den Tatort. Heraus kam eine zehnmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dazu als "Denkzettel" (Kahler) 150 gemeinnützige Arbeitsstunden und 1500 Euro, zahlbar an das Frauenhaus Bayreuth.
Äußerlich unbewegt
Der Angeklagte bestritt die Tat: "Da war nichts." Dennoch war er offenbar vorbereitet und nahm den Schuldspruch äußerlich unbewegt auf. Zuvor zeigte er sich noch schockiert ("Ich bin sprachlos"), als Staatsanwalt Jan Köhler 13 Monate und 4200 Euro Geldauflage gefordert hatte. Ob man die Entscheidung akzeptieren oder Revision einlegen wird, ließ Verteidiger Wolfgang Schwemmer, Bayreuth, nach der Urteilsverkündung offen.
Aufgehoben wurde der Freispruch der ersten Instanz. Das Amtsgericht Kulmbach hatte den Eindruck, dass die Anzeige gegen den Grapscher eine Retourkutsche war. Denn zuerst hatte der jetzige Angeklagte den Ehemann der Frau, von dem er an jenem Abend verprügelt worden war, wegen Körperverletzung angezeigt. Der Mann, der völlig ausgerastet war, kassierte dafür eine Geldstrafe.
Keine Polizei - so war es ausgemacht
Verabredet war zwischen den Beteiligten, dass man die Polizei raushalten wollte. Wahrscheinlich hätte niemand etwas davon erfahren, was nach dem Fasching im Februar 2017 passierte. Also ein klassisches Eigentor des Angeklagten.
Der Abend war lustig, es wurde Party gemacht. Nüchtern war keiner mehr, als man in den frühen Morgenstunden zu viert nach Hause ging. Das Ehepaar sollte bei einer Freundin übernachten, die auch noch einem Bekannten einen Schlafplatz auf dem Sofa anbot. Die Stimmung war gut, bis der Angeklagte in der Küche übergriffig wurde und die Frau, die noch ihr Schneewittchenkostüm trug, begrapschte. Die Situation eskalierte - und am Schluss lag der Angeklagte bewusstlos am Boden.