Schwerer Unfall: Smartphone soll Klarheit bringen

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Das Motorrad war in die Beifahrerseite des BMW geknallt.Foto: Archiv/Jürgen Gärtner
Das Motorrad war in die Beifahrerseite des BMW geknallt.Foto: Archiv/Jürgen Gärtner
Der 37-Jährige Biker erlitt schwerste Verletzungen und ist seit dem Unfall ein Pflegefall. Foto: Archiv/Jürgen Gärtner
Der 37-Jährige Biker erlitt schwerste Verletzungen und ist seit dem Unfall ein Pflegefall. Foto: Archiv/Jürgen Gärtner
 

Ein Unfallverursacher und eine Zeugin hatten vor Gericht Erinnerungslücken. Eine Smartphone-Überprüfung soll zeigen, ob sie sich abgesprochen haben.

Es war ein Unfall, der an Tragik kaum zu überbieten ist. Am frühen Abend des 21. Juli vergangenen Jahres bog ein 20-Jähriger aus dem Landkreis Kulmbach von der Staatsstraße zwischen Kasendorf und Azendorf nach links Richtung Schirradorf ab. Er fährt verbotenerweise links an der dortigen Verkehrsinsel vorbei und prallt frontal auf ein Kraftrad.

Der 37-jährige Biker erleidet schwerste Verletzungen, eine Schädelfraktur, ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere innere Verletzungen, zahlreiche Brüche. Der Mann ist seitdem ein Pflegefall, sitzt im Rollstuhl und muss rund um die Uhr betreut werden. Er lebt seitdem in einem Heim, weil die Pflege zuhause gar nicht zu leisten ist.
Eine vollständige Genesung ist nicht zu erwarten, sagen die Ärzte.


Wortkarge Schlüsselzeugin


Die juristische Aufarbeitung am Amtsgericht in Kulmbach vor Jugendrichter Christoph Berner gestaltete sich am Mittwoch schwierig. Vor allem deshalb, weil der wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagte 20-Jährige ausgerechnet an den alles entscheidenden Abbiegevorgang keine Erinnerung mehr hat. Auch seine Beifahrerin, eine Schülerin aus Mainleus, nicht. Die junge Frau wurde bei dem verhängnisvollen Unfall ebenfalls verletzt, hatte zahlreiche Splitter im Gesicht und am Arm.

Sie hätte die Schlüsselzeugin sein können, doch ausgerechnet sie zeigte sich vor Gericht äußerst wortkarg. Bis Gericht, Staatsanwaltschaft und Nebenklage darauf kamen, dass die junge Frau eine rege Whatsapp-Kommunikation mit dem Angeklagten führte. Das leugnete sie zunächst, erst als Staatsanwältin Dominik Amend mit der Beschlagnahme drohte, rückte die Zeugin das Smartphone heraus.

In den verlesenen Passagen ging es praktisch nur um den Unfall und das, obwohl die Zeugin noch kurz zuvor beteuert hatte, dass man sich über diesen gar nicht ausgetauscht habe. So waren Sätze zu lesen wie: "Lass dir nichts gefallen, wenn sich dich vor Gericht ausquetschen" oder "... einfach sagen, dass man nicht mehr viel weiß". Für Jugendrichter Christoph Berner war die Whatsapp-Korrespondenz zunächst "auffällig, aber nicht eindeutig".


"Informationen zurückgehalten"


Nebenklagevertreter Andreas Piel aus Kulmbach sah dies ganz anders. "Hier werden Informationen zurückgehalten", sagte er und mutmaßte, dass beide aus irgendeinem Grund abgesprochen hatten, keine Erinnerung mehr an den Abbiegevorgang zu haben. Vielleicht wollte der Angeklagte der Zeugin aber einfach nur zeigen, was er für ein toller Kerl ist, deshalb könnte er das vorausfahrende Fahrzeug geschnitten und links an der Verkehrsinsel vorbeigefahren sein.

Die Zeugin und damalige Beifahrerin hatte jedenfalls schon Interesse an dem Angeklagten, auch das ging aus dem Whatsapp-Verlauf hervor.


Altes Handy aus Wohnung geholt


Nun hatte die Zeugin ihr Smartphone dummerweise irgendwann gegen ein neues ausgetauscht und so schickte das Gericht auf Anregung der Staatsanwaltschaft und des Nebenklagevertreters die Polizei in die elterliche Wohnung der Zeugin, um die beiden älteren noch vorhandenen Smartphones auszuwerten. Das sei gar nicht möglich, weil die Festplatte eines Gerätes ausgebaut wurde, gab die Zeugin an. Dennoch entschloss sich das Gericht, eine gründliche Sicherung, Auswertung und Ausdrucke der gesamten Whatsapp-Kommunikation zwischen Zeugin und Angeklagten anzufertigen, was natürlich dauert.

Deshalb wurde die Verhandlung ausgesetzt, das Gericht wird einen neuen Termin bestimmen.


Links an Verkehrsinsel vorbei


Zuvor hatte die Autofahrerin, die vor dem Fahrzeug des Angeklagten unterwegs war, angegeben, dass der Angeklagte durchaus zügig angefahren war. Von einer Blendung durch die Sonne, wie vom Angeklagten angegeben, hatte diese Autofahrerin nichts mitbekommen. Es habe bestes Wetter geherrscht, die Sicht sei nicht beeinträchtigt und die Straßen übersichtlich gewesen. Der Angeklagte hatte für den Unfall ansonsten keine Erklärung.
Ihm tue das alles leid, er wünsche dem Opfer, dass es "wenigstens so halbwegs wieder wird", sagte der junge Mann allen Ernstes.

Warum er beim Abbiegevorgang die falsche Seite der Verkehrsinsel wählte, konnte er bislang nicht erklären.