Schulwege im Landkreis Kulmbach: Was ist zumutbar?

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Mit dem Bus zum Unterricht: Die Fahrkarte muss die Familie eines Achtklässlers aus Kulmbach künftig selbst bezahlen.
Mit dem Bus zum Unterricht: Die Fahrkarte muss die Familie eines Achtklässlers aus Kulmbach künftig selbst bezahlen.

Ein Achtklässler aus Kulmbach verpasst die Drei-Kilometer-Grenze zum bezahlten Busticket so knapp, dass die Eltern beim Landkreis Widerspruch einlegen.

Eine Stadt, zwei Gymnasien mit unterschiedlichen Ausbildungszweigen. Und ein Junge, der das Caspar-Vischer-Gymnasium besucht und bisher vom Landkreis eine kostenlose Fahrkarte für den Schulbus bekam, jetzt ab der achten Klasse aber keinen Anspruch mehr darauf hat.

Der Grund: Der 13-Jährige hat mit dem sprachlichen Zweig eine Ausbildungsrichtung gewählt, die es auch am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium gibt, im Gegensatz zum ursprünglich geplanten Wirtschaftszweig, der nur am CVG angeboten wird. Fahrtkosten gibt es grundsätzlich nur, wenn die nächstgelegene Schule mit der angestrebten Fachrichtung mindestens drei Kilometer entfernt ist. Vom Elternhaus des Jungen zum CVG ist diese Voraussetzung erfüllt, zum MGF hingegen wird die magische Grenze mit nur 2,942 Kilometern ganz knapp verfehlt.

Die Eltern haben Widerspruch eingelegt, doch ganz überraschend kam das Fahrtkosten-Aus für sie nicht. Immerhin waren sie schon zu Beginn der 5. Klasse schriftlich darauf hingewiesen worden, dass im Fall eines Wechsels der Ausbildungsrichtung die Fahrt zum CVG nicht mehr bezahlt wird.

Gesetzgeber definiert exakte Grenzen

Dass die Familie, die anonym bleiben möchte, trotzdem auf einer nochmaligen Überprüfung besteht, liegt nicht an ihrer Uneinsichtigkeit, sondern an der Tatsache, dass ein Nachbarsjunge die Fahrt zum MGF bezahlt bekommt. Warum? Von seiner Haustür ist der Weg ein klein wenig weiter - ganz leicht über drei Kilometer. "Wenn es so knapp ist, kann man da nicht kulant sein und ein Auge zudrücken?", fragt der Vater.

"Nein", sagt Achim Geyer, Schulreferent am Landratsamt Kulmbach. Er stellt klar, dass es in dieser Frage leider keinen Ermessens-Spielraum gibt und die gesetzliche Vorgabe eingehalten werden muss: "Wir haben die Freiheit der Schulwahl, aber keinen Anspruch auf kostenlose Beförderung zur Wunsch-Schule."

Geyer sieht sich gelegentlich mit Kritik konfrontiert, es fehle nur am guten Willen für Sonderregelungen: "Tatsache ist, dass wir das Gesetz nicht machen, sondern ausführen. Unsere Ausgaben müssen Überprüfungen unserer Kontrollinstanzen standhalten: Würden wir in diesem Fall einfach die Fahrkarten bezahlen, wäre das schlicht rechtswidrig."

Ist der Weg besonders gefährlich?

Wie geht es nun mit unserer Kulmbacher Familie weiter? Aufgrund des Widerspruchs wird aktuell noch einmal geprüft, ob der Schulweg für den 13-Jährigen als besonders beschwerlich oder gefährlich einzustufen ist. Nur das würde eine Ausnahme rechtfertigen, so die zuständige Sachbearbeiterin im Landratsamt, Bianca Meyer.

Bleibt es beim Nein, geht der Widerspruch an die Regierung von Oberfranken zur nochmaligen Überprüfung. Was dort entschieden wird, das gilt - und wird auch von der Familie akzeptiert, versichern die Eltern.

Kommentar: Absolute Gerechtigkeit gibt's nicht

Wenn es um Schüler geht, ist der Landkreis Kulmbach gerne großzügig. Er investiert als Sachaufwandsträger in die Ausstattung seiner Schulen und er finanziert einen großen Teil der Kosten für die Schülerbeförderung. Wer darauf Anspruch hat, ist gesetzlich klar geregelt. Sind die Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt, gibt es keine Gratis-Busfahrkarten. Das hat nichts mit Nichtwollen, sondern schlicht mit Nichtdürfen zu tun.

Kleine Ungerechtigkeiten sind da freilich nicht zu vermeiden. Egal, wo die Messlatte hängt: Irgendwer ist immer knapp darüber oder darunter.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es zumutbar ist, dass der 13-jährige Gymnasiast vom CVG ans MGF wechselt. Der Weg dorthin ist kürzer als drei Kilometer, und damit spart der Steuerzahler Geld - in diesem Fall 308 Euro pro Jahr.

Dieser Schulwechsel ist natürlich ein rein theoretisches Denkmodell. Niemand wird ernsthaft erwarten, dass der Achtklässler, der sich am CVG wohlfühlt und dort seine Freunde hat, die Schule wechselt, nur um... - genau: auch keine Fahrtkosten erstattet zu bekommen!

Wenn man's genau nimmt, diskutieren wir in dieser Situation allerdings ein Luxus-Problem: Es gibt viele Länder, wo Schüler für uns unfassbare Belastungen und stundenlange Fußmärsche auf sich nehmen, um zur Schule zu kommen. Bei uns dagegen ist alles top organisiert und ziemlich bequem. Das ist unser Standard, selbstverständlich ist es aber nicht.

Egal, wie die Überprüfung des Falls nun ausgeht - ein Trost bleibt der Familie: Die Schwester des Schülers, die auch das CVG und einen nur dort angebotenen Ausbildungszweig besucht, bekommt weiterhin ihre Busfahrten bezahlt.

Das sollten Eltern wissen

Wir haben den oben geschilderten Fall des 13-jährgen Schülers zum Anlass genommen, bei Sachgebietsleiter Achim Geyer und der zuständigen Juristin Kathrin Limmer vom Landratsamt nachzufragen, wie die Schülerbeförderung im Landkreis geregelt ist. Wer hat Anspruch auf kostenlose Beförderung? Grundschüler, deren Schulweg zur nächstgelegenen Schule länger als zwei Kilometer ist, Schüler der 5. bis 10. Klassen, deren Schulweg länger als drei Kilometer ist. Nächstgelegen ist bei Pflichtschulen die Sprengelschule, ansonsten die Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit den geringsten Beförderungskosten erreicht werden kann. Gibt es Ausnahmen? Schüler, die wegen einer dauerhaften Behinderung auf eine Beförderung angewiesen sind, werden unabhängig von der Entfernung kostenlos befördert. Wie sieht es nach der 10. Klasse aus? Schüler ab der 11. Klasse haben keinen Anspruch auf Beförderung, aber auf die Erstattung der Schulwegkosten, die eine Eigenbeteiligung von 440 Euro pro Familie und Schuljahr übersteigen. Familien mit Kindergeldanspruch für drei oder mehr Kinder und Familien mit einem Anspruch auf Sozialleistungen werden die notwendigen Fahrtkosten in voller Höhe erstattet.

Wie viele Schüler bekommen Fahrkarten oder Erstattungen? Der Landkreis Kulmbach gibt aktuell etwa 2000 Fahrkarten aus. Darüber hinaus machen rund 300 Berechtigte Erstattungen geltend. Darf man sich aussuchen, ob man mit Bus oder Bahn fahren möchte, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt? Es muss grundsätzlich die kostengünstigste Lösung gewählt werden. Ist der Bus billiger als die Bahn, wird nur diese Fahrkarte ausgegeben. Müssen die Eltern jedes Jahr einen neuen Antrag stellen? Die Erfassungsbögen mit Antrag werden über die Schulen an neue Schüler verteilt. Ein neuer Antrag ist nur nötig, wenn sich Wohnort oder Schule ändern. Wer bezahlt die Kosten der Schülerbeförderung? 60 Prozent der Kosten trägt der Freistaat Bayern, den Rest der Landkreis Kulmbach als Sachaufwandsträger für die weiterführenden Schulen. Bei den Grund- und Mittelschulen entfällt dieser Anteil auf die jeweilige Kommune. Wer hilft bei Fragen? A nsprechpartnerin im Landratsamt ist Bianca Meyer, Telefon: 09221/707-247.