Schock, Reue und viele Tränen

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Eine junge Frau hat eine Mitbewohnerin geschlagen und dabei erheblich verletzt. Sie schildert ihre Tat als Überreaktion - und kommt mit Arbeitsstunden davon.

Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung: Es sind alles andere als Kleinigkeiten, die die Staatsanwaltschaft einer 18-Jährigen zur Last legt. Aber die junge Frau, die das, was sie getan hat, weder leugnet noch schön redet, sondern ganz offensichtlich aufrichtig bereut, findet einen milden Richter. Jugendrichter Christoph Berner stellt das Verfahren ein.

Was an jenem Septembertag in Kulmbach geschehen ist, ist zunächst einmal so ungewöhnlich nicht: In einer Wohngemeinschaft junger Frauen kommt es immer wieder einmal zu Auseinandersetzungen. Eifersüchteleien sind oft der Grund. Wer gerade mit wem gut kann oder eben nicht - das ist entscheidend für die Stimmung in dem Haus.

So auch in den Mittagsstunden des fraglichen Tages. Die Angeklagte unterhält sich auf der Treppe mit einer Mitbewohnerin.
Eine weitere junge Frau kommt dazu, möchte an der Angeklagten vorbei, die aber stellt sich ihr in den Weg, ein Wortwechsel entspinnt sich.

Dann eskaliert die Situation: Die 18-Jährige packt die andere an den Haaren, schubst sie. Das Opfer wehrt sich - nur Sekunden dauert der Vorfall, dann ist wieder Ruhe.

Am Abend freilich erfährt die 18-Jährige, dass die andere junge Frau sie anzeigen will. "Ich bin in Panik geraten", sagt sie unter Tränen vor Gericht. Eine Anzeige und damit womöglich einen Eintrag ins Führungszeugnis kann sie derzeit ganz und gar nicht gebrauchen, weil sie nach ihrem Schulabschluss ins Ausland will.

Sie geht ins Zimmer der anderen, um mit ihr zu reden. Fatal nur, dass sie die Tür abschließt - "damit sie wirklich mit mir redet und nicht wegläuft". So etwas gilt, auch wenn es nur wenige Minuten dauert, vor Gericht als Freiheitsberaubung.

Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Die 18-Jährige schubst ihre Mitbewohnerin aufs Bett, schlägt ihr wohl auch mit der Hand ins Gesicht. Als das Opfer um Hilfe ruft und durchs Fenster flüchtet, schlägt die 18-Jährige mit einem Schlüsselbund nach ihr. Ein Arzt stellt später deutliche Prellungen an der Schulter fest. Das wertet der Staatsanwalt als gefährliche Körperverletzung.

Sie sei selbst schockiert über ihr Verhalten gewesen, versichert die zierliche junge Frau vor Gericht mehrfach. "Ich hab mich vor mir selbst geekelt." Sie sei damals enttäuscht gewesen von ihrer ehemals guten Freundin, die sich seinerzeit offensichtlich besser mit anderen Bewohnerinnen der Wohngemeinschaft verstanden habe. Sie habe gehofft, die Angelegenheit im Gespräch klären zu können. "Wir haben sonst ja auch alles geregelt."

Der Schreck darüber, dass die Situation so eskaliert ist, ist der jungen Frau, die mittlerweile nicht mehr in Kulmbach wohnt, noch immer anzumerken. Sie hätte sich gerne bei ihrem Opfer entschuldigt, sagt sie. Die ehemalige gute Freundin habe allerdings weder auf eine SMS noch auf einen Brief reagiert.

Jugendrichter Christoph Berner schenkt der Angeklagten Glauben, nicht zuletzt deshalb, weil Stefan Fürst, Vertreter der Jugendgerichtshilfe, das Bild einer sehr sensiblen jungen Frau zeichnet, die im Leben schon einige schmerzhafte Erfahrungen hat machen müssen. Mit dem Einverständnis von Staatsanwalt Stefan Grawe stellt er das Verfahren vorläufig ein. Die 18-Jährige muss an ihrem neuen Wohnort bis Ende Mai 50 Arbeitsstunden ableisten. Tut sie das, muss sie nicht mehr fürchten, dass ein Eintrag ins Führungszeugnis ihre Pläne zunichte macht.