Ein positiver Test hat unser Familienleben ausgebremst. In der Quarantäne endet meine Freiheit am Gartenzaun.
In meiner Bewegungsfreiheit bin ich seit Tagen extrem eingeschränkt. Und damit habe ich, das muss ich zugeben, zuweilen zu kämpfen. Mein Spaziergang endet am eigenen Gartenzaun. Und wenn ich mir die Füße bei den eisigen Temperaturen mal vertrete, fühle ich mich wie das Pferd an der Lounge. Nach der fünften Runde ums Grundstück kehre ich lieber ins Haus zurück.
Meine Frau hat es erwischt
Ich bin mit meiner Familie in Quarantäne - wie es wohl schon Hunderte Familien seit Ausbruch der Pandemie im Landkreis Kulmbach waren, die viele Geschichen zu erzählen haben. Hier ist meine: Nicht mich oder eines unserer beiden Kinder, sondern meine Frau hat es erwischt. Oder doch nicht? Eine Frage, die uns seit Tagen umtreibt. Wir hatten Kontakt zu jemandem, der wiederum Kontakt zu einem Infizierten hatte. Testen lassen mussten wir uns also nicht. Wir wollten allerdings auf Nummer sicher gehen, denn meine Frau arbeitet in einer Zahnarztpraxis. Und Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste: Weiter tragen will man dieses Virus ja nicht. So haben wir uns also alle Vier freiwillig auf den Weg in die Abstrichstelle gemacht.
Der letzte Weg in Freiheit
Das war am 3. Februar. Es war mein bis dato letzter Weg in Freiheit. Als 14 Stunden nach dem Abstrich (der wird in Kulmbach zum Glück nicht durch die Nase, sondern im Rachen genommen) nachts um halb 2 die Testergebnisse auf dem Handy eintrafen, sind wir im Bett aufgeschreckt. Keiner hatte wirklich damit gerechnet, dass ein Befund positiv ausfallen würde.
Der zweite Test
Ob meine Frau Symptome hat? Nein, die hat sie zum Glück nicht. Und ich hoffe natürlich, dass das so bleibt. Ob sie sich wirklich infiziert hat? Wir haben unsere Zweifel. Und so hat meine Frau, in der Hoffnung, die Quarantäne doch noch umgehen oder zumindest verkürzen zu können, sich am Tag eins nach dem Test vom Hausarzt noch einmal einen Abstrich nehmen lassen. Mit dem zweiten PCR-Test folgte das zweite Ergebnis. Diesmal war es negativ.
Falsch positiv?
"Na was denn jetzt?", haben wir uns gefragt. War der erste Test falsch? Falsch positiv - gibt es das überhaupt? Es kann durchaus mal sein, dass ein PCR-Test ein falsch positives Ergebnis liefert, eine gesunde Person fälschlicherweise als infiziert einstuft. Das haben wir inzwischen erfahren. Doch welcher Abstrich bei meiner Frau jetzt falsch oder richtig war?
Neue Fragen, neue Antworten
Geholfen hat uns das zweite, negative Ergebnis nicht. Einmal positiv bleibt positiv. So ist das in Corona-Deutschland. Nichts wurde es mit einem zumindest vielleicht früheren Ende der Isolation. Dabei hat sich das Familienleben mit dem Gedanken, das womöglich doch kein Virus im Spiel ist, doch wieder etwas verändert. Wollen wir weiter auf Distanz gehen, beim Essen Abstand voneinander halten? In getrennten Betten schlafen? Wir mussten auf viele Fragen neue Antworten finden - und wir sind langsam wieder auf Tuchfühlung gegangen, im Glauben, dass man eine Übertragung ohnehin nur schwer verhindern kann, wenn man zu Viert unter einem Dach lebt.
Ohne fremde Hilfe geht nichts
Tag 12 der staatlich verordneten Quarantäne liegt inzwischen hinter mir. Und die Situation hat sich weiter entspannt. Am Sonntag, Tag 10 nach Test 1, durfte meine Frau aus der Isolation. Sie kann jetzt wieder raus ins richtige Leben, wenn man ein Leben im Lockdown überhaupt als solches bezeichnen kann. Sie kann das Grundstück verlassen, mit dem Auto zum Einkaufen fahren - und das ist schon was nach einer Zeit, in der man auf fremde Hilfe angewiesen war und dankbar sein konnte, dass gute Freunde und Verwandte die Bestellungen frei Haus vor die Tür geliefert haben.
Die Kinder leiden
Während meine Frau aufatmen kann, sitze ich mit den Kids weiter fest. Obwohl auch unser zweiter Corona-Test negativ war. Erst am Donnerstag, nach Tag 14 der Quarantäne, wird unsere Ausgangssperre aufgehoben. Bis dahin muss ich mich wie unsere beiden Kinder, die viel stärker unter der sozialen Abschottung leiden, noch gedulden.
Andere trifft es schlimmer
Ob man mit der Zeit nicht durchdreht, wurde ich in den vergangenen Tagen immer wieder gefragt. Man lernt damit umzugehen, habe ich geantwortet und darauf verwiesen, dass wir in unserer Familie schon viel schwerere Zeiten durchgestanden haben und froh sein können, dass keiner Symptome hat. Und dass es viele Menschen gibt, die gerade wirklich Schlimmeres durchmachen. Ich denke da an all die, die sich infiziert und schwere Krankheitsverläufe haben, an deren Angehörigen, die mit ihnen leiden, aber auch an die vielen Menschen, die aufgrund des Dauer-Lockdowns um ihre wirtschaftliche Existenz bangen. Nicht zu vergessen jene, die im sechsten Stock eines Mehrfamilienhauses in einer Wohnung ohne Balkon leben, zum Durchschnaufen nur das Fenster öffnen können. Da haben wir es noch gut, denke ich mir, auch wenn ich am eigenen Leib erfahren habe, dass ein einziger positiver Test einen gewaltigen Rattenschwanz nach sich ziehen, das Familienleben komplett auf den Kopf stellen kann.
Fürsorglich und freundlich
Wer jetzt denkt, ich hege einen Groll gegen das Gesundheitsamt, das die Quarantäne anordnet und kontrolliert, der irrt sich gewaltig, denn ich weiß, dass die Behörde an strikte staatliche Vorgaben gebunden ist. Hut ab vielmehr vor Herrn Vießmann, Frau Hübner, Frau Bauer, Frau Dippold, Frau Blumenstock und wie sie alle heißen, die sich fürsorglich und freundlich tagtäglich am Telefon nach unserem Gesundheitsstand erkundigt haben.
Das imaginäre Virus
Meine Quarantäne neigt sich nun dem Ende entgegen.Und es bleiben viele Fragen offen. Vor allem die, ob meine Frau sich wirklich infiziert hat und damit zumindest nun für eine gewisse Zeit immun gegen das Virus ist. Aufschluss darüber geben könnte ein Antikörpertest, der wohl erst in einigen Wochen Sinn macht.
Was ich in den 14 Tagen, in denen ich von der Außenwelt abgeschnitten war, wieder mal gelernt habe? Dass Covid-19 unser Leben bestimmt, auch wenn man keine Krankheitssymptome hat. Das imaginäre Virus, das mich noch bis Donnerstag am Gartenzaun ausbremst, ein Virus, das womöglich in unser Familie aber ja doch existent war.
Tja ein Fußballprofi stünde nach dem negativen Test wieder auf dem Platz.
Leider haben Sie den falschen Beruf.