Ein Radler hat nach dem tödlichen Unfall auf der B 303 die Unfallstelle fotografiert. Für die Feuerwehr ist das ein No-Go, für die Polizei pietätlos.
Was sich am Sonntagmorgen nach dem tödlichen Unfall bei Stadtsteinach am Straßenrand abgespielt hat, ist der Polizei und Feuerwehr ein Dorn im Auge. Ein vorbeifahrender Radler hat die Unfallstelle mit dem Handy fotografiert. Das sei pietätlos, sagt Polizei-Hauptkommissar Michael Ott. Von einen No-Go spricht der Kommandant der Stadtsteinacher Wehr, Manuel Steinl.
Diesmal kein Autofahrer
In Zeiten, in denen immer wieder über Gaffer berichtet wird, sieht man nicht selten Fernsehbilder, die Kraftfahrer zeigen, die langsam an einem Unfall vorbeifahren, um ihre Sensationslust zu befriedigen. In Stadtsteinach war es kein Autofahrer, sondern ein Radler, dessen Verhalten den Ordnungskräften und Feuerwehrkameraden sauer aufgestoßen ist. Ein Fall, über den auch RTL und Focus berichtet haben.
Radio gehört?
Während der Radler vor laufender Kamera darauf verweist, dass er mit dem Handy Radio gehört und nur den Sender gewechselt habe, sind sich Polizei und Feuerwehr sicher: Der Mann hat Bilder geschossen. Dass ein 21-Jähriger bei dem Unfall ums Leben gekommen sei, sei tragisch genug, betont Manuel Steinl. Es sei unpassend, davon Fotos zu machen, "die vielleicht im Internet veröffentlicht werden". Steinl: "Das verabscheuen wir zutiefst."
"Motivation verstehe ich nicht"
"Die Motivation solcher Leute verstehe ich nicht", pflichtet ihm Feuerwehr-Vorsitzender Jörg Geyer bei. "So was stößt uns sauer auf", erklärt Geyer, der von einer fadenscheinigen Ausrede des Radfahrers spricht: "Mehrere Leute haben gesehen, dass er das Handy zum Fotografieren quer gehalten hat."
Ob dem Radler Konsequenzen drohen? Der Mann habe die Einsatzkräfte nicht behindert, sagt die Polizei. Hätte er Unfallbeteiligte abgelichtet, hätte man eine Handhabe gehabt, so Hauptkommissar Michael Ott. Der Mann habe die Unfallstelle zwar fotografiert, aber nicht den Toten. Ott: "Die Leiche war von der Stelle auch nicht zu sehen." Da es noch noch kein verschärftes Gesetz gegen Gaffer gebe, müsse der Radler keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten. Zahlen muss er trotzdem. Und zwar 55 Euro. "Weil er das erste Foto geschossen hat, als er noch auf dem Rad war. Das ist eine Ordnungswidrigkeit."
Keine Beleidigung
Laut Ott war der Mann schwer zu beruhigen. Beleidigt, so hieß es, habe er aber weder Feuerkameraden noch Polizisten.
Es ist nur zu hoffen das dieser Herr einmal in die Lage kommt das er Hilfe braucht. Was würde er wohl sagen wenn mann ihn verletzt am Boden liegend Filmen oder Fotografieren würde ? Es müßten drastische Strafen für solche Gaffer geben und das Problem würde sich irgendwann von selbst lösen.
Niemand wurde verletzt und am Boden liegend gefilmt. Er hat das Auto fotografiert. Da auf Infranken teilweise zwanzig Bilder pro Unfall veröffentlicht werden, wirst du dich jetzt sicher hier abmelden, oder?
Was hat er denn dann eigentlich anders gemacht als der Pressefotograf? Außer dass er beim Fotografieren noch auf dem Rad war? Fotos vom Unfallwrack sind auch hier "im Internet" veröffentlicht worden. Ist das dann auch pietätlos? Er war weder handgreiflich, noch hat er Absperrungen überwunden oder Hilfskräfte behindert. Er hat sich dort legal aufgehalten. Pietätlos kann's ja nicht sein, sonst wären nicht ähnliche Fotos auch im Bericht erschienen. Sieht mir eher danach aus, als wolle man hier ein Informationsmonopol schaffen. Nur noch akkreditierte Fotografen dürfen Fotos von aktuellen Ereignissen machen.
Da sind Sie auf dem Holzweg: Wir als Medien haben einen Informationsauftrag. Wir veröffentlichen auch keine Fotos von Toten oder Verletzten. Und bei Unfällen ist niemand akkredidiert - das sind ja schließlich keine Events. Gaffer allerdings scheinen auch Unfälle als "Events" zu sehen. Bei der Frage geht's nicht um ein Informationsmonopol, sondern eher darum, dass es an Unfallorten zurecht "Spielregeln" gibt, an die sich unsere Kolleginnen und Kollegen halten. Daher werden auch wir von der Polizei über schwere Unfälle informiert. Gaffer dagegen fotografieren im Zweifelsfall "alles" und stehen vielleicht auch noch im Weg herum. Beste Grüße, Alexander Müller, Redaktionsleiter Bayerische Rundschau
"Wir veröffentlichen auch keine Fotos von Toten oder Verletzten."
Das hat der betroffene Radfahrer ja auch nicht gemacht, laut dem Bericht "Der Mann habe die Unfallstelle zwar fotografiert, aber nicht den Toten." Auch hat er die Rettungskräfte nicht behindert. Er hat sich also, wie Sie auch, an "die Spielregeln" gehalten. Hier wird genau das als pietätlos bezeichnet, was das täglich Brot eines Journalisten ist.
Dass das typische Gafferverhalten mit Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich ein NoGo ist, braucht wohl nicht diskutiert werden. Der Fall hier liegt allerdings anders. Und den klassischen Medien einen alleinigen Informationsauftrag zuzugestehen ist doch genau das, was ich kritisiere: Ein Informationsmonopol. In Zeiten von Blogs, YouTube und Facebook hat jeder die Möglichkeit und das Recht, andere zu informieren. Dass dies in geregelten Bahnen verlaufen sollte, die auch einen gewissen Schutz des Betroffenen sicherstellen, steht außer Frage.
Und damit noch einmal zu meiner Eingangsfrage: Wo liegt der Unterschied zwischen Pietätlosigkeit und Nachrichtenjournalismus? Was ist der Unterschied, wenn ein Journalist einen Beitrag auf Facebook verfasst im Gegensatz zu einem Beitrag von jemand, der keine journalistische Ausbildung genossen hat, _mit genau den gleichen Bildern_?