Vor zehn Jahren richtete der Orkan Kyrill auch im Landkreis Kulmbach massive Schäden an. Viele Waldbesitzer machten damals aus der Not eine Tugend.
Kyrill war einer der schwersten Stürme der vergangenen Jahrzehnte. Zehn Jahre ist es nun her, dass der Orkan, der es im Kulmbacher Land auf Windstärken von 160 Stundenkilometern brachte, in der Nacht vom 18. auf 19. Januar 2007 Schäden in Millionenhöhe verursachte.
Dächer abgedeckt, Straßen blockiert
Auch wenn der Raum Kulmbach damals im Vergleich zu anderen Gebieten verhältnismäßig glimpflich davon kam, gab es auch hier enorme Schäden. Dächer wurden abgedeckt, Stromleitungen zerfetzt, Straßen blockiert, der Zugverkehr stillgelegt. Am schlimmsten betroffen waren die Waldbesitzer vor allem im Stadtsteinacher Oberland, wo binnen weniger Stunden das zerstört wurde, was über Generationen aufgebaut und gepflegt worden war.
Nach Auskunft von Gerhard Lutz, Abteilungsleiter beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kulmbach, wurden von den 24 000 Hektar Wald, die es im Landkreis Kulmbach gibt, rund 100 Hektar beschädigt. 90 Prozent dieser Schadfläche sind in Privatbesitz.
Heute, zehn Jahre nach der Katastrophe, hat sich laut Forstoberrat Lutz wieder einmal gezeigt, dass jede Krise auch ein vielversprechender Neustart sein kann. Waldbesitzer sind nämlich gesetzlich verpflichtet, spätestens drei Jahre nach einem derartigen Schadensfall die betroffene Fläche wieder aufzuforsten. Setzt man auf Naturverjüngung, wie es mancherorts im Landkreis auch praktiziert wurde, erstreckt sich der Zeitraum über fünf Jahre. "Wir haben die Chance auf breiter Front genutzt", bilanziert Gerhard Lutz heute zufrieden, wohlwissend, dass der Neustart auch durch den Beratungsservice seiner Behörde forciert wurde.
Aus Monokulturen werden artenreiche Mischwälder
Vielen Waldbesitzern sei mittlerweile die Bedeutung eines naturnahen, nachhaltigen Waldbaus bewusst. Dementsprechend wurde gehandelt. Statt auf Monokulturen setzen nun selbst die meisten Privatbesitzer auf naturnahe, artenreiche Mischwälder mit unterschiedlich alten und unterschiedlich großen Bäumen, die auch besser mit den Herausforderungen des Klimawandels zurechtkommen. "Die Sturmhäufigkeit und -heftigkeit wird zunehmen. Das ist unbestritten. Deshalb sind stabile Waldflächen erforderlich, wie sie nur ein Mischwald bietet", erklärt Lutz.
Ziel der Wiederaufforstung der Schadflächen und des parallel dazu laufenden Umbaus durch das staatliche Förderprogramm "Waldstrategie 2020" war und ist ein strukturreicher, zugleich aber auch produktiver Wald. Das bedeutet jedoch keineswegs das Ende für die schnell wachsende Fichte, dem Brotbaum der vergangenen Jahrzehnte. Die Fichte wird weiterhin gepflanzt, aber im engen Verbund mit Buche, Lärche, Esche, Ahorn und Douglasie.
Letztlich entscheiden die Bodenbeschaffenheit und die Lage, was in die Erde kommt. Deshalb wurde in den vergangenen Jahren die Bodenfläche im Landkreis Kulmbach untersucht und kartiert. Herausgekommen ist eine "Pflanzkarte", mit der genau ermittelt werden kann, welche Bäume wo am besten gedeihen. Infos hierzu gibt es bei den Revierförstern. Gerhard Lutz rät, die Förderprogramme zeitnah zu nutzen, zumal sie derzeit finanziell gut ausgestattet sind.
"Viele sind bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen"
Als Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Kulmbach/Stadtsteinach war Theo Kaiser maßgeblich an der Beseitigung der von Kyrill verursachten Schäden vor allem in den Privatwäldern beteiligt. Wir haben mit dem Forstexperten gesprochen.
Über welchen Zeitraum erstreckten sich die Aufräum- und Wiederaufforstungsarbeiten?Theo Kaiser: Wenn man es genau nimmt, ist es ein Sechs- bis Zehn-Jahres-Projekt. Mit der zwei- bis dreijährigen Aufarbeitung und Aufforstung war es ja nicht getan. Hinzu kamen eine Borkenkäferplage und die jahrelangen Pflegemaßnahmen für die 445 000 Neuanpflanzungen, die teilweise bis heute andauern.
Sind alle von Kyrill beschädigten Flächen wieder hergestellt?Das muss man differenziert betrachten. Es gibt nämlich einige Privatleute, die große Flächen besitzen, aber nach Kyrill nichts unternommen und dem Wald sich selbst überlassen haben. Diese Wälder wurden dadurch um Jahre in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Die meisten Privatwaldbesitzer aber haben schnell reagiert, entweder selbst Hand angelegt oder die Waldbesitzervereinigung beauftragt. Viele haben auch die staatlichen Fördermöglichkeiten genutzt, um den Umbau der anfälligen Monokulturen hin zu stabilen Mischwäldern zu realisieren.
Welche Konsequenzen hat die WBV aus Kyrill gezogen?Ein derartiger Katastrophenfall war nicht vorhersehbar! Viele sind bis an die Grenzen der Belastbarkeit gegangen, um die Schäden zu beheben, zumal die WBV damals noch ein Ein-Mann-Unternehmen war. Bis zu vier Harvester waren im Einsatz. In der Folge haben wir personell aufgestockt und mittlerweile drei weitere Vollzeitstellen. Wir bieten nun quasi eine Rundumbetreuung.
Auch das Logistiksystem wurde angepasst.Was die Logistik und Absatzmärkte betrifft, haben wir uns breiter aufgestellt, arbeiten mit bis zu 40 Unternehmen aus der Region zusammen. Verträge werden längerfristiger geschlossen, beispielsweise mit unserem Großabnehmer. Auch halten wir nun einen Nasslagerplatz für bis zu 30 000 Festmeter Holz vor.
Würde die Aufarbeitung ähnlicher Schäden heutzutage schneller gehen?Kaum! Die einzige wesentliche Erleichterung wäre der Einsatz von Großhäckslern zum zügigen Aufarbeiten des Restholzes zu Hackschnitzeln. Damals lag das Holz zu lange im Wald, was auch die Ausbreitung des Borkenkäfers begünstigte.