Mit Dinos Hilfe: So erlebt Paul den ersten Schultag

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Stolz wie Oskar: Paul Zenker (rechts) mit seiner Dino-Schultüte. Für den Sechsjährigen aus Windischenhaig begann gestern an der Theodor-Heublein-Schule der Ernst des Lebens. Freund Jannes sitzt neben ihm in der Schulbank. Fotos: Jochen Nützel
Stolz wie Oskar: Paul Zenker (rechts) mit seiner Dino-Schultüte. Für den Sechsjährigen aus Windischenhaig begann gestern an der Theodor-Heublein-Schule der Ernst des Lebens. Freund Jannes sitzt neben ihm in der Schulbank. Fotos: Jochen Nützel
 
Klassenleiterin Luise Freihöffer mit den Abc-Schützen
Klassenleiterin Luise Freihöffer mit den Abc-Schützen
 
Die Bänke in der Turnhalle waren reserviert für die Neuankömmlinge.
Die Bänke in der Turnhalle waren reserviert für die Neuankömmlinge.
 
Draußen im Pausenhof nutzen die Mädchen das Pflaster für das gute alte Käsekästchen-Spiel. Das erste Herbstlaub liegt auch schon.
Draußen im Pausenhof nutzen die Mädchen das Pflaster für das gute alte Käsekästchen-Spiel. Das erste Herbstlaub liegt auch schon.
 
Die 1. Klasse an der Theodor-Heublein-Schule in Melkendorf
Die 1. Klasse an der Theodor-Heublein-Schule in Melkendorf
 
 
Die Zweitklässler singen den Abc-Schützen das Lied vom Zauberwald und der Hexe Mirola.
Die Zweitklässler singen den Abc-Schützen das Lied vom Zauberwald und der Hexe Mirola.
 
Angekommen: Paul (links) und Jannes an ihrem Sitzplatz.
Angekommen: Paul (links) und Jannes an ihrem Sitzplatz.
 
 
Blick ins Klassenzimmer
Blick ins Klassenzimmer
 
 
Der Moment der Einschulung wird aus allen Perspektiven in Bildern festgehalten.
Der Moment der Einschulung wird aus allen Perspektiven in Bildern festgehalten.
 
 
Pauls Dino-Schultüte
Pauls Dino-Schultüte
 
Klassenleiterin Luise Freihöffer hilft auch mal in die Jacke.
Klassenleiterin Luise Freihöffer hilft auch mal in die Jacke.
 
Daumen hoch für die Erstklässler: Lehrerin Luise Freihöffer
Daumen hoch für die Erstklässler: Lehrerin Luise Freihöffer
 

Paul Zenker (6) ist einer von 16 Abc-Schützen an der Theodor-Heublein-Schule in Melkendorf. Wir haben ihn begleitet.

Seine Augen tasten die Umgebung ab, wandern an der Schultüte des Sitznachbarn mit den Transformers-Blechmännern hoch und bleiben an dem Gesicht des Mädchens hängen, das ihm gerade mit einem Grinsen von Melkendorf bis Burghaig ein gebasteltes Lesezeichen hinhält. Paul bringt ein zaghaftes "Danke" hervor und beguckt sich das Geschenk der Zweitklässlerin: Eine Hexe ist drauf. Mirola heißt der Rotschopf mit den Zauberkräften. Mit der Figur in Form einer Handpuppe heißen Lehrerin Birgit Baumann, Schulleiterin Claudia Schmidt sowie die Schüler der zweiten Klasse den sechsjährigen Paul und 15 weitere Abc-Schützen in der Theodor-Heublein-Schule willkommen.


Kaum aufgeregt

Aufregung? Fast keine Spur bei Paul, dem ältesten Kind von Familie Zenker aus Windischenhaig. "Er war heute morgen schon früh wach und ruckzuck angezogen, weil er unbedingt los wollte", sagt Mama Corinna. Wo die kleine Schwester Helene geblieben ist? "Musste in den Kindergarten", tupft Paul hin und grinst. Es gibt Momente im Leben eines jungen Mannes, da sind Mädchen - sagen wir: eher hinderlich.

Papa Kay-Uwe übernimmt kurz vor dem Gang zur Begrüßung in der Turnhalle mal eben Pauls Schultüte. Da drin stecken enorme Kreativität und viel Arbeit mit Papier, Schere und Klebstoff. Und ein paar ganz persönliche Geschenke, die der Sohnemann später an diesem besonderen Tag entdecken darf.

Weil Paul sich für Dinos begeistert, ziert unter anderem ein Tyrannosaurus Rex die Hülle; hinter dem Koloss spuckt ein Vulkan Lava aus. Die Tüte ist erstaunlich schwer, wiegt fast so viel wie die (ebenfalls mit Dinos verzierte) Schultasche. Des Rätsels Lösung: Pauls Eltern haben als Geschenk zum Start ihrem Sohn einen richtigen Akkuschrauber eingepackt, weil er so gern bastelt und werkelt. Dazu gibt es, zu treuen Händen, einen Haustürschlüssel.


Computer in der Grundschule

Stolz wie Oskar trägt Paul seine Tüte durchs Schulhaus und die Treppe hoch, erntet ein "Wow, krass!" vom Mitschüler und setzt sich zusammen mit Kumpel Jannes, den er vom Fußballspielen kennt, in seine Bank. Während um ihn herum Eltern die Fotoapparate klicken lassen und sich mancher Erwachsene über die Computer im Nebenraum des Klassenzimmers wundert ("Machen die da schon was damit in der Grundschule?"), fixiert Blondschopf Paul wieder stumm seine neue Umgebung. "Er ist jemand, der sich erst alles aus der Distanz genau anschaut", weiß Corinna Zenker.

Aus diesem Grund hatte ihn die Familie auch nicht schon vor Jahresfrist eingeschult. Paul, im Oktober geboren, war ein so genanntes "Kann-Kind". Damals war er noch fünf. "Das wäre für ihn zu früh gewesen", sagt Kay-Uwe Zenker. "Man muss das aus der Sicht des Kindes sehen, und er war da noch sehr schüchtern", ergänzt seine Frau. Beide halten diese Handhabe der freien Entscheidung für sehr gut, schließlich kennen die Eltern ihre Sprösslinge am besten.


Eltern müssen raus!

Jetzt aber müssen die Erziehungsberechtigten das Feld räumen, zieht der Tross der Großen nach unten in die Aula, zu Kaffee und Gebäck und dem unausweichlichen Schreibkram. Allein im Zimmer, wispern die Jungen und Mädchen. Dann bittet Lehrerin Luise Freihöffer die 16 Mädchen und Jungen kurz um Aufmerksamkeit.

Sie spricht von Regeln, fordert die Schüler auf, sich gegenseitig zu helfen und im fairen Umgang miteinander Worte sprechen zu lassen statt Hände. So, wie es draußen vor der Tür ein Spruch des russischen Science-Fiction-Autors und Biochemikers Isaac Asimov verkündet: "Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen".

Luise Freihöffer fällt mit ihren langen, silbergrauen Locken auf. Ihr Ton ist ruhig, ihre Körperhaltung entspannt. Noch zwei Jahre, dann geht die Pädagogin in den Vorruhestand. Sie hat immer erste und zweite Klassen gehabt, unterrichtete bis auf wenige Jahre immer an der Theodor-Heublein-Schule. "Die Kinder sind im Laufe der Jahre eher unruhiger geworden, bedingt vor allem durch eine veränderte Mediennutzung", bilanziert sie rückblickend.
Und auch die Schülerzahlen seien immer weiter zurückgegangen: Eine 1. Klasse mit weniger als 20 Kindern, das habe es früher nicht gegeben. Die 16 Abc-Schützen in diesem Jahr werden wohl im kommenden nochmals unterboten, bestätigt Schulleiterin Claudia Schmidt. Mindestens 13 sind für die Bildung einer Klasse nötig.

"Wir werden da nächstes Jahr wohl rankommen, aber konkrete Zahlen lassen sich noch nicht nennen, unter anderem auch wegen mancher zurückgestellten Kinder." Für 2017 zeichnet sich aber wieder eine deutliche Steigerung ab.


Süßes für den Anfang

Die aktuellen Erstklässler freuen sich derweil über die süße Überraschung, die an jedem Platz liegt. "Ihr dürft heute ausnahmsweise mal im Unterricht essen", betont Luise Freihöffer. Das lassen sich Paul & Co. nicht zwei Mal sagen.

Die Kinder hängen an den Lippen der 62-Jährigen, als sie erzählt, warum an den Fenstern bunte Papierbilder kleben ("Die sollen verhindern, dass Vögel gegen die Scheiben fliegen"). Die Bilder stammen noch von der Vorgängerklasse; Paul und die anderen werden bald neue entwerfen.


Noch zurückhaltend

Die Pausenglocke reißt die Schüler aus ihren Gedanken. Schnell anziehen, raus ins Freie. Luise Freihöffer muss eingreifen, als ein Junge sich in seiner Strickjacke verfängt. Paul wartet geduldig, bis alle soweit sind. Drunten, im Pausenhof, herrscht schon ordentlich Betrieb. Mädchen klatschen sich beim Käsekästchen-Hüpfen ab, dabei wirbelt das erste Herbstlaub auf. Zwischen den Beinen kurvt ein Bub mit Kettcar umher.

Die Zenkers entdecken ihren Sohn auf einem Klettergerüst. Zu seinen Füßen rangeln ältere Grundschüler um einen Fußball. Es scheppert, als der ans Blechtor einer Garage knallt. Mitspielen? Hmmm. Paul überlegt, die Gedanken in seinem Kopf scheinen zu purzeln wie die Kugeln in einer Lostrommel. Er entscheidet sich erst mal für die Zuschauerrolle.

Nach dem Besuch des Gottesdienstes endet der erste Schultag um 11.20 Uhr. Paul steigt bei Mama und Papa ins Auto, ab heute wird er mit dem Bus fahren; die Haltestelle liegt direkt vor der Haustür. Die Schultüte übrigens hat der Sechsjährige mit Begeisterung ausgepackt. "Das Mittagessen war entsprechend schnell beendet", erzählt Mama Corinna lachend. Eine Hausaufgabe gab es auch schon: die eigene Schultüte malen. Pah. geschenkt. Paul bilanziert kurz und knapp: Der Tag war gut, der Akkuschrauber super. Und morgen? Logo, geht er wieder zur Schule. Auch wenn es keine Geschenke gibt.