Missbrauchsprozess in Bayreuth: Zeuge kennt keinen Sex-Opa

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Tausende Seiten füllen die Gerichtsakten im Prozess gegen einen 71-jährigen Mann wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs vor dem Landgericht Bayreuth. Verhandelt wird seit zweieinhalb Monaten - und ein Ende ist nicht in Sicht. Symbolbild: Daniel Karmann / dpa
Tausende Seiten füllen die Gerichtsakten im Prozess gegen einen 71-jährigen Mann wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs vor dem Landgericht Bayreuth. Verhandelt wird seit zweieinhalb Monaten - und ein Ende ist nicht in Sicht.  Symbolbild: Daniel Karmann / dpa

Vor der 1. Großen Strafkammer beschreibt ein Geschäftsfreund den Angeklagten als integer und gar nicht schlüpfrig. Aber taugen zwei Zeugenaussagen als gesichertes Alibi für einen Vergewaltigungsvorwurf im Oktober 2011?

Das ist wieder ein Prozesstag nach dem Geschmack der Verteidigung. Der Zeuge, der den Angeklagten (71) als "moralisch integeren Mann" bezeichnet, spricht Rechtsanwalt Johann Schwenn aus dem Herzen. Erneut sieht der Hamburger Starverteidiger am Dienstag seine Sicht der Dinge bestätigt: dass sein Mandant kein Vergewaltiger und Sex-Opa ist, dass die schweren Vorwürfe erfunden sind und dass die Tochter (48) des Angeklagten, dessen Ex-Frau und die beiden Enkelinnen lügen.

Der Zeuge ist von der neuen Ehefrau des Angeklagten und einem Mitarbeiter, die bereits für zwei andere Tatvorwürfe Alibis geliefert haben, bei ihren Recherchen entdeckt worden. "Wir haben versucht, wichtige Termine zu überprüfen", so der Mitarbeiter. Dieses Mal geht es den Privatermittlern um ein Datum im Jahr 2011. Laut Anklage soll der 71-jährige am 13. Oktober seine Tochter vergewaltigt haben.


Nichts Auffälliges bemerkt

An den Tag kann sich der Geschäftsfreund des Angeklagten gut erinnern - er sei zum ersten Mal in Kulmbach gewesen. Unter anderem habe man sich im italienischen Restaurant "Da Matteo" im Grünwehr getroffen. Das Abendessen zu fünft sei harmonisch gewesen. Der Tochter des Angeklagten sei nichts anzumerken gewesen. Nichts, das auf einen massiven sexuellen Übergriff kurz zuvor hingedeutet hätte.

Seit 15 Jahren unterhält der Mann auch private Kontakte zum Angeklagten. Als alleinerziehender Vater habe er dessen Ratschlag geschätzt und ihn als bodenständigen Menschen kennengelernt. Er habe bei gemeinsamen Treffen niemals "schlüpfrige Themen" angesprochen.


Im Phaeton vorgefahren

Der Zeuge will sich genau erinnern, dass ihn der Angeklagte an jenem Oktobertag um 18 Uhr beim Hotel "Dobrachtal" abgeholt habe. Mit einem Oberklasse-Leihwagen sei er vom Flughafen nach Kulmbach gefahren. Über die Ankunftszeit seines Chefs kann der Mitarbeiter etwas sagen. Es sei zwischen 15 und 16 Uhr gewesen, so der zweite Zeuge. Er sei, um den VW Phaeton zu besichtigen, eigens auf den Firmenparkplatz gegangen und habe anschließend bis zum Treffen beim Italiener ("Wir haben viel gelacht und uns gut unterhalten") allein in seinem Büro weitergearbeitet.

Ein lückenloses Alibi geben die beiden Aussagen aber wohl nicht her. Der Angeklagte macht von seinem Recht der Aussageverweigerung Gebrauch. Daher bleibt eine Reihe von Fragen unbeantwortet: Auf welchem Flughafen ist er gelandet? Ist er von Nürnberg oder von München nach Kulmbach gefahren? Was ist bis 18 Uhr passiert? Hätte die Zeit für einen Abstecher zum Wohnhaus der Tochter ausgereicht oder nicht?


Aussagen abgesprochen?

Rechtsanwalt Frank K. Peter, der die Nebenklägerin und Hauptbelastungszeugin vertritt, hegt den Verdacht, dass beide Aussagen abgesprochen sein könnten. Er bezweifelt, dass man bei gemeinsamen Treffen in den letzten Wochen nicht über den Prozess geredet hat.

Wie das Gericht wundert sich auch der Wormser Anwalt, dass die Zeugen nach vier Jahren sehr viele Einzelheiten noch wissen, jedoch andere wichtige Details gar nicht mehr auf dem Schirm haben. Als Peter den Mitarbeiter des Angeklagten an dessen Zeugenpflicht erinnert und ihn ermahnt, sich anzustrengen und nachzudenken, reagiert der Mann äußerst gereizt: "Sprechen Sie mich nicht so an!"

Der Verteidiger springt ihm gleich zur Seite und rügt die "richterähnliche" Ausdrucksweise des Nebenklagevertreters. Ferner beklagt sich Schwenn zum wiederholten Mal über die Rolle der Anklagebehörde: "Die Staatsanwaltschaft hat auch entlastende Ermittlungen zu führen. Das hat sie nicht getan." Und wer entlastende Hinweise gebe, werde als Zeuge zweiter Klasse behandelt. "Wenn man dem verantwortungsbewusst nachgegangen wäre, hätte man vielleicht gar keine Anklage erhoben und dem Angeklagten wäre vieles erspart geblieben", erklärt Schwenn.


Ende nicht in Sicht

Welche Dimension das Verfahren inzwischen angenommen hat, zeigt allein der Blick auf die Prozessdauer: Es wird bereits seit Mitte September verhandelt, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Strafkammer hat bis März eine Vielzahl weiterer Sitzungstage terminiert. Unter anderem ist geplant, die Tochter des Angeklagte ein drittes Mal zu vernehmen. Große Bedeutung kommt dem Glaubwürdigkeitsgutachten der Psychologin Gabriele Drexler-Meyer zu.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.