75 Jahre alt ist er inzwischen. Und kein bisschen amtsmüde. Doch die Gesundheit will es anders: Bürgermeister Gabor Penzes gibt vier Jahre vor Ende der Legislaturperiode im ungarischen Pilisszentivan seinen Posten ab.
Im Februar 2016 wird Penzes, der zwei schwere Operationen hinter sich hat, seinen Stuhl im Rathaus frei machen. Innerhalb der nächsten beiden Monate wird es dann in Pilisszentivan zu Neuwahlen kommen.
Seit Donnerstag ist der 75-Jährige zusammen mit Ehefrau Eva in Marktleugast zu Gast. Um sich von langjährigen Weggefährten der über 25-jährigen Partnerschaft zwischen beiden Gemeinden zu verabschieden - und sich zu bedanken. Dass er das jetzt schon tut, ist alleine den Witterungsverhältnissen und der weiten Anreise von über 800 Kilometern geschuldet.
Dass Gabor Penzes einmal zusammen mit dem früheren Marktleugaster Bürgermeister Manfred Huhs Geschichte schreiben würde, hat sich der ehemalige technische Leiter einer Baustofffirma in ungarischen Pilisvörösvar sicher nicht träumen lassen. Am 21.
Oktober 1988 ist es geschehen: Marktleugast und Pilisszentivan unterzeichneten mit Zustimmung aus höchsten Regierungskreisen als erste Kommunen überhaupt auf Gemeindeebene eine offizielle Partnerschaftsurkunde. Bis zu diesem Zeitpunkt war das allein wenige Städten in Deutschland und Ungarn vorbehalten.
Seit 1985 Bürgermeister
Angebahnt hatten die Beziehungen der inzwischen verstorbene Georg Bauer, der mit vielen anderen Ungarndeutschen in den Kriegswirren nach Oberfranken gekommen war. Die verwandtschaftlichen Beziehungen nach Pilisszentivan in der Nähe von Budapest sollten den Grundstock für Freundschaften bilden, die sich auch durch den Eisernen Vorhang nicht verhindern ließen und auf Vereinsebene mit Begeisterung getragen wurden.
1985 wurde Gabor Penzes in den Pilisszentivaner Gemeinderat und auf Anhieb zum Bürgermeister gewählt.
Wenige Jahre später traf er erstmals seinen Amtskollegen Manfred Huhs in Marktleugast. Ein Treffen, das das Leben beider Männer, aber auch die Gesellschaft beider Kommunen verändern sollte. Heute sind Penzes und Huhs beste Freunde - und das, obwohl keiner die Muttersprache des anderen perfekt beherrscht. "Die verstehen sich auch ohne Worte", sagt Eva Penzes und erinnert sich an einen der frühen Besuche in Ungarn, als die beiden Männer - bar jeglicher Sprachkenntnisse - alleine fast zwei Stunden am Plattensee spazieren gingen und miteinander "redeten"...
Dass Ungarn zur damaligen Zeit wirtschaftlich weit hinter der Bundesrepublik zurücklag, zeigte sich vor allem an der Infrastruktur: "Uns hat das Herz weh getan, als wir zum Beispiel all die schönen Straßen hier gesehen haben", erzählt Gabor Penzes. Die Marktleugaster sind den Pilisszentivanern damals mit vielen praktischen Geschenken zur Seite gesprungen.
Aber die Beziehungen waren nicht einseitig. Die menschliche Zuneigung und die enorme ungarische Gastfreundschaft begeistern die Oberfranken bis heute.
Enormer Bevölkerungszuwachs
Pilisszentivan ist inzwischen eine moderne ungarische Gemeinde, die unter der Leitung von Gabor Penzes Einrichtungen wie Schule, Kindergarten, Turnhalle, Haus der Begegnung, Straße und Plätze neu gebaut hat. Einem weiteren Bevölkerungszuwachs - die Einwohnerzahl ist in 25 Jahren um 900 auf inzwischen 4600 Menschen gestiegen - will man sogar Einhalt gebieten: "Sonst verlieren wird die Stimmung und Atmosphäre eines Dorfes", sagt Penzes.
Dass der heute 75-Jährige gut zwei Jahre nicht im Amt war, liegt daran, dass die Pilisszentivaner bei einer Wahl "auf das falsche Pferd gesetzt hatten", wie es Manfred Huhs formuliert.
Die Korrektur erfolgte bald.
Stolz ist der Bürgermeister, darauf, dass Pilisszentivan schuldenfrei ist. Stolz ist der 75-Jährige aber vor allem auf die Partnerschaft mit Marktleugast, die längst zu vielen individuellen Freundschaften geführt hat. Allein die Familien Penzes/Huhs haben sich inzwischen mehr als 150 Besuche abgestattet. Und an diesen Begegnungen soll sich auch künftig nichts ändern. "Ich fühle mich hier so gut wie zu Hause", betont Penzes.
Die Frage, was sein schönstes Erlebnis bei den Marktleugastern war, ist für den 75-Jährigen schnell beantwortet. Gleich zweimal haben sie den Ungarn so überrascht, dass es ihm beinahe die Sprache verschlug: mit der Verleihung der silbernen Bürgermedaille und mit der Auszeichnung mit dem Ehrenbürgerrecht, das auch Manfred Huhs seit 1993 in Pilisszentivan hat.
Wie es nach dem Abschied aus dem Rathaus weitergeht? "Dieses Amt war sein
Leben", sagt Eva Penzes. Angst, dass ihrem Mann die Decke auf den Kopf fallen könnte, hat sie trotzdem nicht. Zwei Kinder und vier Enkel werden das Ehepaar schon beschäftigen. Und dann ist ja da noch die Sache mit dem Sport. Am Fernsehgerät verfolgt Gabor Penzes seit Jahren viele Wettbewerbe - auch in Deutschland. Manfred Huhs weiß um diese Leidenschaft: "Die Bundesligavereine kennt er fast alle."
Der offizielle Abschied
Im Landgasthof Haueis hat sich Gabor Penzes am Donnerstagabend von seinen Marktleugaster Weggefährten offiziell verabschiedet.
"Ich hatte vor meiner Entscheidung viele schlaflose Nächte", sagte der 75-Jährige mit Tränen in den Augen und betonte, er wolle seine Laufbahn von beinahe 30 Jahren würdig abschließen.
Er halte es für ein besonderes, ja göttliches Geschenk, dass sich ab 1988 auch eine innige persönliche Freundschaft mit Manfred Huhs und dessen Frau Hannelore entwickelt habe. Penzes erinnerte ferner an den verstorbenen Georg Bauer.
Der Marktleugaster Bürgermeister Franz Uome lobte den Einsatz von Eva und Gabor Penzes. Seit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde am 16. Juni 1989 in Marktleugast sei eine "Ehe" entstanden, die unverändert lebendig sei und die beide Nationen Ungarn und Deutschland verbinde.
Vielseitige Kontakte
Vielseitig seien in den Jahrzehnten die Kontakte geworden - ob zwischen den Feuerwehren, Musikkapellen, Gesangvereinen, Chören oder auch Fußballern. Auch die Jugend sei ein wichtiges Element der freundschaftlichen Verbundenheit.
Für sehr wichtig erachtet es Uome, dass die amtierenden Bürgermeister und Gemeinderäte den Geist der Partnerschaft pflegen und die Idee der Gründerväter weitertragen als eine für Europa Beispiel gebende Verbindung.
Franz Uome regte an, Austausche auf allen Ebenen wie Kindergarten, Grund- und Mittelschule zu organisieren. Auch auf Vereinsebene sollten alle dazu beitragen, die Beziehungen weiter zu vertiefen.