Nach dem Aus des geplanten Dienstleistungszentrums in Thurnau zieht die Gemeinschaftspraxis von Dr. Volker Seitter und Anja Tischer in ein Holzhaus im neuen Baugebiet um. Auch Thurnauer Kollegen begrüßen die Investition, mit der die medizinische Versorgung in der Marktgemeinde gestärkt wird.
Was ist nicht alles diskutiert worden über das Gesundheits- und Dienstleistungszentrum, mit dem das frühere Bahnhofsgelände in Thurnau neu belebt werden sollte. Das Großprojekt war im Oktober 2013 endgültig geplatzt, nachdem sich die Sparkasse Kulmbach-Kronach - für viele überraschend - als Investor zurückgezogen hatte. Die beiden Mit-Initiatoren Dr. Volker Seitter und Anja Tischer, die mit ihrer Thurnauer Gemeinschaftspraxis in das Dienstleistungszentrum im Ortskern mit einziehen wollten, hatten für das Millionenprojekt gekämpft. Fast zwei Jahre nach dem Scheitern nehmen sie nun ihr eigenes Projekt in Angriff - ohne auf andere Investoren und Mieter Rücksicht nehmen zu müssen. Die beiden Mediziner ziehen mit ihrer Praxis von der Bürgermeister-Kleinlein-Straße in das neue Baugebiet auf dem früheren Areal der Firma Müller- Bau um - und werden damit direkte Nachbarn der BRK-Rettungswache. Die sollte einst auch im Dienstleistungszentrum eingerichtet werden und steht jetzt an der Kirschenallee
Umzug noch 2015 geplant
Der Rohbau für die Arztpraxis wurde in dieser Woche an nur einem Tag errichtet. "Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, den Standort Thurnau attraktiv zu halten", sagt Anja Tischer. Noch in diesem Jahr ist der Umzug in das einstöckige Holzhaus geplant, das mit einer Fläche von 270 Quadratmetern fast doppelt so groß sein wird wie die bisherige Praxis, die im Jahre 1995 eröffnet worden war.
Mit Facharzt-Sprechstunden?
Auch wenn aus dem Dienstleistungszentrum nichts geworden ist: Der Trend gehe hin zu größeren medizinischen Zentren, sagt Anja Tischer. Einzelpraxen seien nicht das Konzept der Zukunft. Und so hat sie in der Gemeinschaftspraxis mit Volker Seitter auch die Vision, dass Facharzt-Kollegen die Räume mit nutzen. "Wir können uns vorstellen, dass Fachärzte bei uns wöchentliche Sprechstunden abhalten", teilt Volker Seitter mit, der das Gebäude mit Anja Tischer mieten wird. Bauherren sind die Ehepartner Martina Seitter und Gunther Tischer.
Der Neubau wird barrierefrei sein. "Wir erstellen eine zukunftsfähige Arztpraxis", stellt Anja Tischer fest und verweist darauf, dass ein besonderes Augenmerk auch auf die Ökologie gelegt wird. Nicht nur, dass die Praxis in Holzbauweise erstellt wird.
Wie Diplomingenieurin und Innenarchitektin Martina Schwarz, die das Kulmbacher Büro "DenkmalRaum" betreibt, mitteilt, wird über eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach Strom erzeugt, mit dem auch das Praxis-Auto betrieben werden soll.
Ein Lob vom Kreisverband
"Auf alle Fälle sind solche Projekte wichtig , weil damit gerade bei der sinkenden Hausarzt-Dichte wieder ein Standort gesichert und für Patienten eine moderne Struktur geschaffen wird", sagt Maria-Luise Rasch, die Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes. Sie würdigt das unternehmerische Risiko. "Gerade in der jetzigen Situation kann nur die Flucht nach vorn der Verbesserung der hausärztlichen Versorgung dienen."
Auch von Thurnauer Medizinerkollegen wird das Vorhaben begrüßt. "Es ist schön, wenn sich junge Kollegen so engagieren", sagt Hausärztin Dr.. Gisela Leclerc, die damit rechnet, dass sich die Zahl der Praxen in der Marktgemeinde in naher Zukunft reduzieren wird. Auch sie sieht in dem Neubau ein Zeichen im Kampf gegen das Hausärzte-Sterben und für den Fortbestand der ärztlichen Versorgung auf dem flachen Land.