Wer bezahlt die Taxirechnung über 188,80 Euro für einen Krankentransport? Patient und AOK trafen sich am Dienstag vor dem Sozialgericht Bayreuth.
Wer bezahlt die Taxirechnung über 188,80 Euro für einen Krankentransport in der Neujahrsnacht von der Augenklinik Erlangen nach Kulmbach?
Wie berichtet, hat sich die AOK geweigert, die Kosten zu übernehmen. Auch der Patient - seinerzeit Schüler - möchte nicht bezahlen. Er lebt bei seiner Oma, die nur eine kleine Rente hat. Für die Taxikosten würde fast das halbe Monatsbudget des Haushalts draufgehen.
Wenn zwei sich streiten, muss im Rechtsstaat ein Dritter entscheiden. Für so einen Fall ist das Sozialgericht zuständig. Am Montag trafen sich die Parteien in Bayreuth. Es wurde ein kurzer Prozess.
Das ging ins Auge
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der junge Kulmbacher war in der Neujahrsnacht durch eine Silvesterrakete am Auge verletzt worden. Im Klinikum Kulmbach konnte man ihm nicht helfen. Deshalb wurde der 17-Jährige mit dem Rettungswagen in die Augenklinik nach Erlangen gebracht. Dort entfernten die Ärzte den Fremdkörper.
Wie sollte der Patient nun heimkommen? Die Großmutter hat keinen Führerschein, andere Angehörige oder Freunde waren früh um vier Uhr nicht greifbar. Ein klarer Fall für die Uniklinik: "Da der Patient minderjährig war, stellten wir einen Beförderungsschein für eine Taxifahrt nach Hause aus."
Doch so klar war der Fall nicht. Laut Krankenkasse hätte der Taxischein nicht ausgestellt werden dürfen. Das Sozialgesetzbuch fünf (SGB V) setze hier enge Grenzen, sagte ein Sprecher der AOK-Direktion Bayreuth-Kulmbach. Die Kosten für die Heimfahrt nach einer ambulanten Behandlung dürften nur in folgenden Ausnahmefällen übernommen werden: bei Schwerbehinderten mit Ausweis, bei Dialysepatienten, bei Chemo- oder Strahlentherapie.
Was keine Rolle spielte
Dass hier ein Verletzter, dazu noch minderjährig, mitten in der Nacht allein in Erlangen stand; dass er auf die Aussage der Ärzte vertraute und dass er (natürlich) die Bestimmungen des SGB V nicht auswendig kannte - all dies spielte keine Rolle.
Beim VdK Kulmbach wunderte man sich, dass die AOK keine Lösung gefunden hatte, um beiden Seiten gerecht zu werden. Daher riet VdK-Geschäftsführer Alexander Wunderlich zur Klage vor dem Sozialgericht: "Hier ist eine Lücke im Gesetz. Das sollte man gerichtlich überprüfen lassen."
Die Überprüfung dauerte nicht lange. Die 6. Kammer des Sozialgerichts Bayreuth hatte nur sieben Wochen nach Eingang der Klage gestern einen Termin zur Erörterung der Rechts- und Sachlage anberaumt. Bei der nichtöffentlichen Sitzung durfte die Presse nicht zuhören. Neben Richterin Stephanie Flechsig nahmen nur der jetzt 18 Jahre alte Kulmbacher und ein Vertreter der AOK-Direktion Bayreuth-Kulmbach teil. Nach 15 Minuten war schon wieder Schluss.
Die Richterin habe den Sachverhalt vorgetragen, berichtete der Kläger auf Anfrage. Dann sei sie zur Sache gekommen: "Sie hat mir geraten, die Klage zurückzunehmen. Nach dem Gesetz gebe es keine Möglichkeiten, die Kosten zu übernehmen. Es würde auch nichts bringen, das Krankenhaus zu verklagen." Deshalb habe er der Klagerücknahme zugestimmt, erklärte der junge Mann.
AOK: Rechtsauffassung bestätigt
Damit ist die Angelegenheit auch für die AOK erledigt. Pressesprecher Marko Ahrens von der AOK-Direktion Bayreuth-Kulmbach stellte fest: "Unsere Rechtsauffassung wurde bestätigt. Dieses Gesetz gilt nicht nur für uns, sondern für alle Krankenkassen."
Der Kläger hat seinerseits die Bezahlung der Taxirechnung geregelt. Er stottert die 188,80 Euro ab: "Ich habe mit dem Taxifahrer Ratenzahlung vereinbart."
Als ich die Zeitung aufschlug und las, dass die Verhandlung ganz kurz war, dachte ich: Klar, die AOK muss die Taxikosten übernehmen. Fakt ist doch: Die Augenklinik Erlangen fordert für einen Minderjährigen, der noteingewiesen wurde, eine Taxifahrt an. Alternative für die Klinik wäre gewesen, ihn stationär über Nacht aufzunehmen, was auch bestimmt angesichts des Befindens des jungen Mannes angebracht gewesen wäre. Die Klinik hat sich für die Taxifahrt entschieden, weil damit Kosten für die Krankenkasse gespart wurden. Denn bei stationärem Aufenthalt zahlt die Krankenkasse einen Tag KH-Aufenthalt +Taxifahrt nach Hause. Der junge Mann ist m.E. von der Richterin überrumpelt worden. Wozu haben wir denn ein Sozialgericht?
Ich möchte hier ja kein Rechenexempel statuieren, aber wegen 188,80 € dürfen sich Anwälte und Richter bedienen? Kein Wunder, dass die Krankenkassenbeiträge steigen (liegt bestimmt nicht nur daran), aber bei einer stationären Aufnahme stehen andere Beträge zur Diskussion.
Gesetz hin oder her - hier sollte man den Einzelfall und die Summe immer im Blick haben.
MfG