Kulmbacher Seniorin hat mit Glück Corona überlebt: Keine Kontrolle über den Körper

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Mit Video-Telefonaten via Tablet bleibt Ella Glenk mit ihrer Familie in Verbindung. Foto: Awo-Kreisverband
Mit Video-Telefonaten via Tablet bleibt Ella Glenk mit ihrer Familie in Verbindung. Foto: Awo-Kreisverband

Entgegen aller Prognosen hat Ella Glenk sich von einer schweren Corona-Erkrankung erholt. Die 87-Jährige hat einen Wunsch: dass alle das Virus ernst nehmen.

"Ich lag im Bett und hatte keine Kontrolle mehr über über meinen Körper. Das war schlimm. So etwas würde ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen." Dass Ella Glenk heute beschreiben kann, wie sie sich fühlte, als sie mit einer schweren Covid-19-Infektion auf der Intensivstation des Klinikums Kulmbach lag, ist ein kleines Wunder. Ärzte und Familie hatten kaum Hoffnung, dass sie überleben würde.

Dabei hat die Krankheit für die 87-Jährige scheinbar harmlos begonnen. Sie wird Anfang April positiv auf das Virus getestet und muss in Quarantäne. Zunächst ist das für die Seniorin, die damals noch in ihrer eigenen Wohnung lebt, nur ein wenig lästig. Sie verspürt leichte Symptome.

Um sich um ihre Mutter zu kümmern und sie zu versorgen, zieht Heidi Koblofsky, eine ihrer beiden Töchter, für diese Zeit zu ihr und begibt sich freiwillig mit in Quarantäne. Täglich meldet sich das Gesundheitsamt, um sich nach Ella Glenks Befinden zu erkundigen. Alles verläuft ohne Komplikationen.

Der Zusammenbruch kam plötzlich

Zum Ende der Quarantäne ein erneuter Test. Ergebnis: negativ. Die Infektion scheint ausgestanden. Doch einige Tage später dann wie aus heiterem Himmel eine schwere Krise: "Plötzlich ist meine Mutter komplett zusammengebrochen. Es war so schlimm, dass sie ins Klinikum musste, weil sie kaum noch Luft bekommen hat", erinnert sich Heidi Koblofsky.

Eine Woche wird Ella Glenk stationär behandelt. Dann kollabiert ihre Lunge. Sie wird auf die Intensivstation verlegt, muss intubiert werden. Die Herz-Lungen-Maschine atmet für sie.

Die Ärzte machen Heidi Koblofsky wenig Hoffnung auf Besserung. "Ich musste mich mit dem Gedanken abfinden, dass meine Mutter das Krankenhaus nicht mehr verlassen würde. " Die 67-Jährige erinnert sich noch genau an diese schweren Stunden. Ihre bis dahin noch recht vitale und lebensfrohe Mutter würde wohl an Corona sterben. Ihre Schwester Sabine, die in Ludwigshafen lebt, reist nach Kulmbach. Die Töchter wollen ihre Mutter noch einmal gemeinsam sehen, Abschied nehmen.

Vier Tage später die gute Nachricht, mit der niemand mehr gerechnet hat: Ella Glenk wird wieder auf die normale Station verlegt. Sie erholt sich, kann sogar wieder telefonieren. Ihr Zustand bessert sich soweit, dass sie das Krankenhaus verlassen und auf die geriatrische Station der Fachklinik Stadtsteinach verlegt werden kann. Sie bleibt jedoch auf ein Sauerstoffgerät angewiesen.

Für Ella Glenk ist nach dem Vorfall klar: Sie geht nicht zurück in ihre Wohnung, sondern zieht ins Seniorenheim. Sie entscheidet sich für die Karl-Herold-Seniorenwohnanlage der Arbeiterwohlfahrt, wo ihr Mann Otto, der 2018 verstarb, einige Jahre gelebt hat. Dort kennt sie die Mitarbeiter und auch einige Damen in ihrem Alter. Sie ist sich sicher: Dort wird sie gut aufgehoben sein und sich wohl fühlen.

Die Entscheidung fürs Pflegeheim hat die 87-Jährige nicht bereut. Sie blüht in der Einrichtung wieder auf, trifft sich im Café regelmäßig mit anderen älteren Damen zum Kaffeekränzchen.

Während Ella Glenk selbst die schwere Erkrankung überstanden hat, erlebt sie nun in der zweiten Infektionswelle mit, wie andere Senioren der tückischen Erkrankung erliegen. Die Karl-Herold-Seniorenwohnlage ist eines der drei Altenheime im Landkreis, wo sich viele Bewohner und Mitarbeiter infiziert haben. "Einige Menschen, mit denen ich hier viel Zeit verbracht habe, sind in den letzen Tagen gestorben. Auf einmal sind sie nicht mehr da. Das ist so traurig."

"Es fühlt sich furchtbar an"

Eine Infektion mit Covid-19 ist eine gefährliche Sache, weiß die Seniorin. Und es sei nicht einfach nur so, dass man sich krank fühle: "Es fühlt sich furchtbar an. Als ich krank war, da war ich richtig weg von der Welt. Ich habe zwar gesehen, dass Leute da sind und mit mir sprechen, aber ich konnte ihnen nicht antworten. Es ging nicht. Ich hatte keine Kontrolle über meinen Körper." Die Hilflosigkeit, nicht mehr atmen zu können, das sei eine grausame Erfahrung.

Wenn Ella Glenk liest oder hört, dass Menschen das Virus verharmlosen, die Infektion mit Grippe vergleichen und die strengen Kontaktverbote kritisieren, ist sie verärgert und besorgt zugleich. Und sie hat einen großen Wunsch: dass jeder Covid-19 ernst nimmt und sich und andere schützt, so gut es möglich ist.

Auch sie bedauert, dass sie keinen Besuch empfangen und auch innerhalb des Heims niemanden treffen kann. Aber das sei in der derzeitigen Situation nun einmal alternativlos: "Das, was ich durchgemacht habe, will ich nicht noch einmal erleben. Und auch andere sollen das nicht erleiden müssen."

Dankbar ist sie dafür, dass es ihr selbst wieder gut geht. Ihr mobiles Sauerstoffgerät braucht sie nur noch gelegentlich. Und ganz auf Kontakte zu ihren Lieben braucht sie nicht zu verzichten. Die Familie hat ihr ein Tablet besorgt und Videotelefonie eingerichtet: So kann sie täglich mit ihnen sprechen.

Tochter Heidi Koblofsky verzichtet auf Besuche im Heim, sieht ihre Mutter aber trotzdem. Deren Balkontür liegt auf einer von außen zugänglichen Straßenseite. "Wir unterhalten uns auf Distanz durchs Fenster. Da gehen wir kein Risiko ein und können uns trotzdem sehen."

Kommentar: Das Virus bekommt ein Gesicht

Seit einem Jahr beschäftigt uns das Corona-Virus. Erst ein Phänomen im fernen China. Dann plötzlich ganz nah: Menschen starben. Wir gewöhnten uns an Masken, an Kontaktbeschränkungen. Im Sommer dann eine leichte Entspannung. Ist der Spuk bald vorbei?

Ist er nicht! Das ist wohl inzwischen allen bewusst. Auch in Kulmbach schossen innerhalb kürzester Zeit die Infektionszahlen in die Höhe. Das Virus tötet täglich. Im Landkreis sind schon 63 Infizierte gestorben. Es werden noch mehr werden.

In drei unserer Altenheime ist die Corona-Lage so verzweifelt, dass wir die Hilfe der Bundeswehr brauchen.

Immer mehr von uns kennen jemanden, der einen geliebten Menschen an Covid-19 verloren hat. Da klingt es wie Hohn, wenn immer noch Unverbesserliche in die Welt posaunen, dass das Virus nicht gefährlicher ist als andere Erreger, dass die strengen Infektionsschutzmaßnahmen ungerechtfertigte Eingriffe in unsere Freiheit sind.

Ob jede Entscheidung der Politik der Weisheit letzter Schluss ist, darüber lässt sich streiten. Dass die Folgen des Lockdowns gravierend und für viele existenzbedrohend sind, darf nicht kleingeredet werden. Doch was ist die Alternative?

Geschichten wie die von Ella Glenk geben dem Virus ein Gesicht. Es ist nicht mehr anonym, nicht mehr weit weg. Es ist der hochansteckende Erreger einer Krankheit, die tötet und qualvoll leiden lässt. Jeden von uns kann es treffen. Aber wir können etwas tun, um das zu verhindern: uns an die Regeln halten! Je genauer das alle beherzigen, desto früher ist der Spuk vorbei.