Der Handwerksmeister ist von einem Ex-Anwalt und anderen Experten schlecht beraten worden und kassiert nun eine Strafe wegen Insolvenzverschleppung. Aber das Amtsgericht Hof meint es gut mit dem Angeklagten.
Wo hat dieser Mann noch überall mitgemischt? Wen hat er noch alles auf dem Gewissen?
Der Kulmbacher Ex-Rechtsanwalt, der sich vor der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Hof wegen schweren Betrugs verantworten muss, spielt auch in einem anderen Verfahren eine Hauptrolle. Die zweite Verhandlung findet am Mittwoch zeitgleich vor dem Amtsgericht Hof statt - im Sitzungssaal nebenan.
Dort geht es um einen Kulmbacher Metzgermeister, dem Insolvenzverschleppung vorgeworfen wird. Der 52-Jährige, der aus seiner Heimatstadt weggezogen ist und inzwischen in Baden-Württemberg lebt, hat Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, der ihn zur Zahlung von 6000 Euro verpflichtet hätte.
Forderung 1,8 Millionen Euro
Laut Staatsanwalt Matthias Goers hätte der Mann schon 2011 wissen müssen, wie es um sein Unternehmen - eine Kulmbacher Traditionsmetzgerei (seit 1778) - steht. "Als Geschäftsführer war Ihnen die desolate Lage bekannt", so der Staatsanwalt. Denn im Mai 2011 habe die Bank aufgrund ausgebliebener Zahlungen den Kreditvertrag gekündigt und ihre Forderungen in Höhe von 1,8 Millionen Euro fällig gestellt. Schließlich habe die Bank im März 2012 Insolvenzantrag gestellt - und nicht der Angeklagte.
"Vom Bauchgefühl habe ich Mitte 2011 gemerkt, dass es eng wird", räumt der 52-Jährige vor Gericht ein. Aber er habe sich darauf verlassen, dass er kompetent beraten wird - von einem Steuerberater, von einem Wirtschaftsberater, von einem auswärtigen Rechtsanwalt und von dem erwähnten Kulmbacher Juristen, der Investoren mit angeblichen Photovoltaikprojekten in Rumänien und Italien über den Tisch gezogen haben soll.
Die vier Berater, so der Handwerksmeister, hätten ihm versichert, es liege kein Insolvenzgrund vor. Und der angeklagte Ex-Anwalt habe sich um Investoren kümmern wollen. "Auf diese Zusagen habe ich vertraut", betont der Angeklagte.
Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich herausgestellt hat. Der Rechtsanwalt ist offenbar der Totengräber des Handwerksbetriebs mit zeitweise über 100 Beschäftigten gewesen. Wie auch im Parallelverfahren hat der 45-Jährige vollmundig viel versprochen, aber nichts gehalten.
"Will Schlussstrich ziehen"
Nachdem Richterin Claudia Siller andeutet, dass keinesfalls - wie vom Verteidiger Werner Brandl angeregt - eine Einstellung des Verfahrens in Betracht kommt, beschränkt der Angeklagte seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen. Damit ist der Schuldspruch klar, es geht nur noch um die Höhe der Strafe. "Damit endlich Ruhe ist", sagt der Handwerksmeister, "ich will einen Schlussstrich ziehen."
Auch der Staatsanwalt erkennt an, dass der 52-Jährige das Opfer einer Fehlberatung geworden ist. "Aber Sie waren der Verantwortliche und hatten Geschäftsführerpflichten. Man kommt um eine Verurteilung nicht herum", so Goers. Er reduziert seinen Strafantrag aber auf 60 Tagessätze mal 40 Euro.
Vorwürfe gegen Ex-Anwalt
Rechtsanwalt Brandl erklärt: "Mein Mandant hat sein gesamtes Vermögen durch das Wirken von Dritten verloren." Damit ist der Ex-Berater und Ex-Anwalt gemeint. Der Jurist habe "das Ding vor die Wand gefahren" und sich obendrein an den Einnahmen des Handwerksbetriebs bereichert. Auf dessen Aussage als Zeuge könne man verzichten. Er habe ihn in dem anderen Prozess erlebt, so Brandl: "Er schiebt die Schuld immer auf die anderen."
Der Verteidiger spricht sich für eine Bestrafung "an der untersten Grenze" aus. "Die Schuld meines Mandanten ist gering. Er hat alles verloren und ist dabei, beruflich neu Fuß zu fassen."
"Es war eine harte Zeit", erklärt der Angeklagte in seinem Schlusswort und sagt zur Richterin: "Ich lege mein Schicksal in Ihre Hände."
"Da liegt es gut", meint Siller - und lässt ihrer Ankündigung ein mildes Urteil folgen: 40 Tagessätze mal 40 Euro, also 1600 Euro. Dabei habe sie die Fehlberatung, die persönliche Krise und die lange Dauer des Verfahrens berücksichtigt, so die Richterin.
Die Entscheidung ist bereits rechtskräftig. Der 52-jährige Angeklagte nimmt das Urteil an, und der Staatsanwalt verzichtet auf Rechtsmittel.
"Über den Tisch gezogen worden"
Der Metzgermeister ist froh, dass nun ein endgültiger Schlussstrich unter das Kapitel gezogen worden ist und verabschiedet sich mit den Worten: "Wenn ich gewusst hätte, wie es um die Metzgerei steht, hätte ich den Betrieb im Jahr 2001 nie von meinem Vater übernommen. So bin ich noch nie über den Tisch gezogen worden."