Trotz vieler Vorzüge, die er in einer Dienstpflicht sieht, beschleichen den Geschäftsführer Zweifel an der Umsetzung. Das liege zum einen an der gesetzlichen Vorgabe, die es zu ändern gilt (siehe Infokasten), zum anderen an einem oft unterschätzten Umstand: "Wenn für junge Männer und Frauen eine einjährige Dienstpflicht im gemeinnützigen Bereich kommt, dann fehlt logischerweise vielen anderen Ausbildungsrichtungen in der Wirtschaft oder im Handwerk auf einen Schlag ein kompletter Jahrgang."
Im Tierheim schwierig
Nicht wenige der potenziellen Diensthabenden gaben bei einer Umfrage an, sie wünschten sich einen Einsatz im Tierschutz. Ob das Kulmbacher Tierheim in Ködnitz dafür in Frage käme?
"Eher nicht", sagt Leiterin Susi Schilling. Ein Grund: die späten Öffnungszeiten. "Wir haben nicht die klassische 8-bis-16-Uhr-Spanne, sondern machen erst um 17.30 Uhr auf. Ich könnte einen Interessenten gar nicht den ganzen Tag über beschäftigen. Das wäre bei uns eher eine Halbtagsstelle, aber ob die die Kriterien erfüllte?"Sie könnte sich aber vorstellen, dass größere Einrichtungen wie etwa die Tierheime in Nürnberg oder München solche Angebot unterbreiten könnten. Sinnvoll sei eine Arbeit im Tierschutz allemal.
Hohe Hürden für Verfassungsänderung
Vorschlag Der Vorstoß aus Kreisen der CDU sieht eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer ab 18 Jahren nach dem jeweiligen Schulabschluss vor - entweder in der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung. Vor sieben Jahren wurde die Wehrpflicht unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt. Widerspruch Rechtswissenschaftler sehen hohe gesetzliche Hürden. Der Vorschlag sei in seiner vorgestellten Form verfassungswidrig, da in der Vergangenheit die Dienstpflicht immer gekoppelt war als Ersatz für die Wehrpflicht, also als Pflicht für die sogenannten Kriegsdienstverweigerer. Gesetz: Die Wehrpflicht regelt Artikel 12a im Grundgesetz. Danach können alle Männer mit 18 Jahren zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. Für eine Dienstpflicht, wie von Unionspolitikern gefordert, müsste zwingend eine Verfassungsänderung her. Dafür ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.
Übrigens: Soziale oder ökologische Dienst zählen in die genannten Dienste überhaupt nicht mit rein, sie müssten daher neu definiert werden.
Kommentar von Katrin Geyer
Lieber Belohnung als Verpflichtung Dienst für die Gemeinschaft? Ja! Aber keine Pflicht!
Wann immer Menschen in die Pflicht genommen werden, regt sich bei einigen von ihnen Gegenwehr. Dass eine Harmonie herzustellen wäre zwischen Pflicht und Neigung - das bleibt auch weit mehr als 200 Jahre nach Friedrich von Schillers Schrift "Über Anmut und Würde" eine schöne Utopie.
Wer aber in die Pflicht genommen wird, etwas zu tun, ohne die Neigung dazu zu verspüren, wird das, was er tun soll, nur mit halbem Herzen tun. Zu Lasten derer womöglich, die in Altenheimen oder Behinderteneinrichtungen mit nur wenig motivierten Dienst-Verpflichteten zu tun haben.
Freilich kommt unsere Gesellschaft ohne freiwilliges (!) Engagement längst nicht mehr aus. Gesellschaftlicher Reichtum ist nicht gleichzusetzen mit dem durch Erwerbsarbeit und Kapital geschaffenen Bruttosozialprodukt.
Aber warum nicht Menschen für den Dienst an der Allgemeinheit motivieren, indem man Anreize schafft und Belohnungen verspricht? Warum soll ein junger Mensch, der sich über Jahre hinweg im Schulsanitätsdienst engagiert hat, nicht einen Bonus bekommen bei der Bewerbung um einen Studienplatz? Warum soll man einer Mutter, die die Familienzeit nicht nur zur Kindererziehung nutzt, sondern sich nebenbei auch im Besuchsdienst im Altenheim engagiert, nicht ein paar Rentenpunkte zusätzlich gutschreiben?
Möglichkeiten, den Menschen, die der Gesellschaft etwas geben, auch etwas zurückzugeben, gäbe es viele: Rabatte bei Versicherungen, Vorteile bei der Vergabe öffentlich geforderter Wohnungen....
Ansätze, wie so etwas zu bewerkstelligen wäre, liefert die Wissenschaft. Soziologen und Publizisten haben sich schon vor der Jahrtausendwende mit der Frage beschäftigt, wie aus unserer Arbeits- oder Erwerbsgesellschaft eine "Tätigkeitsgesellschaft" werden könnte. Nachzulesen bei Ulrich Beck, Hermann Glaser und anderen. Von einer Verpflichtung zum Engagement ist dort nicht die Rede.