Kulmbacher Ex-Anwalt: Die Katze lässt das Mausen nicht

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Hat nach seiner Haftentlassung offenbar mit seinen zwielichtigen Geschäften munter weitergemacht: der in Hof wegen schweren Betrugs angeklagte Ex-Anwalt aus Kulmbach, hier zusammen mit seinen Verteidigern Walter Bagnoli (links) und Stephan Scherdel (rechts). Foto: Stephan Tiroch
Hat nach seiner Haftentlassung offenbar mit seinen zwielichtigen Geschäften munter weitergemacht: der in Hof wegen schweren Betrugs angeklagte Ex-Anwalt aus Kulmbach, hier zusammen mit seinen Verteidigern Walter Bagnoli (links) und Stephan Scherdel (rechts). Foto: Stephan Tiroch

Ganz schön dreist: Der Jurist, der am Landgericht Hof wegen schweren Betrugs angeklagt ist, hat nach der Untersuchungshaft offenbar munter weitergemacht mit seinen zwielichtigen Geschäften.

Wie nennt man es, wenn jemand von einer schlechten Angewohnheit nicht ablassen kann? Die Katze lässt das Mausen nicht - ein Sprichwort, das offenbar das Verhalten eines Ex-Rechtsanwalts aus Kulmbach ganz gut beschreibt, der am Landgericht Hof wegen schweren Betrugs angeklagt ist. Er soll eine Reihe von Investoren mit Photovoltaikprojekten in Rumänien und Italien abgezockt und über eine Million Euro ergaunert haben.


Zehn Monate Untersuchungshaft

Als der Millionenschwindel im November 2013 aufgeflogen war, wurde der 46-Jährige festgenommen und saß zehn Monate in Untersuchungshaft. Kaum auf freiem Fuß, hat er - ganz schön dreist - offenbar munter weitergemacht mit seinen zwielichtigen Geschäften. Am Rande des langwierigen Prozesses vor der Wirtschaftsstrafkammer kam am Montag zur Sprache, dass erneut Anzeigen gegen den Ex-Anwalt vorliegen und Ermittlungsverfahren gegen ihn laufen.

Einmal soll er, obwohl er nach eigenem Bekunden seine Zulassung zurückgegeben hat, wieder als Rechtsanwalt aufgetreten sein. "Bei uns gibt es ein Verfahren wegen Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen. Die Ermittlungen laufen noch", bestätigte Leitender Oberstaatsanwalt Herbert Potzel, Bayreuth. Allerdings sei der Verstoß im Vergleich zu den in Hof angeklagten Taten geringfügig.


Anzeige wegen Untreue

Ferner geht es in einer Anzeige um Untreue und Betrug. Der Angeklagte, dem eine mehrjährige Haftstrafe droht, ist angeblich im Januar 2015 erneut als Rechtsanwalt tätig geworden und hat einen Kulmbacher gegenüber einer Versicherungsgesellschaft vertreten. Dabei soll er einen Betrag von 30.000 Euro als Schadensersatz und Schmerzensgeld ausgehandelt haben. Davon habe er aber 22.000 Euro für sich abgezweigt und dem "Mandanten" nur den kleineren Teil zukommen lassen. Vorsitzender Richter Matthias Burghardt hat den neuerlichen Geschädigten als Zeugen geladen.

Auf dem Gerichtsflur hört man ferner von windigen Immobiliengeschäften des Ex-Anwalts. Dabei ist es mutmaßlich nicht mit rechten Dingen zugegangen.


"Hässliches Wort"

Und viertens teilte der Kammervorsitzende mit, dass eine vom Angeklagten nach der Haftentlassung gegründete Share Invest GmbH pleite ist. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens in Bayreuth, so Burghardt, "taucht das hässliche Wort Insolvenzverschleppung auf". Wenn dies zutrifft, dann ist es wieder ein Fall für die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Hof, sagte Leitender Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt.

In dem aufwendigen Verfahren selbst wurden am Montag erstmals Geschädigte gehört. Ein Müllermeister und drei Landwirte aus Baden-Württemberg hatten eine über vierstündige Anreise nach Hof.


Der Müllermeister und das Mehlwurmorakel

Dem Bauern ordnet man gern die Eigenschaft zu, er sei schlau. Und über die Schwaben sagt man, sie könnten von allen deutschen Stämmen am besten mit Geld umgehen. Wenn beide Weisheiten stimmen, müsste ein schwäbischer Bauer demnach eine unschlagbare Kombination sein.

Doch hier irrt der Volksmund. Den Beweis traten drei Landwirte aus Baden-Württemberg an, die vor der Wirtschaftsstrafkammer Hof als Zeugen aussagten. Sie waren 2013 auf die Versprechungen des Kulmbacher Ex-Anwalts hereingefallen.

Ein Müllermeister, wie die Bauern in der Nähe von Tübingen beheimatet, war im Internet auf den Angeklagten gestoßen. Dort wurden dessen Fähigkeiten als Finanzier von Photovoltaikanlagen gepriesen. Ein kurzer Kontakt (wer zuerst kommt, mahlt zuerst) und ein paar Gespräche reichten aus, dass sich der Müllermeister sicher war, es mit einem Phänomen zu tun zu haben. Er überzeugte die drei Landwirte, eine GbR (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) zu gründen und gemeinsam in Rumänien zu investieren, wo für 68 Millionen Euro ein 50-Megawatt-Projekt entstehen sollte.


Traumhafte Renditen

In der Branche scheint es traumhafte Renditen zu geben, so dass es die wackeren Bauern nicht schreckte, hohe Kredite aufzunehmen. Sie verschuldeten sich, um dabeisein zu können: einer mit 105.000 Euro, zwei mit 165.000 Euro. Der Müller brachte 90.000 Euro ein. Als Sicherheit versprach ihnen der Ex-Anwalt, dass ihre 525.000 Euro über eine Grundschuld abgesichert würden. Dazu zeigte er ihnen ein Areal am Bindlacher Berg, das angeblich ihm gehöre und als Bauerwartungsland einige Millionen Euro wert sei. Dass er das Investorengeld, wie es in der Anklageschrift heißt, für sich selbst verwenden würde, sagte der Kulmbacher nicht.

Leichtgläubig verließen sich die Landwirte auf die Expertise ihres Kompagnons von der Müllerzunft, der stets die Verhandlungen führte. Er berief sich unter anderem darauf, dass er das angedachte Areal in Rumänien besichtigt hatte. "Was hatten Sie konkret?", fragte der Richter, um selbst die Antwort zu geben: "Sie haben einen Acker besichtigt und beim Bürgermeister Kaffee getrunken." Er sei davon ausgegangen, "dass alles läuft", sagte der Müllermeister. So gesehen, hätte er auch das Mehlwurmorakel befragen können.

Das Geld ist weg, GbR und Freundschaft sind zerbrochen. Die Bauern verklagten den Müllermeister in ihrer Heimat auf Rückzahlung ihres Kapitals und warten auf den Richterspruch. Dass sich der Ex-Anwalt im Hofer Gerichtssaal entschuldigt und versprochen hat, den Schaden wieder gutzumachen, dürfte die Geschädigten nicht trösten. Die Existenz ihrer Betriebe ist gefährdet, einer hat sogar Depressionen bekommen.

Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Mit dem Urteil ist Ende Oktober zu rechnen.