Kulmbacher Anwalt macht Rechtsgeschäfte nach Gutsherrenart

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Der angeklagte Kulmbacher Ex-Anwalt im Gespräch mit seinen beiden Verteidigern, Walter Bagnoli (links) und Stephan Scherdel. Foto: Stephan Tiroch
Der angeklagte Kulmbacher Ex-Anwalt im Gespräch mit seinen beiden Verteidigern, Walter Bagnoli (links) und Stephan Scherdel. Foto: Stephan Tiroch

Im Prozess wegen Anlagebetrug wird der angeklagte Ex-Anwalt befragt. Schlüssige Erklärungen hat der Kulmbacher nicht zu bieten, er legt sich lieber mit dem Richter an.

So ein Richter hat es auch nicht leicht. Vor allem dann nicht, wenn er einen Angeklagten zu befragen hat, der selbst Jurist ist und gerne weit ausholt, um seine Sicht der Dinge darzustellen. "Reden Sie nicht wolkig und schaumschlägerisch. Das bringt uns nicht weiter", sagt der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer Hof, Matthias Burghardt, zu dem Kulmbacher Ex-Anwalt, der wegen Anlagebetrug angeklagt ist.

Am zweiten Prozesstag muss Burghardt Schwerstarbeit verrichten. Er geht am Mittwoch Punkt für Punkt die Verträge durch, die der Hauptangeklagte mit Investoren abgeschlossen hat, die in Photovoltaikanlagen in Rumänien und Italien investieren wollten und über eine Million Euro verloren. Aufgabe des Gerichts ist es, ein internationales Firmen- und Vertragsgeflecht zu entwirren mit Beteiligten aus Kulmbach und halb Deutschland, aus Spanien, Rumänien, Italien, England und womöglich noch mehr Ländern.


Schuld sind die anderen

Der angeklagte Drahtzieher kann für keinen der acht Betrugsfälle eine schlüssige und nachvollziehbare Erklärung liefern. Er versucht, die Schuld abzuwälzen: auf einen spanischen Finanzjongleur, auf einen Mitarbeiter, der die Darlehen hätte prüfen sollen, oder auf den mitangeklagten Ex-Praktikanten. Den hat er wohl nur als "Strohmann" (Zitat Burghardt) gebraucht und deshalb als Geschäftsführer der Invest GmbH eingesetzt.

Der Richter weist den Ex-Anwalt immer wieder darauf hin, dass er die Verträge unterschrieben und den Anlegern versichert hat, dass die Millionen kommen werden, wenn sie fünf Prozent der Gesamtinvestitionssumme - teilweise über 100 Millionen Euro - anzahlen. Teilweise seien die Verträge schlecht gemacht. "Ein Anwalt hätte das dreimal wissen müssen", sagt der Richter und macht keinen Hehl daraus, was er von den fachlichen Qualitäten des Angeklagten hält. Der 45-Jährige hat offenbar Rechtsgeschäfte nach Gutsherrenart gemacht. Fazit des Richters: Der Anwalt habe mit seinem Verhalten auch dazu beigetragen, das besondere Vertrauen, das Rechtsanwälten entgegengebracht wird, zu zerstören.


"Nicht im Gerichtsfernsehen"

Es geht zäh voran. Statt präzise zu antworten, legt sich der Angeklagte wiederholt mit dem Vorsitzenden an. Auf Vorhalt des Richters, dass ein Vertrag "fingiert" aussehe, schimpft der Ex-Anwalt: "Eine Frechheit." Und handelt sich einen Rüffel ein: "Sie haben sich selbst als fähigen Rechtsanwalt beschrieben. Dann müssten Sie wissen, dass sie so was nicht zum Vorsitzenden sagen können. Wir sind nicht im Gerichtsfernsehen", so Burghardt, der den Ex-Anwalt seinerseits auffordert, solche "Frechheiten" zu unterlassen.

Mit den meisten Aussagen des Angeklagten ("In Rumänien geht es hoch her, ein Tohuwabou, ein absolutes Chaos") kann das Gericht nicht viel anfangen. Dafür entlarvt sich der Hauptangeklagte, als er zugibt, dass er in der Invest GmbH das Sagen gehabt hat und nicht der Geschäftsführer.


Kommt doch ein Geständnis?

Bei der Strategie ihres Ex-Kollegen ist allem Anschein nach auch den beiden Verteidigern nicht wohl. Rechtsanwalt Walter Bagnoli erklärt nach einer Pause, dass man mit dem Mandanten "eindringliche Gespräche" geführt habe. Der Verteidiger kündigt an, dass man bis zum nächsten Prozesstag einiges zu besprechen habe.

Möglicherweise werde es am Montag eine Erklärung geben. Vielleicht doch ein Geständnis, um die Sache abzukürzen und für den Angeklagten einen Strafrabatt zu erreichen? Denn es steht eine mehrjährige Freiheitsstrafe im Raum.

Nächste Woche sind auch die ersten Zeugen geladen. Besonders gespannt darf man auf die Geschädigten sein. Was müssen das für Investoren sein, die die Worthülsen des Ex-Anwalts geglaubt und auf seine vagen Versprechungen hin enorme Summen überwiesen haben?


Mehr Leichen im Keller?

Nicht gut auf den Kulmbacher Angeklagten zu sprechen sind nicht nur die Investoren, deren Fälle aktuell vor der Wirtschaftsstrafkammer Hof aufgerollt werden. Offenbar pflastern noch mehr Leichen den Weg des Ex-Anwalts. Mehrere Geschädigte verfolgen den Prozess im Gerichtssaal.

Eine Frau gibt an, 70.000 Euro bei einem anderen Solar-Projekt des Angeklagten verloren zu haben. Er habe, so ein anderer Zuschauer, den Ex-Anwalt als Prozesshansel erlebt und die Erfahrung mit fast 4000 Euro bezahlt. Der Mann weiter: "Wenn alle Geschädigten von dem Prozess wüssten, wäre der Gerichtssaal voll."