Erstmals in der Amtszeit von OB Henry Schramm werden 2016 neue Schulden gemacht. Aber Kulmbach streckt sich nach der Decke, um mit möglichst wenig eigenem Geld große Projekte und insgesamt 52 Millionen Euro zu bewegen.
Das ist eine Zeitenwende im Kulmbacher Stadtrat - erstmals in der Amtszeit von OB Henry Schramm werden nächstes Jahr neue Schulden gemacht. Für die Nettoneuverschuldung von 4,9 Millionen Euro gibt es Investitionen auf Rekordniveau: 52 Millionen Euro - so viel hat die Stadt noch nie für ihre Projekte eines Jahres eingeplant.
Das Müller-Prinzip gilt
Es gilt das Müller-Prinzip - wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Oberbürgermeister Schramm: "Wir wollen schneller sein." Denn es sei zu befürchten, dass angesichts des Flüchtlingszustroms und der Kosten für die Integration an anderer Stelle Geld fehlen wird. Möglicherweise würden künftig Förderprogramme, die heute noch gut ausgestattet sind, gekürzt oder könnten ganz entfallen.
Für die Maxime, mit möglichst wenig eigenem Geld möglichst viele Projekte anzustoßen, habe er seinen seit neun Jahren gültigen Grundsatz, keine neuen Schulden zu machen, für 2016 über Bord geworfen. Es müsse sich also keiner Sorgen machen: "Nein, ich bin nicht übergeschnappt. Und ja, es geht mir gut."
Nach seinen Worten liege bei der geplante Neuverschuldung der Schwerpunkt darauf, die Möglichkeit für eine Kreditaufnahme zu schaffen. Wenn sich ein Projekt ins nächstes Jahr verschieben sollte, "nehmen wir auch keine Schulden auf". Mit einem Kraftakt in der Verwaltung habe man jedenfalls die Planungen vorangetrieben, Anträge formuliert und Fördergespräche geführt.
Aktuell, so Schramm weiter, belaufe sich der Schuldenstand der Stadt auf 25,8 Millionen Euro. Und selbst wenn die Neuverschuldung ausgeschöpft werde, liege man mit 30,8 Millionen Euro immer noch unter dem Wert von 31 Millionen zu seinem Amtsantritt im Jahr 2007.
Gesamtvolumen 148 Millionen
Unter diesem Aspekt sei der vorgelegte Haushalt ein "echter Erfolgsplan", der inklusive der Eigenbetriebe - also Stadtwerke sowie Tourismus und Veranstaltungsservice - ein nie gekanntes Gesamtvolumen von 148 Millionen Euro hat. Bei den Investitionen habe man es geschafft, teilweise Förderquoten von über 90 Prozent zu bekommen.
80 Prozent Förderung sei bei der mit 5,5 Millionen Euro veranschlagten Sanierung der restlichen Spinnerei-Gebäude gesichert. Er gehe aber davon aus, so Schramm, dass man durch Mithilfe des Denkmalschutzes und der Oberfrankenstiftung noch auf 90 Prozent kommen könne.
Beim Zentralparkplatz mit Kosten von 13,6 Millionen Euro ("unsere größte Aufgabe") könne man mit normalen Städtebaufördermitteln in Höhe von 60 Prozent rechnen. Aber es gebe noch eine gute Chance, einen weiteren Zuschuss von 20 Prozent aus einem Härtefonds zu bekommen.
Eine Spitzenförderung kann der Oberbürgermeister bei der Sanierung des Roten Turms präsentieren: Dafür sind 450.000 Euro veranschlagt - mit gerade sieben Prozent oder 30.000 Euro städtischen Eigenmitteln. "Ein Wahrzeichen unserer Altstadt. Dieses Denkmal zu erhalten, ist unsere Pflicht", so Schramm.
Fortgeführt werde außerdem das Straßensanierungsprogramm (250.000 Euro) und die Ertüchtigung des Schlachthofs (415.000 Euro). Hinzu kämen das Baugebiet Forstlahm sowie die Aufgaben der Stadtwerke, deren Investitionen sich ebenfalls auf Rekordniveau der vergangenen zwanzig Jahre bewegen. Es gehe unter anderem um den Aufbau einer Stromgesellschaft (fast drei Millionen Euro) und um neue Technik für die Kläranlage (3,4 Millionen Euro).
Einstimmig genehmigt
Die Fraktionen des Stadtrats stimmen dem Zahlenwerk am Donnerstag geschlossen zu. Und OB Schramm meint: "Man kann sagen, dass wir uns in Kulmbach in einer spannenden Phase befinden."
Kommentare der Fraktionen
Fast historisch Uneingeschränkte Zustimmung gibt es von der CSU zu einem Haushalt, "der uns mutig in die Zukunft schauen lässt". Michael Pfitzner spricht von einem fast historischen Zahlenwerk. Den das Investitionsvolumen der vergangenen Jahre mit durchschnittlich 17 Millionen Euro werde verdreifacht. Die Nettoneuverschuldung, so Pfitzner weiter, sei allerdings eher eine theoretische Größe. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass alle geplanten Projekte 2016 realisiert werden. "Aber besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen." Durch die Rekordinvestitionen von 52 Millionen Euro würden laut Pfitzner Werte geschaffen, "von denen die Stadt und der Landkreis noch lange profitieren werden".
Thema Demographie Dass OB Schramm seine Linie verlässt und erstmals einen Haushalt mit Nettoneuverschuldung vorlegt, hält die SPD auf den ersten Blick für nachvollziehbar. Denn niemand könne wissen, so Ingo Lehmann, wie lange die Revitalisierung von Industriebrachen angesichts des Flüchtlingszustroms gefördert wird. Er befürchte aber, dass der optimistische Ansatz von 18 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen - wie in den letzten Jahren auch - nicht erreicht werde. Dann gebe es ein Millionen-Loch. Keine Antwort habe der Haushalt auf den demographischen Wandel: Kulmbach sei erstmals unter die Einwohnerzahl von 26 000 gesunken. 232 Personen weniger seien zwei Drittel des Bevölkerungsrückgangs im Landkreis.
Studenten für die Stadt "Dieser Doppelhaushalt, der in solch einer Form noch nie dem Stadtrat vorlag, sichert unserer Stadt enorme Zuschüsse und schafft dadurch deutlichen Mehrwert", meint Bürgermeister Stefan Schaffranek von der WGK. Nach neun Jahren ohne Nettoneuverschuldung und neun positiven Jahresrechnung gehe er davon aus, dass auch das Jahr 2016 nicht mit einem Minus abgeschlossen wird. Der Haushalt stärke die Zukunftsfähigkeit der Stadt - durch Projekte wie Zentralparkplatz-Umbau, Spinnerei-Sanierung, Baugebiet Forstlahm oder Gewerbegebiet Melkendorf. Am wichtigsten ist es Schaffranek zufolge aber, den geplanten Medizin-Campus voranzubringen und Studenten nach Kulmbach zu holen.
ÖPNV nicht vergessen Eine Aufwertung der Stadt durch die großen Bauprojekte erwarten die Grünen. Daher, so Doris Stein, sei der Haushalt "annehmbar". Allerdings gibt es auch Kritikpunkte. Nach ihrer Ansicht dürften bei der Umgestaltung des Zentralparkplatzes die Radfahrer, die Fußgänger und die E-Mobilität nicht vergessen werden. Kulmbach brauche ferner "einen attraktiven ÖPNV mit Anbindung aller Stadtteile". Dafür sei eine Planstelle in der Verwaltung notwendig und mehr Geld als die geplanten 310.000 Euro. Der Besucherrückgang auf der Plassenburg, so Stein, werde durch die Parkmöglichkeit im Kasernenhof nicht aufgehalten. "Wenn wir schon kein Geld haben, brauchen wir gute Ideen" - und einen Runden Tisch.
Schulden tilgen Seine Zustimmung zum Kulmbacher Rekordhaushalt verbindet Thomas Nagel von der FDP mit der Mahnung, in den nächsten Jahren Schulden zu tilgen. Es sei nicht mit dem Hinweis getan, dass man in den Folgejahren wieder ohne neue Schulden auskommen wolle. "Wir gestalten die Zukunft Kulmbachs zu einem hohen Preis", betont er. Gleichwohl erkennt Nagel an, dass ungewöhnliche Zeiten auch schwierige Entscheidungen mit sich bringen. Mehr Sparsamkeit hätte er sich beim Zentralparkplatz gewünscht. Es gehe darum, was machbar und finanzierbar ist. Die FDP hätte sich auch der Verfüllung oder Schließung der Tiefgarage nicht verschlossen. Und beim Kaufplatz komme Revitalisierung vor Abriss.