Kulmbach: Ein Paradies fürs bedrohte Braunkehlchen

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Das Braunkehlchen findet immer weniger sichere Brutgebiete. Foto: LBV
Das Braunkehlchen findet immer weniger sichere Brutgebiete. Foto: LBV
Frank Schneider beobachtet auf den brachliegenden Wiesen die Braunkehlchen. Foto: Jürgen Gärtner
Frank Schneider beobachtet auf den brachliegenden Wiesen die Braunkehlchen. Foto: Jürgen Gärtner
 
Immer wieder werden Braunkehlchen von Traktoren zermalmt. Foto: LBV
Immer wieder werden Braunkehlchen von Traktoren zermalmt. Foto: LBV
 

Der LBV hat ein Projekt zur Rettung des hochbedrohten Vogels ins Leben gerufen. Mit großem Erfolg.

"Es ist einzigartig, was im Rotmaintal läuft." Das sagt Frank Schneider. Der 43-Jährige engagiert sich beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) für das hochbedrohte Braunkehlchen. Mit großem Erfolg: Auf einer rund 50 Hektar großen Fläche ist es den Tierschützern gelungen, elf Brutpaare anzusiedeln. In Bayern gibt es nur 450 davon.


Strukturreichen Wiesen wichtig

Auf Brachflächen, wo sie brüten könne, haben die Vogelschützer eine kleines Paradies für die possierlichen Tierchen geschaffen. Die Vögel brauchen strukturreiche Wiesen mit Disteln und höheren Stengeln, von denen aus sie ihre Umgebung beobachten und zur Jagd gehen können. "Sitzwarten" heißt das im Fachjargon - sie sind essenziell für die Braunkehlchen.

1800 Stecken, die als Sitzwarten dienen, haben die Vogelschützer in dem Gebiet gesetzt.

Die Maßnahme wurde von den Braunkehlchen angenommen, wie Jürgen Feulner berichtet, der für die Kartierung der Wiesenbrüter auf den Brachflächen zuständig und deshalb fast täglich dort anzutreffen ist. "Vor drei Jahren gab es zwei Brutpaare, vergangenes Jahr sechs und heuer zwölf." Über diese Entwicklung würden selbst Experten staunen. "Das ist ein großes Glück, und wir hoffen, dass sich diese Entwicklung so fortsetzt beziehungsweise die Population halbwegs stabil bleibt."

Natürlich freuen sich Feulner und Schneider über den Kulmbacher Erfolg, der gegen jeden Trend in Mitteleuropa gehe. Denn die Lage für die Braunkehlchen sei länderübergreifend katastrophal: Die Wiesenbrüter und ihre Nester werden auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen von Traktoren zerfahren.

"Das hat diese Tierart an den Rand des Aussterbens gebracht", ergänzt Frank Schneider.

Dass Wiesenbrüter-Nester außerdem von Nesträubern wie Fuchs oder Krähe ausgenommen werden, komme vor, erklärt Schneider weiter. Doch "natürliche Räuber" seien etwas, womit man immer rechnen müsse.

Das Kulmbacher Erfolgsmodell ist nach den Worten der Vogelschützer mit relativ leichten Mitteln zu schaffen. Ganz wichtig: "Man braucht Landwirte, die dahinter stehen. Und glücklicherweise gibt es die im Landkreis." Sie würden Flächen für solche Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung stellen. "Ohne die Bauern geht es nicht", so Schneider.

Auch ein längerer Atem ist für diese Projekte vonnöten - sie ziehen sich über mehrere Jahre. Und nicht nur das Braunkehlchen profitiere davon, sondern auch andere Arten wie Rebhühner oder Wachteln.

 


Wichtig ist, dass die Schutzflächen auch als solche beachtet werden. Denn in jüngster Zeit ist es nach den Worten der Vogelschützer einmal vorgekommen, dass ein Bauer durch eine Wiese gefahren ist und ein Nest vom Traktor überrollt wurde.

 

 


Ein empfindliches Gebiet

Doch das ist ein bedauerlicher Einzelfall. "Aber er zeigt, wie empfindlich das Gebiet ist", erklärt LBV-Kreisvorsitzender Erich Schiffelholz. Der Kulmbacher Erfolg sei auch schon höheren Stellen aufgefallen, sagt Schiffelholz. Es kämen immer wieder Naturschützer in den Landkreis, um sich über das Projekt zu informieren.

Bei den Gebieten im Rotmaintal handelt es sich um Ackerbrachflächen aus dem Vertrags-Naturschutzprogramm. Ziel ist es nach den Worten von Alexander Kusche von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, etwas für die gefährdeten Feld- und Wiesenbrüter zu tun.

 

"Die Biodiversität und der Artenschutz liegen uns am Herzen." Landwirte, die ihre Flächen zur Verfügung stellen, erhielten eine Entschädigung, weil sie dort nicht mehr produzieren können.

Der Kulmbacher Fall sei nicht nur durch die erfreulich gestiegene Zahl an Brutpaaren außergewöhnlich ("Der Bereich ist für seine Feld- und Wiesenbrüter bekannt"), sondern auch durch die Größe der zur Verfügung gestellten Flächen.

Und auch der Behördenmitarbeiter unterstreicht: "Alles steht und fällt mit der Bereitschaft der Landwirte, solche Projekte zu unterstützen."
 


Hintergrund


Das Braunkehlchen ist eine Indikator-Art für vielfältige Grünland-Lebensgemeinschaften, Zugvögel und die allgemeine Biodiversität in ganz Europa.

Rückgang In den vergangenen Jahren wurde ein dramatischer Rückgang der Braunkehlchen-Populationen (Saxicola rubetra) in Europa beobachtet, der von 50 bis weit über 90 Prozent in den meisten Regionen innerhalb der letzten 20 Jahre reicht. In vielen Gebieten sind die Braunkehlchen verschwunden.

Aufforstung, Grünlandumbruch und Vorverlegung der Mahd sind laut LBV einige Ursachen. Aber auch die früher wesentlich breiteren Gewässerstreifen waren bevorzugte Bruthabitate der Vögel.

Die Tiere halten sich nur ein Drittel des Jahres in Oberfranken auf, etwa acht Monate verbringen sie in Afrika. Beim Rückflug lauert eine weitere Gefahr: die illegalen Vogelfänger in Süditalien.
Quelle: LBV