Markus Söders Beschluss, wonach in staatlichen Behörden Kreuze zu hängen haben, ist umgesetzt. Aus den Amtsstuben kommt vor allem eines: Schweigen.
Da hängt es also: das Kreuz. Angebracht ist es in rund zweieinhalb Metern Höhe im Eingangsbereich des Landesamtes für Umwelt (LfU) in der Außenstelle der staatlichen Behörde im Schloss Steinenhausen. Es ist nicht verschnörkelt oder verziert; ein simples Holzkreuz, etwa 20 Zentimeter hoch.
Ein Mitarbeiter des Amtes passiert gerade die Tür darunter. Ob ihm aufgefallen ist, dass oberhalb das Symbol des Christentums hängt? "Ja klar", sagt der Mann und lächelt. Er wisse, dass es im Zuge des Beschlusses des Landtags, wonach in jeder Behörde ein Kreuz aufgehängt werden soll, vom Hausmeister dort angebracht wurde. Der Dienststellenleiter, der gerade nicht da sei, habe das Kruzifix beschafft. Vorgaben bei der Gestaltung habe es wohl keine gegeben. Ob sich jemand daran störe? "Ich mich jedenfalls nicht. Und auch sonst ist mir nichts bekannt", sagt der Mitarbeiter und geht. Mehr erfährt der Journalist vor Ort auf seine Nachfragen nicht - nur den Hinweis erhält er, sich bei der Pressestelle in München zu erkundigen. Dort heißt es: Man habe auch im LfU in Steinenhausen eine Anweisung umgesetzt, die für Behörden offiziell ausgegeben wurde. Man werde sich aber nicht weiter dazu äußern - auch nicht darüber, ob das Kreuz auf Wohlwollen oder Missfallen gestoßen sei. Man bitte um Verständnis.
Verständnis: Genau das hatten viele Menschen - und viele hatten es nicht, als Ministerpräsident Söder seinen, wie es Kritiker nannten, "Kreuzzug" begann. Es sei ein bewusster Affront und diene allein der Abgrenzung, etwa gegenüber Muslimen. Das Landeskabinett wiederum begründete seine Vorschrift damit, das Kreuz sei eben kein religiöses Symbol, sondern ein "sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland" sowie - in kultureller Hinsicht - der christlich-abendländischen Prägung. Für diese Auslegung hatte es sogar einen mächtigen Rüffel seitens der katholischen Kirche gegeben.
Egal. Die Kreuze hängen. Unter anderem im Finanzamt, genauer gesagt im Eingang vor dem Servicezentrum auf der linken Seite. Im Amt für Landwirtschaft hing schon ein Kreuz, wenn auch nicht im Eingangsbereich des Hauses.
Landratsamt hat Sonderstellung
Eine Sonderstellung aufgrund seiner staatlichen wie auch gleichzeitig kommunalen Aufgaben hat das Landratsamt. Der bayerische Landkreistag sah deshalb in der Söder-Idee keine Verpflichtung, sondern eher Empfehlung. "Wir haben den Erlass zum Anlass genommen, ein weiteres Kruzifix im Eingangsbereich anzubringen", sagt geschäftsleitender Beamter Rüdiger Köhler. Im großen Sitzungssaal des Landratsamts hängt bereits seit einigen Jahren ein Holzkreuz, für das es auch von beiden Glaubensrichtungen den kirchlichen Segen gab. "Dieses Kreuz hatte Dekan Hans Roppelt mitgebracht." Das neue, das nun im (noch umzubauenden) Eingangsbereich hängt, ist laut Köhler aus dem Bestand des Hauses. Ob es Reaktionen darauf gab, positive oder negative? "Nein, das wurde meines Wissens stillschweigend angenommen und ist so akzeptiert worden."
Die Verordnung gilt, wie gesagt, ausschließlich für Ämter des Freistaats, nicht die Behörden der Kommunen und des Bundes. Darüber hat die Staatsregierung keine Verfügungsgewalt. So beispielsweise über das Kulmbacher Rathaus. Pressesprecher Simon Ries bekundet dazu: "Die Stadt ist als kommunale Behörde davon nicht betroffen, insofern wurde das bei uns bislang auch nicht thematisiert."
Kommentar
Das Kreuz mit dem Kreuz des Südens
Es war unmittelbar nach der entscheidenden Sitzung im Landtag, als Ministerpräsident und Nebenerwerbs-Evangelist Markus (der Söder) ein Kruzifix in der Staatskanzlei aufhängte und so rituell den von ihm initiierten Kruzifix-Erlass umsetzte. Medienwirksam hielt er das Kreuz in die Kameras. Wer nun, nach dem Vollzug des Dekrets in den staatlichen Behörden, auf ähnliche Bilder aus den hiesigen Verwaltungszentren hoffte, mit Menschen vor/neben/hinter dem Kreuz, der wird enttäuscht. Das Kreuz fotografieren? Für die Zeitung? Warum? Hinter dem Kreuzdisput steht längst ein Haken. Das Kreuz hängt, weil eine Anordnung von oben umgesetzt worden ist. Punkt...
So lauten fast einhellig die Aussagen derer, die in den Amtstuben sitzen und ein- oder mehrmals am Tag das Corpus delicti passieren, das zu teils vergifteten Debatten geführt hatte und nicht zuletzt in der Frage mündete: Missbraucht die Regierungspartei in Bayern ein christliches Symbol für niedere wahlkampftaktische Zwecke? Das Spannungsfeld Staat und Kirche war plötzlich wieder eine ungute Gemengelage, in der sogar der Klerus opponierte und Kreuzritter Söder geißelte.
Ist es da den Beamten, unseren Staatsdienern, zu verdenken, dass sie mit Blick auf all die Unbill in jener Auseinandersetzung jetzt einfach mal nix mehr sagen wollen zum Söder'schen Kreuzweg? Sich nicht einlassen mögen, ob sie es denn nun richtig finden oder nicht? Es ist ihr gutes Recht. Mancher mag dahinter eine weitere Etage in der Verschwörungspyramide vermuten und behaupten, die hätten zum Kruzifix- gleich noch den Maulkorberlass bekommen und dürften sich nicht äußern. Mag sein.
Man kann das Wort Meinungsfreiheit aber auch so interpretieren: frei von Meinung (respektive deren Äußerung) sein zu dürfen. Wir dürfen freilich gespannt sein, wann der Begriff
Religionsfreiheit in Bayerns Politik eine ähnliche Auslegung erfährt. Also Freiheit nicht
der, sondern
von Religion herrscht, wie einige es gerne sähen. Schließlich haben wir die strikte Trennung von Kirche und Staat, gell? Muss dann der Heiland doch wieder runter von der Wand wie einst bei den Kreuzen in Volksschulen? Bis dahin ist Söders Kreuzgang durch, sprich: die Landtagswahl vorbei. Wird sich dann noch jemand darüber echauffie ren? Wenn ja, hilft vielleicht wirklich nur noch (be)kreuzigen.