Das Landgericht Bayreuth verhängt keine Sicherungsverwahrung gegen pädophilen Sextäter. Wie geht es nun weiter für den Kulmbacher?
"Es kann nur diese Entscheidung geben", sagt der Vorsitzende der 1. Großen Jugendkammer am Landgericht Bayreuth, Michael Eckstein: keine Sicherungsverwahrung für den 30-jährigen pädophilen Straftäter aus Kulmbach, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 43 Fällen eine sechsjährige Haftstrafe verbüßt.
Der Gutacher und die Therapeuten der JVA, so Eckstein, hätten nichts Negatives über den Mann berichtet. Die Faktenlage sei klar. Den von den Nebenklägern geäußerten Verdacht, dass die Experten jahrelang getäuscht worden sind, bezeichnet er als "nicht stichhaltig".
Keine absolute Sicherheit
Doch der Kammervorsitzende weiß, dass das Urteil Unverständnis hervorrufen wird, dass es der Bevölkerung und vor allem den Opfern und deren Angehörigen schwer zu vermitteln ist. "Es ist absolut menschlich, dass jeder Sicherheit vor solchen Straftaten haben möchte. Nur: Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit", so Eckstein. Ein Restrisiko müsse die Bevölkerung immer tragen.
Das Nachverfahren am Montag und Mittwoch wird durchgeführt, weil das Gericht vor vier Jahren in sein Urteil den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung reingeschrieben hat. Vor Ablauf der Haftzeit im Juli 2016 muss geklärt werden, ob es sich um einen hochgefährlichen pädophilen Sextäter handelt, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder an kleinen Jungs vergehen wird. Wie er es schon 43-mal getan hat - im Zeitraum von 2003 bis 2010. Als Jugendleiter eines Vereins bastelt er mit seinen Opfern - neun Buben im Alter von fünf bis 13 Jahren - oder fährt mit ihnen Traktor, bevor es zu den Übergriffen kommt.
"Wir sind alle keine Hellseher"
Von einem schwierigen Verfahren spricht Staatsanwalt Daniel Götz. "Wir sind alle keine Hellseher", sagt er. Das Gericht bediene sich deshalb fachkundiger Hilfe von Gutachtern und Therapeuten, die ein Rückfall risiko mit hoher Wahrscheinlichkeit verneint hätten. Somit gebe es keine Möglichkeit für eine Sicherungsverwahrung, so der Staatsanwalt.
Eine juristische Einschätzung, die der Anwalt des verurteilten Täters, Wolfgang Schwemmer aus Bayreuth, natürlich teilt. Sein Mandant sei nach der Therapie nicht mehr gefährlich. "Er hat Auf und Abs in der Haft erlebt, Sexualstraftäter sind im Gefängnis unterste Schublade. All das hat er durchgestanden."
Rechtsanwältin Kristina von Imhoff, Coburg, die eine Nebenklägerin vertritt, wendet sich direkt an den Täter und sagt: "Mich haben Sie nicht überzeugt. Es bleibt eine Beunruhigung, wenn Sie in Ihr altes Umfeld zurückkehren." Und sie erinnert an das Leid der Opfer und deren Familien: "Ihr Alltag ist bis heute bestimmt durch die Folgen der Tat."
Die zweite Nebenklagevertreterin, Rechtsanwältin Doris Benker-Roth aus Bayreuth, ist die einzige, die Sicherungsverwahrung fordert. Sie zweifelt das Gutachten an. "Nicht gründlich genug", sagt sie und glaubt, dass die erlernten Vermeidungsstrategien - sich nicht wieder an kleinen Jungs zu vergehen - bei dem 30-Jährigen in der Realität nicht funktionieren. "Ich halte ihn nach wie vor für eine tickende Zeitbombe."
Nachsorge besonders wichtig
Wie geht es nun weiter für den Kulmbacher? Zuständig dafür ist die Strafvollstreckungskammer. Der Mann kann seine sechsjährige Haftstrafe bis zum Schluss absitzen. Oder vorher einen Antrag auf Straferlass zur Bewährung stellen, was bereits vor einem Jahr möglich gewesen wäre. So oder so stehen Auflagen im Raum - vor allem die von den Experten als besonders wichtig erachtete Nachsorge: die weitere Teilnahme an der Therapie einmal wöchentlich in der JVA Bayreuth. Rechtsanwalt Schwemmer macht dazu mit Hinweis auf die Schweigepflicht keine Angaben.