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Kasendorf: Industriebetrieb Ait streicht rund 100 Jobs - und gibt Habeck und Co. Mitschuld


Autor: Ralf Welz

Kasendorf, Mittwoch, 19. Juni 2024

Der Wärmepumpen-Hersteller Ait baut rund 100 Arbeitsplätze ab. Der oberfränkische Betrieb gibt Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) eine Mitschuld an der aktuellen Lage. Die Debatte zu dessen Heizungsgesetz habe zu einer "nachhaltigen Verunsicherung der Verbraucher" geführt.
Bei Ait fallen rund 100 Jobs weg. "Durch die Diskussion in Politik und Medien zum Gebäudeenergiegesetz ist es zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Verbraucher gekommen", teilt eine Sprecherin des Kasendorfer Wärmepumpen-Herstellers in diesem Zusammenhang mit.


 Für die deutsche Industrie gab es schon bessere Zeiten. Die Produktion im produzierenden Gewerbe zeige noch keine nachhaltige Belebung, hält das Bundeswirtschaftsministerium mit Blick auf die wirtschaftliche Lage im Juni fest. Auch der oberfränkische Wärmepumpen-Spezialisten Ait steht augenfällig vor großen Herausforderungen - und das, obwohl sich das Unternehmen aus Kasendorf (Landkreis Kulmbach) vor nicht allzu langer Zeit auf dem Pfad in eine aussichtsreiche Zukunft wähnte.  

Inzwischen ist die Lage vor Ort aber offenkundig alles andere als rosig. Bereits Mitte April hatte der Industriehersteller auf eine "veränderte Marktsituation" hingewiesen. Als Reaktion darauf sollten Maßnahmen wie Kurzarbeit und "notwendige Personalanpassungen" geprüft werden. Nun steht fest, wie die entsprechenden Schritte konkret aussehen: "Es handelt sich um einen personellen Abbau von rund 100 Stellen in allen Bereichen", teilt eine Sprecherin der ait-deutschland GmbH am Mittwoch (19. Juni 2024) inFranken.de mit. "Dazu kommen die bereits abgebauten Leiharbeiter und der Stellenabbau über natürliche Fluktuation." 

Ait baut rund 100 Stellen ab - Wärmepumpen-Hersteller zahlt hohe Abfindungen

Wie sollen die ins Auge gefassten Personalkürzungen bei Ait konkret erfolgen? "Oberste Priorität ist es, diesen Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten, weshalb wir sehr faire Aufhebungsverträge angeboten haben", erklärt die Firmensprecherin. Die Abfindungssummen ergäben sich individuell aus einem festgelegten Prozentsatz des Monatsgehalts sowie der Betriebszugehörigkeit - als Mindestbetrag nennt der Industriehersteller 5000 Euro.

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Mit der Agentur für Arbeit sei zudem vereinbart worden, dass Beschäftigte, die sich im Rahmen des Sozialplans für einen Aufhebungsvertrag entscheiden, keinerlei Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld entstehen. "Unser Angebot wurde intern positiv aufgenommen, sodass wir optimistisch sind, für alle Seiten gute Lösungen finden zu können", berichtet die Sprecherin. Die entsprechenden Gespräche stehen demnach vor dem Abschluss.

Laut Angaben auf der Firmenwebseite zählt Ait über 1400 Mitarbeiter. Der fränkische Wärmepumpen-Produzent hatte sich zuletzt eigentlich auf Expansionskurs befunden. Im August vergangenen Jahres hatte der Produzent den Ausbau seines Firmensitzes in Kasdorf angekündigt. Mit der beschlossenen Streichung von Arbeitsplätzen kommt es nun allerdings zu einem markanten Einschnitt. Gegenüber inFranken.de gibt das Unternehmen der Politik eine Mitschuld an der jüngsten Entwicklung. Denn eigentlich sahen die Ait-Verantwortlichen ihren Betrieb gut aufgestellt. 

Diskussion zu Heizungsgesetz: Ait sieht "nachhaltige Verunsicherung der Verbraucher"

"Letztes Jahr war die Wärmepumpen-Branche zunächst auf einem vielversprechenden Weg", berichtet die Unternehmenssprecherin. Von den fast 670.000 im ersten Halbjahr verkauften Heizsystemen entfielen demzufolge 196.500 auf Wärmepumpen - laut Firmenangaben ein Wachstum von 105 Prozent. "Der Boom war jedoch von besonderen Umständen geprägt", gibt die Sprecherin zu bedenken. "Ukraine-Krieg, die lautstarke Heizungsdebatte und die widersprüchlichen Signale zu den ab 2024 geltenden Förderregeln. All das führte zu Vorzieheffekten bei gasbasierten Heizsystemen und einer Welle der Modernisierung bei Wärmepumpen."

Trotz Absatzrekords habe sich die Welle aber nicht halten können. Dies zeigten auch die rückläufigen Förderanträge beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Die Debatte um das von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angestoßene Heizungsgesetz führte laut Auffassung der Ait-Geschäftsführung zu einer Irritation aufseiten der Konsumenten.

"Durch die Diskussion in Politik und Medien zum Gebäudeenergiegesetz ist es zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Verbraucher gekommen", teilt die Firmensprecherin inFranken.de mit. "Die tatsächlichen Förderbedingungen waren erst Ende Dezember final definiert." Auch die kommunale Wärmeplanung lasse Verbraucher derzeit zögern, Entscheidungen zum Heizungstausch zu treffen. 

"Für Hausbesitzer spielen die Anschaffungskosten beim Heizungstausch eine zentrale Rolle"

Die jüngst veröffentlichten Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie machten gleichwohl "sehr deutlich, dass die Wärmepumpe der Treiber zur Erreichung der Klimaziele ist", hält die Sprecherin fest. "Was wir jetzt brauchen, ist eine einfache und schnelle Abwicklung von beantragten Förderungen. Denn für Hausbesitzer spielen die Anschaffungskosten beim Heizungstausch eine zentrale Rolle."

Um die Wärmewende voranzubringen, sollen laut Bundesregierung spätestens Mitte 2028 alle neuen Heizungen mit 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Entscheidend für die Verbesserung der aktuellen Situation werde sein, dass das Gebäudeenergiegesetz durch verschiedene flankierende Maßnahmen unterstützt wird, betont die Ait-Sprecherin. 

"Ob die derzeitigen Förderungen ausreichend Anreize bieten, wird sich im Laufe des Jahres 2024 zeigen." Die Wärmepumpe bleibe "der Königsweg" zu einem klimaneutralen Gebäudebestand. Weitere Nachrichten aus dem Kreis Kulmbach findet ihr hier.