Frage: Wer aber keinen Garten hat, sondern "nur" einen Balkon: Was kann der tun? Hilft der Klassiker Geranie?
Reif: Die nutzt Insekten tatsächlich wenig. Ich denke aber, dass Kästen mit dieser Monobepflanzung auf dem Rückzug sind. Es gilt die Devise: Das anbauen und pflanzen, was einem selber gefällt - und zwar in einer möglichst großen Vielfalt. Es muss blühen vom zeitigen Frühjahr bis in den Spätherbst hinein, dann ist für alle der Tisch gedeckt. Jede Blüte zählt. Wobei: Gefüllte Blüten bringen Insekten nichts. Deshalb sollte man beispielsweise bei Rosen die ungefüllten Varianten bevorzugen. Es gibt wunderschöne Arten von Rosen, die dank ihrer tief wachsenden Wurzeln sogar mit trockenen Sommern wie im Vorjahr zurechtkommen. Eine prall gefüllte Edelrose hingegen ist für Bienen in etwa so viel wert wie eine Rose von der Schießbude.
Frage: Gibt es alte Sorten, die zu Unrecht vergessen sind?
Reif: In den Bauerngärten früherer Prägung fehlten die klassischen einjährigen Arten wie Tagetes oder Ringelblume nie. Im Staudenbeet war die Echinacea immer heftig umschwirrt, ebenso wie die Kugeldistel. Da war die Welt noch in Ordnung. Heute ist das oft anders. In den meisten Gärten herrscht im Sommer, was Blüten angeht, quasi Totenstille. Dabei ginge es relativ einfach: Warum nicht in einer Ecke den Boden etwas lockern und Sonnenblumenkerne ausbringen? Das sind Korbblütler, die lange und in wunderschönen Farben blühen. Es gibt auch kleinbleibende Sorten mit einer Höhe von rund 1,50 Meter, die bilden Seitentriebe, die wiederum bis in den Oktober hinein blühen.
Frage: Womit wir im Herbst angelangt wären. Was blüht uns da?
Reif: Bei den Stauden sind es klassischer Weise die Herbstastern. Bitte beachten: Die Sommerblumen sollten noch stehenbleiben. Es ist fatal, den Garten im September komplett abzuräumen. Selbst wenn an den Stängeln nur noch einzelne Blüten dran sind, sind sie wichtig bis in den November hinein, wenn die Hummel-Jungköniginnen vor dem Winterschlaf noch fliegen. Sie müssen sich volltanken und Reserven anlegen, soll es im nächsten Jahr ein neues Volk geben. Nicht zu vergessen: regelmäßig gießen, auch wenn es bisweilen nervt, wie im vergangenen Sommer ohne Regen über Wochen die Kannen zu schleppen.
Frage: Man kann Insekten nicht nur mit Lebendigem helfen, sondern kurioser Weise auch mit Abgestorbenem: mit Totholz.
Reif: Oh ja, das ist immer gut. Insekten finden dort Nahrung, viele Verstecke und Nistmöglichkeiten. Die Blauschwarze Holzbiene etwa nistet direkt im toten Holz. Trockensteinmauern werden ebenfalls sehr gern angenommen.
Frage: Was halten Sie von den Fertig-Blühmischungen aus dem Bau- oder Supermarkt, die so genannten Bienenweiden?
Reif: Es nutzt wenig, diese Mischung einfach in den Garten zu streuen. Vielleicht gehen zwei oder drei besonders robuste Sorten auf, aber der Rest nicht. Warum? Weil ich erst den Boden vorbereiten muss. Ich müsste zunächst die Grassode entfernen und die Erde am besten noch mit Sand abmagern. Der Nährwert muss deutlich runter.
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Frage: Haben Sie Hoffnung, dass wir die Trendwende schaffen?
Reif: Hoffnung habe ich immer. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass unsere Urenkel nicht auf die Bäume steigen und das Obst von Hand bestäuben müssen wie die Chinesen. Es wäre schon viel geholfen, wenn wir in Sachen Natur etwas von unserem Sauberkeitsfimmel wegkämen. Wir müssen Umwelt auch mal zulassen. Das gilt für alle, da dürfen wir nicht einfach nur auf die Bauern zeigen und uns selber zurücklehnen.
Das Gespräch führte Jochen Nützel.
Absolut richtig, was Herr Reif sagt. In meinem Garten wird jahrelang kein radikaler Baumschnitt gemacht. Nur wirklich enge Äste oder Wassertriebe werden abgezwickt und der Baum etwas ausgelichtet. Und man merkt das positive Ergebnis: ein blütenreicher Apfel- oder Kirschbaum im Garten, der von unzähligen Bienen und Hummeln umgeben ist. Und natürlich die tolle Obsternte. Und heuer habe ich mir vorgenommen, eine etwa 30 qm große ( kleine ) Fläche in eine Nützlingswiese umzuwandeln. Klein aber fein und nützlich. Auf das Ergebnis bin ich ebenfalls gespannt. Und natürlich auf den Benzinverbrauch vom Rasenmäher. Grundstücksbesitzer die ihr Grundstück regelrecht "versteinern" sollte man zu einem Bienensoli verdonnern!