Indizien überführen den Giftleger von Gärtenroth
Autor: Stephan Tiroch
Gärtenroth, Montag, 02. Mai 2016
Das Tierdrama ist aufgeklärt: Doch das Urteil gegen einen Mann aus dem Landkreis Kulmbach dürfte nicht der Schlusspunkt gewesen sein.
Giftleger kommen meist im Schutz der Dunkelheit. Beobachtet werden sie so gut wie nie, wenn sie ihre Taten begehen. Und wenn ein Tier den präparierten Köder gefressen hat, sind sie schon längst über alle Berge. Ganz selten, dass solche Täter verurteilt werden.
Nicht so im Fall der toten Hunde von Gärtenroth: In einem aufwendigen Indizienprozess verurteilte das Amtsgericht Lichtenfels den Angeklagten (57) aus dem Landkreis Kulmbach am Montag zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. "Das Gericht konnte eine lückenlose Indizienkette bilden und hat keinen vernünftigen Zweifel an der Schuld des Angeklagten", erklärte Richter Stefan Hoffmann vor zahlreichen Zuhörern. Er setzte die Bewährungszeit auf drei Jahre fest. Außerdem muss der Mann 3000 Euro an den Tierschutzverein Lichtenfels bezahlen.
Drei Hunde tot
Hintergrund des Verfahrens ist ein Tierdrama, das sich vor zwei Jahren in Gärtenroth abgespielt hat. Damals wurden Rocky, Nick, und Lizzy mit E 605 vergiftet, nachdem sie mit dem verbotenen Pflanzenschutzmittel präparierte Wurstköder gefressen hatten. Der Hundehalter (50) lenkte den Verdacht auf einen Verwandten aus dem Landkreis Kulmbach.Was den Angeklagten noch verdächtiger machte: Auch im Umkreis seines Wohnorts wurden Wurstköder mit dem als "Schwiegermuttergift" bekannten Pestizid gefunden. Dort konnte der Hund eines Spaziergängers jedoch gerettet werden.
Der Sachverständige des Landeskriminalamts bezeichnete E 605 als "Exotengift". Seit dem Verbot im Jahr 2002 seien derartige Vergiftungsfälle sehr selten. Das mit den chemischen Kampfstoffen Sarin und Gabun verwandte Mittel führe beim Opfer zu Krampfanfällen, Durchfall und Erbrechen. Nach der Aufnahme dauere es noch einige Minuten, "dann ist es aus".
Hinterlistig gehandelt
Wie das Gericht ging auch Staatsanwalt Matthias Schmolke in seinem Plädoyer von einer lückenlosen Indizienkette aus. Der Angeklagte habe hinterlistig gehandelt und unschuldige Tiere getötet, um sich zu rächen. Er habe gewusst, dass der Hundehalter ein großer Tierfreund sei und er ihn damit schwer treffen könne. Schmolke forderte ein Jahr Gesamtfreiheitsstrafe.In seiner Urteilsbegründung erläuterte der Richter, dass die Indizien in der Gesamtschau keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des 57-Jährigen aufkommen lassen. Das stärkste Indiz sei der Fund von E 605 bei der Hausdurchsuchung im Anwesen des Angeklagten - die Flasche sei offenkundig in Gebrauch gewesen - und einer daneben liegenden Einwegspritze mit Resten von E 605.
Hoffmann zählte weitere Teile des Indizienpuzzles auf: verdächtige Wurststücke im Kühlschrank; vorangegangene Drohungen des Angeklagten, die Hunde vergiften zu wollen; der Fund eines E 605-Giftköders auf dem Grundstück des Hundehalters und dessen Beobachtung in einer Vollmondnacht, als er den 57-Jährigen als unbefugten Eindringling auf seinem Grundstück erkannt habe.
"Das Gericht hat sich sehr viel Mühe gegeben, den Sachverhalt aufzuklären. Mit dem Urteil kann man leben. Es ist ein warnendes Beispiel, dass man mit Tieren nicht machen kann, was man will", erklärte der Hundehalter.
Der Angeklagte nahm den Schuldspruch wortlos hin. Er hatte es wohl so erwartet. Anders ist die Aussage seines Verteidigers Volker Beermann nicht zu erklären, der dem Gericht in seinem Plädoyer unterstellte, "dass das Urteil schon feststeht".
Erhebliche Verfahrensfehler?
Der Bayreuther Rechtsanwalt hatte Freispruch beantragt, scheiterte aber mit seiner Strategie einer Konfliktverteidigung. Er stellte "ganz erhebliche Verfahrensfehler" fest. Der Angeklagte könne sich nicht umfassend verteidigen, weil begrenzte Tatzeiträume fehlen. Außerdem habe die Polizei ihre Ermittlungen nicht korrekt dokumentiert. Daher sei die Anklage unzulässig. Beermann zweifelte die Indizienkette an und betonte, dass sein Mandant auch tierlieb sei und kein Motiv für die Taten habe. Die Streitereien lägen schon lange zurück, und der Besitz von E 605 sei nicht strafbar: "Ich möchte nicht wissen, was in vielen landwirtschaftlichen Betrieben noch alles rumliegt."Der Anwalt kündigte Rechtsmittel gegen das Urteil an. Der Richterspruch dürfte also nicht der Schlusspunkt gewesen sein.
Hier lesen Sie die Berichte vom ersten Prozesstag und vom zweiten Prozesstag.