Hilfe für die Bestäuber in Not: So klappt es mit dem Bienenquartier

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Wildbienen auf einer blühenden Kugeldistel. Wer einige der rund 550 Wildbienenarten anlocken will, muss auch die richtigen Trachtpflanzen anbieten wie Akelei und Blausternchen, Becherpflanze und Lavendel, Apfelbaum und Kornelkirsche. Günter Reif
Wildbienen auf einer blühenden Kugeldistel. Wer einige der rund 550 Wildbienenarten anlocken will, muss auch die richtigen Trachtpflanzen anbieten wie Akelei und Blausternchen, Becherpflanze und Lavendel, Apfelbaum und Kornelkirsche. Günter Reif
Was nach einem Stapel Altholz hinter Draht aussieht, ist ein Refugium für die nächste Generation Wildbienen. Günter Reif hat sein Quartier nach Süd-Osten ausgerichtet und mit Esche und Robinie bestückt. Drum herum wachsen Trachtpflanzen wie Becherblume, Akelei und Apfel.Jochen Nützel
Was nach einem Stapel Altholz hinter Draht aussieht, ist ein Refugium für die nächste Generation Wildbienen. Günter Reif hat sein Quartier nach Süd-Osten ausgerichtet und mit Esche und Robinie bestückt. Drum herum wachsen Trachtpflanzen wie Becherblume, Akelei und Apfel.Jochen Nützel
 

Wildbienen faszinieren ihn seit 30 Jahren. Günter Reif weiß auch, was der Gärtner den Brummern bieten muss.

Nora ist sauer - und zwar auf die Bienen. Weil die nicht kommen, um sich ihr schönes "Insektenhotel" anzuschauen und darin einzuziehen. Papa hatte es ihr aus dem Internet bestellt. So groß wie eine Weinkiste ist es; die Fassade blau, auf dem Dach leuchten große rote Schindeln mit der Sonne um die Wette. Die Fächer sind gefüllt mit Kiefernzapfen, Lochziegel und Matten aus zusammengebundenen Bambusstängeln.

Die Neunjährige möchte, dass endlich die Gäste eintrudeln. Seit zwei Jahren hängt das Holzgebilde im Garten. "Es heißt doch, dass es immer weniger Insekten gibt und wir Menschen ihnen helfen müssen. Aber die lassen sich nicht helfen. Das ist blöd!" Das Mädchen rollt die Augen und zieht einen Flunsch.


Das richtige Holz muss es sein

Günter Reif kann sich ausmalen, warum Nora umsonst wartet. Der Kulmbacher ist Naturliebhaber, aber insbesondere ein Freund der Bienen - genauer: der wilden Verwandten der Honigbiene. Ihnen hat er ein Quartier gebaut. Unserer Nora stünde beim Anblick des "Insektenhotels" in Günter Reifs Garten am Mühlbergweg garantiert vor Schreck der Mund offen. Das Mädchen würde die Ansammlung aufeinandergelegter und angebohrter Stämme vermutlich übersehen oder für Abfall halten. Denn da ist so gar nix Buntes dran. Aber umso mehr drin!

"Alles belegt", sagt der Kreisvorsitzende der Kulmbacher Gartenbauer und deutet auf die hölzernen Rundlinge mit den charakteristischen Verschlüssen. Mauer- und Scherenbienen haben ihre Brut in die Gänge abgelegt und die Löcher mit einem Gemisch aus Sand und zerkauten Pflanzen abgedichtet. Die nächste Generation Bestäuber wächst heran. "Für mich als Gärtner ist das gut - aber eben auch für die Natur", sagt Günter Reif und sein Strahlen reicht bis zu den Ohren. Dafür freilich muss er den Gästen das bieten, was sie benötigen. Angesichts des Fertigbauteils aus Noras Garten schüttelt er den Kopf. "Das ist gut gemeint, sicher. Aber damit können unsere Wildbienen herzlich wenig anfangen. Sie brauchen kleine Höhlen für ihre Brut. Was sollen sie da mit Zapfen von Bäumen?"

Beim Blick auf die aufgesägten Bambusröhrchen zeigt sich: Der Rand ist ausgefranst. "Daran bleiben die Bienen mit den Flügeln hängen - das ist das Todesurteil", weiß Günter Reif. Zudem ist der Dachüberstand zu groß und verschattet die Hälfte des Häuschens. "Der Regen muss ablaufen können. Gleichzeitig benötigt der Bienennachwuchs tagsüber mehrere Stunden Sonneneinstrahlung. Die kommt da aber gar nicht hin."

Der Kardinalfehler an Noras "Hotel " aber ist: Es fehlt jeglicher Schutz gegen den Fressfeind Nummer eins, den Vogel. Selbst wenn eine Biene sich hierhin verirrte, hätten Meise & Co. leichtes Spiel, mit ihren Schnäbeln die leckere Kost aus den Fächern zu pulen. "Hier hilft nur grober Hasendraht, angebracht mit genug Abstand."


Selber bauen statt kaufen

Der 68-Jährige rät dazu, sich ein Quartier für Wildbienen selber zu bauen. "Das ist kein Hexenwerk", sagt er. Als Basis für die Räume und Etagen dienen Stücke von härteren Laubhölzern wie Esche und Robinie. In die Stirnseiten bohrt er zahlreiche Löcher. "Auch wenn es heißt, man soll in die Seite bohren und nicht ins Stirnholz: Wenn man dem Holz die Spannung nimmt, reißt es nicht. Risse sind unbedingt zu vermeiden. Und wichtig: Nie ganz bis zum anderen Ende durchbohren." Die Löcher, zwei bis neun Millimeter im Durchmesser, setzt er mit handelsüblichen Spiral-Metallbohrern. "Damit sind die Wände in den Röhren schön glatt." Mehr braucht es nicht? Keine Lehmabteilungen oder Heubüschel? "Nein, alles Spielerei."

Was viele jedoch vergessen: Das Drumherum ums Hotel muss ebenfalls stimmen - sprich das Nahrungsangebot. "Ein aufgeräumter Garten ist absolut kontraproduktiv, und diese neumodischen Schotterbeete sind ein wahrer Graus. Das ist für mich die Vorstufe zu ,betonieren und grün anstreichen'. In einem wildbienenfreundlichen Garten muss es blühen vom zeitigen Frühjahr bis zum Herbst in einer möglichst großen Vielfalt."

Wenn es Wuseln und Schwirren soll im Garten, sollte man, so lautet Reifs Rat, immer auch einen Teil des Grases stehen lassen. Dann wachsen die kleinen Kräuter wieder, auf die die Wildbienen buchstäblich fliegen. "So verfilzt der Boden auch nicht, damit auch Erdbewohner, die die meisten Wildbienen sind, ihre Gänge graben können."

Eine der bekanntesten Wildbienenarten sind Hummeln. Die Dunkle Erdhummel ist von der Heinz-Sielmann-Stiftung zum "Gartentier des Jahres" erkoren worden. Für Günter Reif ein wichtiges Signal, "dass wir uns um unsere wichtigsten Bestäuber kümmern müssen". Mit einem Vorurteil räumt der 68-Jährige gleich auf: dass nämlich Hummeln aufgrund ihres Aerodynamik gar nicht fliegen können dürften. "Sie drehen ihre Flügel so, dass kleine Luftwirbel entstehen. Die heben die Hummel in die Höhe. Ganz nach dem Prinzip Hubschrauber." Damit kennt sich der Kulmbacher aus, schließlich flog er über 20 Jahre lang die Drehflügler beruflich als Pilot bei der Bundeswehr.

KOMMENTAR


In diesen "Hotels" ist nur der Wurm drin

Mal angenommen, Sie befinden sich in unbekanntem Terrain, fühlen sich schmutzig, hungrig, müde - und plötzlich sticht Ihnen das Schild mit der Aufschrift "Hotel" ins Auge: Was denken Sie? Genau: Glück gehabt und nix wie rein in die gute Stube!

Doch schon beim Blick ins Foyer merken Sie: Da stimmt was nicht! Die Eingangstür ist unglaublich eng; aus dem Rahmen ragen Holzspreißel und verkantetes Metall, an denen sich der Gast in spe vorbeizwängen muss und unweigerlich blutige Schrammen holt. Hat er sich erst mal bis zum eigentlichen Zimmer durchgekämpft, sieht er: Das Kämmerlein ist winzig, man kann sich kaum umdrehen. Boden und Decke haben großflächig Risse, es riecht modrig. Der Hammer kommt erst noch: Die Matratzen sind hochkant an die Wand genagelt! Frühstück gibt es keines, und alle Restaurants in der Nähe sind geschlossen...

Sie denken zu Recht: Wer ist so blöd und zieht in ein derart abweisendes Etablissement samt desolatem Umfeld ein? Dann fragen Sie mal die Wildbiene Ihres Vertrauens, denn es kann gut sein, dass Sie ihr genau eine solche Bleibe angeboten haben! Ja, richtig gelesen. Denn das, was womöglich in bester Absicht als Bienen- oder Insektenhotel den Weg in den heimischen Garten gefunden hat, ist für die Bewohner alles, nur eben eines nicht: geeignet.

Wildbienen sind gottlob nicht doof und lehnen Behausungen dankend ab, in denen sie sich die Flügel verletzen oder ihre Brut unweigerlich vor die Hunde geht, weil die Lochbohrungen ausgerissen sind und Regen durch die Ritzen dringt. Viele Nützlinge können - anders als wir Menschen - mit waagrechten Liegeflächen nix anfangen, sondern brauchen stehende Stängel. Trotz der gravierenden Mängel verkaufen Baumärkte, Discounter und selbst Fachläden solche Fertigteile, lassen sich das billigst zusammengeschusterte Ding teuer bezahlen. Und warum? Weil Sie ans ökologische Gewissen der Verbraucher appellieren, die etwas gegen das Insektensterben tun möchten.

Sich für den Umweltschutz zu engagieren, ist ein hehres Ziel. Aber es schadet nicht, sich vorab ein bisschen zu informieren und der Industrie nicht blind jedes Gelump abzukaufen. Auch hier gilt der Slogan: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Jochen Nützel