Der ehrenamtliche Migrationsbeauftragte der Gemeinde Neuenmarkt, Hanns-Georg Schmidt, übt scharfe Kritik an den Behörden.
Der ehrenamtliche Betreuer und Migrationsbeauftragte der Gemeinde Neuenmarkt, Hanns-Georg Schmidt, versteht die Welt nicht mehr und ist entsetzt: Hussen Adem Eshetu wurde trotz Landtags-, Bundestags- und Online-Petition ohne weitere Vorwarnung in einer Nacht- und Nebelaktion nach Äthiopien abgeschoben. In den frühen Morgenstunden drangen Polizeikräfte am vergangenen Dienstag in die externe Asylwohnanlage am Bayreuther Menzelplatz ein. Wie Hanns-Georg Schmidt erfahren hat, war die Tür zur Wohnung abgesperrt: "Sie wurde mit Gewalt eingetreten. Die Polizisten führten den schwer depressiven Äthiopier, ein Folteropfer, in Handschellen ab, ohne ihm zu erlauben, sein bisschen Hab und Gut mitzunehmen. Die ganze Wohnanlage versetzte das in helle Aufregung."
Die Polizei fuhr ihn anschließend zum Flughafen nach München, von wo er seinen Betreuer Hanns-Georg Schmidt anrief und von einem Polizeibeamten erklären ließ, dass er nun nach Äthiopien abgeschoben würde. Sie hätten einen Arzt an Bord, und er würde mit ausreichend Psychopharmaka gegen Depressionen für die kommenden Wochen versorgt. Hanns-Georg Schmidt weiter: "Nach Auskunft der Caritas am Flughafen München erfolgte auch eine Reisetauglichkeits-Unteruchung. Dass Hussen offenbar für reisetauglich erklärt worden ist, ist absolut nicht zu verstehen, da er unter schrecklichen Ängsten vor einer erzwungenen Rückkehr in sein Herkunftsland gelitten hat. Da alle zum Flughafen gebrachten Äthiopier auch tatsächlich weggeflogen worden sind, wie ich hörte, muss auch Hussen unter ihnen gewesen sein."
Erzwungene Rückkehr nach Äthiopien: Hussen leidet unter schrecklichen Ängsten
Alle Bemühungen, ihn seelisch zu stabilisieren nach den langen Jahren seiner Folterhaft von 2011 bis 2014, seien durch diese brutale Abschiebung mit Füßen getreten worden, so Schmidt. Als ehrenamtlicher Betreuer ist er entsetzt: "Mehrere Personen hatten ihn immer wieder aus seelischen Tiefs beziehungsweise aus Flashbacks, während der er sich in seine Foltersituationen zurückversetzt fühlte, herausholen müssen. In den letzten Wochen war eine leichte Besserung und Stabilisierung seines seelischen Gesundheitszustands eingetreten, deren gesamter Erfolg nun durch die Abschiebung wieder völlig zunichte gemacht wurde. Die Abschiebung muss absolut traumatisierend auf ihn gewirkt haben."
Nicht berücksichtigt worden sei, dass er, Schmidt, bereits 2019 eine Landtagspetition zum Verbleib von Hussen aus humanitären Gründen auf den Weg gebracht habe. Sie wurde am 27. Mai 2020 an den Deutsche Bundestag weitergeleitet. Dieser war aber nicht aktiv geworden, da noch eine Klage im Asylfolgeverfahren anhängig war. "Da diese aus mir völlig uneinsichtigen Gründen abgelehnt worden war, hatte Hussens Anwältin erneut einen Antrag auf Berufung gestellt. Und wir hatten eine Online-Petition mit bis heute 728 Unterschriften auf den Weg gebracht."
Die Zentrale Ausländerbehörde Bayreuth habe auf diese geantwortet, dass sie zwar zum Gesetzesvollzug verpflichtet sei, dass aber noch die Möglichkeit bestehe, sich an den Petitionsausschuss des Bundes zu wenden. Hanns-Georg Schmidt: "Das erwogen wir, als am 22. März die Ablehnung der Berufungszulassung kam. Ich wollte Hussen schonend beibringen, dass nun auch noch die Berufung nicht zugelassen worden sei und wir jetzt den Deutschen Bundestag um Hilfe bitten müssten. Aber dazu kam es nicht mehr, da er bereits in aller Frühe gewaltsam abgeschoben worden ist." Alle Beteiligten fühlten sich von der Zentralen Ausländerbehörde betrogen. Außerdem würden die jahrelangen, intensiven Bemühungen der Therapeutinnen, des Helfernetzwerks, der Stadtmission Bayreuth, wo Hussen mitgeholfen hat, und seines Betreuers mit Füßen getreten.
Rückholung geplant: "Wir werden alles tun"
Doch Hanns-Georg Schmidt gibt nicht auf: "Wir werden alles tun, um ihm doch noch Gerechtigkeit zukommen zu lassen." Am Donnerstagmorgen hat sich Hussen telefonisch bei ihm gemeldet. "Wir können nun seine Rückholung versuchen."
Von der Sammelabschiebung nach Äthiopien hat inzwischen auch der Bayerische Flüchtlingsrat Kenntnis erhalten. Wörtlich ließ er Hanns-Georg Schmidt wissen: "Bayern schiebt Traumatisierte in Perspektivlosigkeit ab, und Bayerns Politik ist nicht grenzenlos solidarisch, sondern grenzenlos lebensgefährlich."