Das sagt die Awo
Dass das Heimentgelt Am Rasen im November 2018 extrem gestiegen ist, "bedauern wir natürlich, aber wir waren dazu gezwungen", sagt Awo-Geschäftsführerin Margit Vogel, die deutlich macht, dass ein Träger keine willkürliche Entgelterhöhung vornehmen kann. Die Kostensteigerungen müssten in den Verhandlungen mit dem Bezirk und den Pflegekassen vorab exakt dargelegt werden. Die rasant gestiegenen Kosten liegen Vogel zufolge vor allem darin begründet, dass das Haus ab 2015 für 13,7 Millionen Euro modernisiert sowie ein Erweiterungsbau errichtet worden seien. Die Awo habe die Investitionskosten nach Baubeginn nicht gleich an die Bewohner weitergegeben. "Wir haben darauf hingewiesen, dass während der Bauzeit auf eine Umlage verzichtet wird." Vogel ist überzeugt, dass der Aufschrei nicht so groß gewesen wäre, hätte die Awo das Heimentgelt sukzessive Jahr für Jahr erhöht. Dass jetzt ein weiterer Anstieg bevorsteht ("Wie hoch der exakt sein wird, steht noch nicht fest"), liege an den gestiegenen Personalkosten. Über drei Jahre müsse eine tarifliche Lohnerhöhung von 7,58 Prozent vorgenommen werden. Zudem seien eine Einmalzahlung fällig und ein 30. Urlaubstag eingeführt worden.
BRK: Kosten steigen weiter
Wie sich Um- und Neubauten auf das Heimentgelt auswirken, das weiß Geschäftsführer Jürgen Dippold vom BRK-Kreisverband. Bei Neubauten müsse man pro Heimplatz mit Kosten von bis zu 120 000 Euro rechnen. Geld, das auf die Bewohner umgelegt werden müsse. In Marktleugast wurde das BRK-Heim 2014 für 3,5 Millionen Euro saniert. Die Bewohner hätten in den Jahren darauf eine spürbare Erhöhung hinnehmen müssen. Heute zahlt man dort für ein Einzelzimmer 2316 Euro. 2018 waren es 2190 Euro. Im neu gebauten Heim in Neudrossenfeld liegen die Kosten für ein Einzelzimmer bei 2316 (2018: 2104 Euro). Das Entgelt werde weiter kontinuierlich steigen, so Dippold, der mit einer jährlichen Erhöhung zwischen 120 bis 300 Euro rechnet - zuzüglich Investitionskosten.
Personalkosten sind Preistreiber
In bestehenden Häusern sind vor allem steigende Personalkosten der Grund für die Erhöhungen. Das stellt auch der Geschäftsführer des Diakonischen Werks in Kulmbach, Karl-Heinz Kuch, fest. Die Diakonie muss wie das BRK und die Awo an der Preisschraube drehen. Am Mainpark betrug der Eigenanteil für ein großes Einzelzimmer im Oktober 2017 2044 Euro, im Oktober 2018 2131 Euro. Seit Oktober 2019 sind es 2262 Euro. Kuch: "Es macht uns keinen Spaß, Schreiben zu verschicken, in den Erhöhungen angekündigt werden. Doch Träger kommen nicht umhin, wollen sie wirtschaftlich arbeiten." Er weiß, dass die Rente oft aufgefressen wird, Häuser "draufgehen". Wie man der Steigerung Einhalt gebieten kann? Die Eigenanteile müssten eingefroren werden, fordert ein Bündnis aus Diakonie, Awo und Dienstleistungswerkschaft Verdi. Die Sozialverbände halten eine Reform der Pflegeversicherung für dringend erforderlich.
Reform der Pflegeversicherung
Dass eine solche unabdingbar ist, macht auch MdB Emmi Zeulner (CSU) deutlich. Bis dato übernimmt diese einen festen Teil der reinen Pflegekosten, die jährlichen Erhöhungen trägt der Bewohner. Das System müsse umgekehrt werden. Zeulner: "Der Eigenanteil sollte fix sein, Steigerungen sollten von der Gemeinschaft getragen werden. Das wäre eine Lösung im Sinne des Solidarprinzips." Die Abgeordnete verweist auch auf die geplante Regelung, nach der Kinder sich künftig erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100 000 Euro an Pflegeheim-Kosten für Eltern beteiligen müssten. "Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung."
Klagen in Thurnau
Dass weitere Schritte zur Entlastung folgen, wünscht sich eine Frau, die namentlich nicht genannt werden will. Ihre Mutter wohnt im Awo-Pflegeheim in Thurnau. Auch sie klagt über exorbitant gestiegene Kosten. Der Eigenanteil soll, wie sie mitteilt, für ein Einzelzimmer ab November um über 200 Euro steigen, nachdem er erst im Vorjahr auf 2322 Euro angehoben worden sei. Vor November 2018 lag er ihren Worten zufolge bei 1970 Euro. "Das wäre ein Plus von fast 600 Euro innerhalb kurzer Zeit. Das ist der Wahnsinn."
Warum im Thurnauer Heim, das Anfang der 2000er-Jahre gebaut wurde, die Preise so stark steigen? Laut Margit Vogel ist es eine großzügig gebaute Einrichtung, in der die Awo ein besonderes Konzept fahre. So gebe es kleine Wohngruppen, in denen man auf eine besondere Betreuung Wert lege. Gesetzlich vorgeschrieben sei, dass mindestens 50 Prozent Pflegefachkräfte beschäftigt sind. "In Thurnau liegt die Fachkraftquote bei 62 Prozent. Dies führt zu höheren Personalkosten", sagt Vogel, die damit auch die auffallend starke Erhöhung des Heimentgeltes im November 2018 begründet. Würde man die Fachkraftquote auf das geforderte Maß zurückfahren, könnte man Kosten senken, müsste parallel aber das Betreuungsangebot reduzieren. Vogel: "Am Wohnkonzept und an dieser Fachkraftquote möchten wir festhalten."
Eine Begründung, die die Angehörige nicht nachvollziehen kann. Sie fragt sich, warum ihre Mutter viele Hundert Euro mehr zahlen soll, "obwohl sich an der Qualität der Pflege in den letzten Jahren ja nichts verbessert hat".