Versandhauschef Friedrich Baur war Mitglied der Loge "Friedrich zur Frankentreue". Nach dem Krieg trieb ihn die katholische Kirche aus der Bruderschaft.
Im Admiralspalast in Berlin hebt sich der Vorhang und gibt den Blick preis auf eine splitternackte Frau, die allein im Scheinwerferlicht steht. Just zur gleichen Zeit setzt sich in Burgkunstadt ein Jungunternehmer auf sein Motorrad, um Schuhe auszuliefern. Die Lebensbilder von Friedrich Baur und seiner Schwester Klara, die als Tänzerin unter dem mondänen Namen Claire Bauroff auftritt, können nicht unterschiedlicher sein. Und doch gibt es ein Gemeinsames: couragiert neue Wege zu gehen und die Welt zu verändern.
In Stadtsteinach geboren
Der Zeitpunkt, 1925, ist für sie beide eine wichtige Wegmarke. Er gründet den ersten Schuhversand Deutschlands, sie erfährt den Durchbruch zu einem der spektakulärsten Aktmodelle der Goldenen Zwanziger.
Friedrich Baur (1890 - 1965) ist gebürtiger Stadtsteinacher, hat allerdings nur vier Jahre in der Kreisstadt gelebt. Der Grund: Sein Vater Arthur, der von 1889 an als königlich-bayerischer Notar in Stadtsteinach tätig ist, wird nach Weißenhorn bei Neu-Ulm versetzt. Die Erinnerung bleibt jedoch - seit kurzem trägt die Grund- und Mittelschule den Namen des erfolgreichen und sozial engagierten Versandhausgründers.
"Eine Filiale der Hölle"
Nach seiner Ausbildung geht Baur als Auslandskaufmann in die britische Kronkolonie Hongkong. Im Gepäck hat er die Vision, den südostasiatischen Markt, wenn er einst wieder nach Deutschland zurückgekehrt ist, für Geschäftsbeziehungen zu nutzen. Doch 1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wird er mit Hunderten weiterer Deutscher von den Engländern gefangen genommen. Er wird nach Australien verschifft und in das mit Stacheldraht umzäunte Concentration Camp Holsworthy in der Nähe von Sidney gebracht.
"Es ist eine Filiale der Hölle", notiert einer von Baurs Mitgefangenen. Die Verpflegung ist mangelhaft, Lagerinsassen werden schikaniert und mit der Todesstrafe bedroht. Bei der Rodung des Buschlands, dem Straßen- und Eisenbahnbau müssen sie Schwerarbeit leisten.
Revolutionäre Idee
1919 wird Friedrich Baur entlassen. Er lässt sich in Burgkunstadt nieder. Die Idee, die ihn zur Gründung einer neuen Existenz antreibt, ist für die zwanziger Jahre nicht nur kühn, sie ist revolutionär: Er möchte einen landesweiten Versand von Schuhen aufbauen, verbunden mit einem modernen Vertriebssystem. Baurs Shopping-Konzept nimmt die heutige Online-Bestellung mit ihrem Retouren-Management vorweg. Die Sendung kann problemlos zurückgeschickt werden. Kann oder will der Kunde nicht bar zahlen, ist eine Abzahlung in bis zu zehn Raten möglich - und das zinslos.
Ein besonderer Anreiz besteht für den Organisator der Sammelbestellung. Der sogenannte Hauptkunde erhält für seine Mühe sechs Prozent der Gesamtrechnung gutgeschrieben. Um Jahrzehnte ist Baur der Konkurrenz mit seinem Versandhauskatalog voraus, der jedem Interessenten kostenlos zugeschickt wird. Er lässt ihn von den besten Werbegrafikern seiner Zeit gestalten, mit exakten Angaben und wirklichkeitsgetreuen Abbildungen der Schuhmodelle.
Sozialer Unternehmer
So kaufmännisch kalkuliert das Konzept ist, Baur möchte auch sozial sein. Seine Absicht ist es, qualitativ hochwertige Schuhe zu einem erschwinglichen Preis für jedermann anzubieten. In den Hungerjahren nach dem Ersten Weltkrieg war es für die kleinen Leute keineswegs selbstverständlich, sich ein Paar Schuhe kaufen oder sie auch nur besohlen lassen zu können.
"Gute Schuhe heben das Selbstbewusstsein", schreibt Baur in seinem Katalog von 1958. Soziales Engagement begleitet Baurs Leben. 1927 tritt er in die SPD ein, kooperiert mit den Gewerkschaften und kümmert sich um seine Mitarbeiter. Zeitlebens ist er Großsponsor bei zahlreichen karitativen und sozialen Einrichtungen sowie gemeinnützigen Vereinen. 1953 gründet er die "Friedrich-Baur-Stiftung", die bis heute vor allem Projekte der medizinischen Forschung fördert.
Freiheit, Humanität und Toleranz
Nach seiner Erfahrung im Internierungscamp, der Knechtung und Entwürdigung des Menschen, werden Freiheit, Humanität und Toleranz Leitlinien von Baurs Leben. Dies führt ihn zu den Freimaurern. Schon bald nach seiner Rückkehr, im Januar 1922, schließt er sich der Kulmbacher Loge "Friedrich zur Frankentreue" an. Die Brüdergemeinschaft hat sich seit ihrer Gründung zur Jahrhundertwende zum "geistigen Mittelpunkt Kulmbachs entwickelt", urteilt der Heidelberger Wissenschaftler Ralf Georg Czapla.
Zehn Jahre später wird er von den Brüdern zum Meister vom Stuhl gewählt. Nach der Machtübernahme werden die Freimauer immer massiver angefeindet, so dass sie im April 1933 ihre Selbstauflösung beschließen. Nach dem Krieg unterstützen die Amerikaner die Neugründung von Logen, die dem hitlerschen Geist widerstanden haben. Auch 23 Kulmbacher Brüder fassen wieder Mut. Bei der Lichteinbringung 1948 ist auch Baur dabei.
Mit Exkommunikation gedroht
Doch einige Jahre später der Schock: Der Versandhauschef teilt den Brüdern in einem persönlichen Schreiben mit, dass er sich mit Rücksicht auf seine an Kinderlähmung und Depressionen leidende Frau Kathi schweren Herzens entschlossen habe, aus der Loge auszutreten. Hintergrund: Ein Burgkunstädter Geistlicher, geprägt vom ultrakonservativen Geist der katholischen Kirche in den Nachkriegsjahren, schürt ihre Ängste: Es drohe die Exkommunikation. Die Mitgliedschaft in einer Loge schließe die Teilhabe an den christlichen Sakramenten aus. Weder ihr Mann noch sie könnten christlich beerdigt werden, wenn er nicht der Freimaurerei entsage. Erst Jahre später, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965, wird es eine erste zaghafte Annäherung von Amtskirche und Freimaurern geben.
1952 beugt sich der Unternehmer ihrem Druck und verlässt die Loge. Die Brüder akzeptieren seine Entscheidung schweren Herzens. Als "Buße" wird ihm von der Kirche auferlegt, ein Jahr lang täglich einen Gottesdienst zu besuchen. Baur kommt dem nach, indem er sich Tag für Tag am frühen Morgen beim Ortspfarrer von Kirchlein zum Gebet einfindet.
Buch
Einige Informationen in diesem Beitrag sind der Untersuchung "Die ungleichen Geschwister. Der Unternehmer Friedrich Baur und die Tänzerin Claire Bauroff" von Ralf Georg Czapla entnommen. Das Buch ist 2015 im Piper-Verlag erschienen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Ihr Autor Wolfgang Schoberth besitzt offenbar weder Scham noch wissenschaftliche Redlichkeit. Er suggeriert, dass die in seinem Artikel vorgelegten Erkenntnisse über Friedrich Baur und seine Schwester Claire Bauroff ausschließlich auf eigener Recherche beruhen. Dabei hat er sämtliche (!) Informationen über das Geschwisterpaar meinem Buch "Die ungleichen Geschwister" entnommen, das 2015 bei Piper erschien. Dass er meinen Namen in einem belanglosen Zusammenhang eingeflochten hat, hatte wohl nur den Grund, einem möglichen Plagiatsvorwurf zu entgehen. So wie Herr Schoberth geht man nicht mit dem geistigen Eigentum anderer um. Ich behalte mir rechtliche Schritte vor. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Georg Czapla