Die erste "Buntschau" ist fertig: 32 Seiten, die unter der Regie des Literaturvereins und Uschi Prawitz entstanden sind.
Tahir Elhami (21) kam vor vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland. Er hat das Berufliche Schulzentrum in Kulmbach besucht und Sprachkurse finanziert bekommen. Doch trotzdem hat er sich nicht getraut, auf die Menschen zuzugehen. "Als ich Tahir kennengelernt habe, war er total stumm. Er hat nur zwei Sätze gesprochen", erzählt seine Sprachpatin Brigitte Binder. Der Junge wollte Kontakt zu Menschen, das gelang ihm aber nur schwer.
Über die Schreibwerkstatt "Grenzenlos" fand er ein bisschen Anschluss an Menschen mit Zeit. "Tahir ist jetzt viel weltoffener geworden. Er hat seine Sprache verbessert und er hat gelernt, sich reden zu trauen", sagt Binder. In der Schreibwerkstatt "Grenzenlos", die Uschi Prawitz ehrenamtlich leitete, hat Tahir einen langen Artikel erstellt. Er hat Satz für Satz mit seiner Sprachpatin gemeinsam erarbeitet - und er ist sichtlich stolz, dass er es geschafft hat, so viel zu Papier zu bringen. "Aber wir haben ein Jahr dafür gebraucht", erklärt Binder.
Der Artikel von Tahir Elhami ist nur einer von vielen. 32 Seiten dick ist die erste "Buntschau", die unter der Regie des Literaturvereins entstanden ist. Die "Buntschau" ist eine Zeitung, von Flüchtlingen für Flüchtlinge und interessierte Menschen. Sie wurde auf Recycling-Papier gedruckt. "Mit Zuschüssen des Landratsamtes haben wir ein tolles Werk erarbeitet", zieht Projektleiterin Uschi Prawitz Bilanz. "Ich bin dankbar für die Begegnungen und Freundschaften."
"Hochinteressante Lektüre"
Stattgefunden hat die Schreibwerkstatt im Mehrgenerationenhaus in Mainleus. Dort trafen sich die Flüchtlinge mit Sprachpaten. Und gemeinsam und durch intensive Arbeit stellten sie dann die Zeitung fertig. Für das Layout zeichnete Beate Oehrlein, selbst Sprachpatin, verantwortlich. "Die Zeitung ist eine hochinteressante Lektüre. Sie erzählt Lebensgeschichten", sagt Landrat Klaus Peter Söllner.
Die Sprachpaten waren für die jungen Flüchtlinge eine echte Bereicherung: Sie gaben ihnen Halt. Sie schenkten ihnen Kontakt und Zeit. "Der Austausch stand im Mittelpunkt", betonte auch die Vorsitzende des Literaturvereins Karin Minet.
Noch ist er scheu
Bei der Präsentation der "Buntschau" waren drei Mitglieder der Schreibwerkstatt zugegen. "Damals in Mainleus, wenn ich jemand gegrüßt habe, ist keine Antwort gekommen. Das tut weh", erinnerte sich Malik Jawad Rashid aus Pakistan an seine Anfänge. "Nirgends ein Einkaufszentrum, nur Aldi. Wenn du hier niemanden hast, musst du ein bisschen raus, dann gehst du in ein Einkaufszentrum, weil da Abwechslung ist und Menschen sind. Und jetzt, wenn ich etwa nach München gehe, will ich sofort wieder nach Mainleus zurück - ohne Spaß: Wenn ich in Mainleus bin, kann ich durchatmen", schreibt Malik Jawad Rashid in seinem Artikel. Bei der Präsentation der Zeitung hat er sich allerdings nicht getraut, seinen Text selbst vorzutragen. Genau wie Tahir Elhami hat er noch Scheu.
Mehr Mut dagegen bewies Ehsan Sakhizada aus Afghanistan. Er hat eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer gemacht und hat in der Zeitung gleich mehrere seitenlange Artikel veröffentlicht. Immer ist sein Aufenthalt ein Thema. "Ich soll nach Afghanistan zurückgeschickt werden. Mein Asylantrag ist abgelehnt. Aber es ist völlig ungewiss, wann ich abgeschoben werde. Das schon macht mich krank. Aber dass ich nicht arbeiten darf, dass ich nicht gebraucht werden, ist für mich noch schlimmer", schreibt der 21-Jährige. Als Sprachpatin hatte er Corinna Sonja Stenzel. Sie ist stolz, dass ihr Schützling seinen Text flüssig lesen kann.
Super Idee und wirklich ganz prima gemacht. Riesenkompliment an alle Mitwirkenden! Ich war echt berührt.
Unglaublich allerdings, dass dem jungen Afghanen mit der Altenpflegehelfer Ausbildung die Abschiebung droht.
Gestern auf Bayern 2 wurde berichtet, dass Pflegekräfte händeringend gesucht werden. Diese Abschiebung wäre aus pragmatischer Sicht einfach nur dumm und aus menschlicher Sicht vollkommen herzlos. Leider aber vollkommen typisch für die bayerische Staatsregierung. Sehr nett, wenn sich der Landrat für ein Themenbuch engagieren will. Sehr viel sinnvoller, aber wahrscheinlich auch mühsamer, wäre das Engagement für das Bleiberecht von Herrn Ehsan Sakhizada.